3 Fragen an … Johannes Neuer

1. August 2023
Das Interview führteStephan Jockel

In der Serie „3 Fragen an …“ stellen wir regelmäßig Gesichter der Deutschen Nationalbibliothek vor. Heute: Johannes Neuer. Er ist der neue Direktor der Deutschen Nationalbibliothek am Standort Leipzig. Der Medien- und Kommunikationswissenschaftler folgt auf Michael Fernau, der das Amt seit 2008 innehatte und in den Ruhestand gegangen ist.

Herr Neuer, was ist aktuell die größte Veränderung in Ihrem Berufsfeld?

Johannes Neuer im Hauptlesesaal der Deutschen Nationalbibliothek in Leipzig. Foto: Johanna Baschke

In unserem Berufsfeld finden gerade große und wichtige Veränderungen statt. Wie in vielen anderen Branchen, gibt es im Bibliothekswesen einen großen Fachkräftemangel. Leider entscheiden sich immer weniger Menschen für eine Ausbildung und anschließende Tätigkeit in Bibliotheken. Das finde ich sehr schade, denn sowohl öffentliche als auch wissenschaftliche Bibliotheken bieten ein äußerst interessantes Betätigungsfeld mit einer großen Bandbreite an möglichen Aufgaben und Herausforderungen. Um diesem Trend entgegenzuwirken, ist es wichtig, dass wir Bibliotheken uns als Arbeitgeber*innen noch besser präsentieren und das immer noch weit verbreitete Bild von langweiligen Einrichtungen mit verstaubten Büchern in der Öffentlichkeit neu belegen. Denn in Bibliotheken passieren heutzutage wirklich spannende Dinge sowohl im Angebot, der Erschließung und Nutzung von Medien in digitaler und analoger Form als auch in Veranstaltungen, Weiterbildungen und Ausstellungen, wo Menschen zusammenkommen, sich austauschen und voneinander lernen. Zudem verändert sich baulich in Bibliotheken im Moment sehr viel, damit wir unseren Nutzenden ein optimales Aufenthaltserlebnis ermöglichen können. Im digitalen Bereich ist eine weitere wichtige Veränderung die Nutzung und Weiterentwicklung von künstlicher Intelligenz, die gerade bei der automatischen Erschließung der stetig wachsenden Anzahl von Online-Publikationen nicht mehr wegzudenken ist und in Zukunft unsere Arbeit noch stärker erleichtern soll. Gerade diese Veränderungen bieten Chancen im Hinblick auf den Fachkräftemangel. Die Aufgaben in unseren Häusern sind noch vielfältiger geworden und das macht es möglich, auch branchenfremde Menschen, die von Bibliotheken begeistert sind, für unsere Arbeit zu gewinnen. Übrigens hat die DNB interessante Stellenangebote, die Sie hier einsehen können.

Sinnvolles Schaffen – Was bedeutet das für Sie, wenn Sie an ihre Arbeit bei der Deutschen Nationalbibliothek denken?

Ein Grund, warum ich schon viele Jahre in der Kultur- und Medienbranche arbeite, ist, dass die Produkte dieser Arbeit Menschen Erlebnisse ermöglichen, die ihr Leben und das Leben anderer nachhaltig zum Positiven verändern können. Das habe ich schon früh in meiner Laufbahn erlebt, als ich im Bereich der klassischen Musik gearbeitet habe. Für eine Studie haben wir Besucher*innen von Konzerten befragt und herausgefunden, dass ihnen das Konzerterlebnis nicht nur den Genuss der Musik bietet, sondern darüber hinaus Verbundenheit mit ihrer Vergangenheit, der eigenen Familie oder anderen Menschen und dadurch eine sinnstiftende Erfahrung darstellt, die Konsumgüter in der Regel nicht bieten. In meiner anschließenden Arbeit in Bibliotheken habe ich ähnliches erlebt. Menschen kommen mit vielerlei Wünschen und Anliegen in Bibliotheken. Unsere Aufgabe ist es, diese gut zu verstehen und ihnen Möglichkeiten zu bieten, Inhalte zu entdecken, Zusammenhänge zu erkennen, Dinge zu lernen und neue Geschichten und Wissen zu schaffen, die wiederum von anderen Mitmenschen medial erlebt werden können. Meine Hoffnung ist, dass ich meinen Teil dazu beitragen kann, dass wir diese Aufgabe weiterhin bestens erfüllen und den dafür notwendigen Rahmen an Dienstleistungen bereitstellen, damit sinnvolles Schaffen für die Nutzenden und die Mitarbeitenden der Deutschen Nationalbibliothek möglich ist.

Was ist Ihr Lieblingsplatz in der Deutschen Nationalbibliothek?

Ich bin ganz neu in der Deutschen Nationalbibliothek, dennoch habe ich schon einen Lieblingsplatz gefunden.

In Leipzig gefällt mir der Hauptlesesaal im Gründungsgebäude sehr gut. Der Raum hat eine angenehme und ruhige Atmosphäre, schöne Holzmöbel und attraktive grüne Arbeitslampen – alles was ein Lesesaal in einer wissenschaftlichen Bibliothek haben sollte, damit Menschen konzentriert mit modernen Arbeitsmitteln recherchieren und schreiben können.

In Frankfurt habe ich kürzlich den (nicht öffentlichen) Bibliotheksgarten, der sich südlich des Lesesaals erstreckt, entdeckt. Vom Lesesaal aus hat man einen wunderbaren Ausblick über diesen Garten und die Frankfurter Skyline im Hintergrund, die mich an meine Zeit in New York City erinnert.

Ich bin mir sicher, dass ich weitere schöne Plätze in unseren beiden Häusern entdecken werde. Am besten geht das mit einer Führung, die wir regelmäßig in Leipzig und Frankfurt anbieten.

*Nachweis Beitragsbild auf der Startseite:Johanna Baschke

Ein Kommentar zu „3 Fragen an … Johannes Neuer“

  1. Beckmann sagt:

    Ich kann Ihre Begeisterung für die DNB für beide Standorte sehr gut verstehen. Habe selbst von Bonn aus die Geschicke der DNB über viele Jahre begleiten dürfen. Neubau in Ffm, Erweiterungsbau in Leipzig mit der Verlegung des Deutschen Musikarchivs von Berlin dorthin,der Neufassuung des Gesetzes über Die Deutsche Bibliothek, in dem wir erstmalig den Namen Deutsche Nationalbibliothek eingeführt haben und vieles mehr. Gerne erinnere ich mich an die gute und vertrauensvolle Zusammenarbeit mit den bisherigen Leitern der Bibliothek, Herr Prof. Pflug, Herr Prof. Lehmann, Frau Dr. Niggemann und deren Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen.
    Ihnen Herr Neuer wünsche ich viel Freude und ein gutes Händchen bei Ihrer neuen Aufgabe in diesem geschichtsträchtigen Haus in Leipzig.

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