5 Antworten von … Büro für urbane Projekte
In der Serie „5 Antworten von …“ kommen Akteur*innen des fünften Erweiterungsbaus der Deutschen Nationalbibliothek in Leipzig zu Wort und beantworten Fragen zum Baugeschehen, den Meilensteinen und den Hintergründen.
Björn Teichmann und Wolfram Georg, aka Büro für urbane Projekte: Was ist Ihre Rolle beim fünften Erweiterungsbau der Deutschen Nationalbibliothek?

Björn Teichmann:
Unsere Rolle ist die Wettbewerbsbetreuung. Man kann Aufträge an Architekten grundsätzlich auch ohne Wettbewerb in anderen Vergabeverfahren vergeben. Da es beim fünften Erweiterungsbau aber um ein besonders wichtiges Gebäude für die Deutsche Nationalbibliothek und für die Stadt Leipzig geht, hat man sich der Bedeutung der Aufgabe entsprechend dafür entschieden, hierzu einen Wettbewerb auszuloben.
Die Wettbewerbsbetreuung als Bestandteil eines Wettbewerbs bedarf dabei eines nicht zu unterschätzenden Aufwands, einer ausreichenden Erfahrung und des notwendigen Know-Hows. Wir als Büro für urbane Projekte betreuen seit vielen Jahren Wettbewerbe. Daher wurden wir angefragt, diesen Wettbewerb für den fünften Erweiterungsbau der Deutschen Nationalbibliothek zu betreuen und haben erfreulicherweise auch den Zuschlag bekommen.
Die Betreuung des Wettbewerbs beinhaltet neben der Organisation und Durchführung der Verfahrenstermine und einer formalen und inhaltlichen Vorprüfung der eingereichten Wettbewerbsarbeiten vor allem auch das Verfassen einer präzisen Aufgabenstellung für die Teilnehmer. Dazu ist eine enge Zusammenarbeit mit dem Bauherrn und Nutzer, hier der DNB, und deren für die bauliche Realisierung zuständigen Vertretung, hier der Staatsbetrieb Sächsisches Immobilien- und Baumanagement sowie das Sächsische Staatsministerium der Finanzen, notwendig. Gemeinsam werden die künftigen Bedarfe und sämtliche weiteren Anforderungen an das neue Gebäude erarbeitet und zusammengetragen.
Wolfram Georg:
In die Erarbeitung der Aufgabenstellung wurden auch noch weitere Akteure eingebunden, z.B. die Stadt Leipzig zu Fragen der städtebaulichen Setzung des Neubaus am Deutschen Platz und zur verkehrlichen Erschließung des Baugrundstücks. Mit den Denkmalbehörden wurden deren Anforderungen an den Neubau im Kontext des wertvollen historischen Gebäudebestandes ausgelotet. Mehrere Sachverständige haben bestimmte fachliche Positionen, so zur Bauphysik, zur Energieeffizienz, zum Treibhauspotenzial oder zum nachhaltigen Bauen in den Auslobungstext eingebracht.
Der wichtigste Partner ist aber natürlich der Bauherr und künftige Nutzer des Gebäudes. Mit der DNB hatten wir bereits im Vorfeld des Wettbewerbs eine Bedarfsplanung erarbeitet, in der das Raumprogramm für den fünften Erweiterungsbau, im Gegensatz zum vierten Erweiterungsbau ein reiner Magazinbau, schon sehr genau dargestellt war. Daran anknüpfend konnten nun in kurzer Zeit alle Anforderungen der DNB an ihr neues Gebäude im Detail präzisiert und anschließend sehr genau beschrieben werden. Denn je genauer die Aufgabenstellung formuliert werden kann, desto besser fällt auch das Wettbewerbsergebnis aus.
Die Aufgabe:
Seit 1913 sammelt die Deutsche Nationalbibliothek alle Text-, Bild- und Tonveröffentlichungen in und über Deutschland oder in deutscher Sprache. Bald werden alle Magazine am Leipziger Standort ausgelastet sein. Daher wird am Deutschen Platz ein weiterer Erweiterungsbau notwendig – der inzwischen fünfte in ihrer Geschichte. Als reiner Magazinbau dient er der Archivierung der eingehenden Bücher und Medien für die kommenden drei Jahrzehnte auf ca. 213 Regalkilometern. Neben klassischen Rollregalanlagen wird der Neubau erstmalig am Leipziger Standort auch Magazinflächen erhalten, die mit einem fahrerlosen Transportsystem (FTS) ausgestattet werden. Dieses eignet sich besonders für Medien mit hoher Zugriffshäufigkeit.
Die Planung des Erweiterungsbaus unterliegt einem hohen Qualitätsanspruch. Zum einen soll ein hochfunktionaler, klimastabiler Magazinbau mit einer hohen Flächen- und Energieeffizienz für die dauerhafte Archivierung und Erhaltung der Medienwerke entstehen. Zum anderen soll sich der Neubau bestmöglich in das denkmalgeschützte historische Bibliotheksensemble am Deutschen Platz und in dessen Umgebung einfügen.
Sie haben sich intensiv mit allen 16 eingereichten Wettbewerbsarbeiten befasst. Wie schätzen sie die Arbeiten im Hinblick auf den Umgang mit der Aufgabe und hinsichtlich der Kreativität der vorgeschlagenen Lösungen ein? Oder: was haben Sie erwartet, was hat Sie vielleicht überrascht?
Wolfram Georg:
Die Aufgabe bestand darin, ein Archivgebäude ohne Fenster in einer städtebaulich stark vordefinierten Situation zu entwerfen. Im schlechtesten Fall hätten wir 16-mal denselben Baukörper mit ähnlicher Grundrissbildung als Entwurf gesehen. Das ist aber glücklicherweise nicht passiert.
Wir hatten sehr gute Architekturbüros im Wettbewerb dabei, die auch die Idee hatten, dass ein solches Gebäude eine Bauskulptur sein kann bzw. etwas anderes als eine großvolumige Kiste. Vor dem Hintergrund fand ich sowohl die Vielfalt der Lösungsansätze als auch die Gestaltung, wie man so ein großes Volumen mit einer Fassade durch Höhenstaffelung interessant gestalten kann, sehr gelungen. Das zeigt sich auch insbesondere in den Arbeiten, die später in der engeren Wahl prämiert worden sind.
Björn Teichmann:
Meine Erwartung war, dass es ein eher solitäres Gebäude sein könnte, das aber trotzdem – entsprechend der Aufgabe – irgendwie an den Gründungsbau andocken muss, mindestens über eine oberirdische Verbindung. Diese Erwartung hat sich weitgehend bestätigt. Eher wenige Entwürfe haben den direkten Anbau an das historische Gründungsgebäude vorgeschlagen.
Häufig, auch in diesem Wettbewerb, wird versucht, sich durch besondere Kreativität von der Konkurrenz abzusetzen. Eine Vorgabe der Aufgabenstellung war beispielsweise, sich vorne und hinten an Höhen zu orientieren, die sich von den Bestandsbauten ableiten. Darauf haben viele Entwürfe durch ein mehrfach nach hinten in der Höhe abgestaffeltes Gebäude reagiert. Andere haben sich aber auch bewusst darüber hinweggesetzt.
Wolfram Georg:
Auch für uns, die wir die Arbeiten vor der Preisgerichtssitzung intensiv in der Vorprüfung kennengelernt haben, ist dann am Ende die Entscheidungsfindung im Preisgericht sehr interessant. Welche Ideen werden sich durchsetzen? In diesem Fall gerade angesichts der großen Bandbreite guter Vorschläge. Und nicht immer fällt es uns dabei leicht, die uns als Wettbewerbsbetreuer zugedachte objektive Rolle durchzuhalten. Denn wir dürfen die Arbeiten zwar im Sinne ihrer Verfasser vertreten, aber nicht bewerten. Das ist allein dem Preisgericht vorbehalten.
Die Wettbewerbsarbeiten exklusive der Preisträger und Anerkennungen


Architektengesellschaft mbH


stadtplaner gmbh


Planungsgesellschaft mbH


Architekten mbH


Generalplaner GmbH

Gesellschaft von Architekten mbH
Für die Deutsche Nationalbibliothek ist „nach dem Bau“ quasi „vor dem Bau“. Circa alle 20 bis 30 Jahre benötigen wir weitere Magazinflächen zur Aufbewahrung unserer Sammlungen. Sie haben bereits das Verfahren zum vierten Erweiterungsbau betreut. Das ist über 20 Jahre her (2002).
Was hat sich seitdem geändert, wird heute anders gemacht oder steht mehr im Fokus?

Björn Teichmann:
Bezogen auf die Aufgabe: Bei beiden Erweiterungsbauten ging es darum, ein adäquates Auftreten der Neubauten zum Deutschen Platz zu erreichen und das Gesamtensemble der Deutschen Nationalbibliothek architektonisch angemessen und funktional günstig fortzuschreiben. Im Hinblick auf die Gebäudenutzung war die Aufgabe beim vierten Erweiterungsbau jedoch eine andere. Es mussten nicht nur Magazinflächen geschaffen werden, wie jetzt beim fünften Erweiterungsbau. Auch das Deutsche Buch- und Schriftmuseum musste angemessen untergebracht werden, inklusive attraktiver und nach außen sichtbarer Ausstellungsflächen mit eigenem Zugang.
Bezogen auf die Architektur: Anfang der 2000-er Jahre wurde Architektur anders ausgeführt, anders zeitgenössisch umgesetzt. Die symbolhafte, bildhafte Architektur mit Referenzen an Buchrücken und einen Buchdeckel beim vierten Erweiterungsbau würde man vermutlich heute so nicht mehr vorschlagen.
Wolfram Georg:
Es ist wichtig, den vierten Erweiterungsbau in der Zeit zu sehen. Dazu muss man ein bisschen zurückgreifen. In den 1980er-Jahren entwickelte sich eine neue Denkrichtung in der Architektur, die mit den traditionellen Prinzipien der Architektur wie Geometrie, Geradlinigkeit und Rationalität zunehmend brach. Verschobene und verzerrte Baukörper oder zersplitterte und gekurvte Oberflächen brachten mehr Komplexität und Vielfältigkeit in die Entwürfe. In den 1990-Jahren kamen mit dem Computer zudem ganz neue Möglichkeiten auf, interessante Formen zu generieren, ganz andere Arten von Architekturen zu denken. In den 1980er-Jahren konnte man das zwar im Modellbau machen, aber nicht in dieser Form umsetzen. In dieser Phase entstanden viele Gebäude wie beispielsweise das Guggenheim Museum in Bilbao, die einen Wow-Effekt beim Betrachter produzierten. Eine zeichenhafte Architektur schafft solche Effekte.
Diese Phase dauerte circa von Anfang der 1990-er Jahre bis Ende der 2000-er Jahre. Dann kam wieder eine viel größere Sachlichkeit auf. Im gestalterischen Fokus stand wieder die Funktion und Rationalität. Nicht im Sinne der Frage, ist das geplante Gebäude effizient, sondern auch: wie geht es mit Ressourcen um? Ein Dilemma dieser aufsehenerregenden Bauwerke ist es leider häufig, dass ein großes Volumen mit spektakulärer Hülle errichtet wird und dann kommt innen ganz viel Luft und ein ganz kleines nutzbares Haus. Das trifft heute nicht mehr den Zeitgeist, wenn wir über begrenzte Ressourcen sprechen.
Heute sehr wichtig, aber damals noch nicht bzw. anders gewichtet, wurde der Aspekt der Nachhaltigkeit. Nachhaltigkeit ist ein Thema, das Anfang der 2000-er Jahre langsam aufkam. Das lag ein bisschen daran, dass man sich nach dieser sehr expressiven Phase in der Architektur wieder darauf konzentriert hat, zu fragen, was kostet das, was hat das denn für Folgeeffekte?
Natürlich musste man die Ressourcendiskussion in der Architektur schon immer führen – Material, Geld, Zeit. Die Nachhaltigkeitsthematik kam dann vor allem in der Kombination mit neuartigen Baustoffen verstärkt hinzu. Funktionieren diese langfristig? Ist es sinnvoll, diese zu nutzen? Oder auch beim Thema Energie: Wie viel Wärme oder Kälte benötigt eigentlich ein Gebäude? Kann es sich selber versorgen oder sogar einen Mehrwert erbringen? Das heißt nicht, dass Architektur nicht vor dieser Zeit auch nachhaltig sein konnte, doch häufig wurde hierüber nicht so intensiv nachgedacht.
Aber auch vermeintlich einfache Themen wie die Barrierefreiheit zum Beispiel, werden heute anders betrachtet. Früher hat es keinen geschockt, wenn irgendwo eine Stufe drin war. Heute weiß man, es macht aus vielen Gründen Sinn, ohne Barrieren zu bauen. Nicht nur für Menschen, sondern auch beispielsweise für Transportwege. Darauf liegt zurecht heute ein größerer Fokus.
Björn Teichmann:
So hat sich auch die Behandlung von Nachhaltigkeitsaspekten im Wettbewerb verändert. In früheren Auslobungen gab es am Ende immer ein extra Kapitel Nachhaltigkeit. Heute sehen wir das integrativ, d.h. die Belange der Nachhaltigkeit werden in jedes Kapitel eingebunden. Nachhaltigkeit ist keine Zugabe, sondern steckt in jedem Teil der Wettbewerbsaufgabe. Nachhaltigkeit ist ein Querschnittsthema.
Bei der Auswahl der Nachhaltigkeitsthemen im Wettbewerb muss aber eine angemessene Bearbeitungstiefe eingehalten werden. Zur Erklärung: Es gibt neun Leistungsphasen, nach denen ein Architekt ein Haus plant. Das erstreckt sich von der Grundlagenermittlung, Phase 1, ganz zu Beginn der Planung bis zur Mängelüberwachung, Phase 9, wenn das Gebäude fertig ist. Im Wettbewerb wird die Phase 2, die Vorentwurfsplanung, bearbeitet, d.h. es wird ein erster Entwurf für das ganze Gebäude erstellt Zu diesem frühen Planungszeitpunkt kann man noch nicht erwarten, dass dieser Entwurf alle Fragen beantwortet, die man sich für das fertig gebaute Haus stellt. Entsprechend sind auch bei den Nachhaltigkeitskriterien nur diejenigen zu untersuchen, die „vorentwurfsrelevant“ sind, also der Bearbeitungstiefe der Phase 2 entsprechen.
Wolfram Georg:
Es gibt Untersuchungen dazu, wie viele Kriterien oder Ebenen der Nachhaltigkeit man schon in so einem frühen Verfahrensstand abbilden kann. Die Systematik für Nachhaltigkeitsanforderungen in Planungswettbewerben zeigt hier gut auf, dass etwa die Hälfte der Kriterien und Indikatoren schon zum Vorentwurf vollständig oder teilweise bewertbar sind.
Man kann also am Vorentwurf im Wettbewerb schon relativ deutlich sehen, was besser oder schlechter funktioniert. Wobei zu bedenken ist, dass die Vorentwurfsplanung eine Phase ist, in der der Architekt in der Regel noch nicht so viele Fachplaner einbezogen hat, keine Bauphysiker, keine Statiker etc. Das hängt aber im Detail von der Aufgabe ab. Beim fünften Erweiterungsbau der Deutschen Nationalbibliothek hatten wir tatsächlich schon eine Menge Fachplaner im Hintergrund, die bei den Architekten mitgewirkt haben.
Ein weiterer Aspekt, der sich im Vergleich zu 2002 stark verändert oder weiterentwickelt hat, sind die mit dem Computer erzeugten Visualisierungen. Seit etwa fünfzehn Jahren gibt es wirklich glaubhafte fotorealistische Perspektiven und Ansichten. Die entfalten immer eine gewisse Sogwirkung, weil das Haus auf dem Bild so zu sehen ist, als wäre es schon gebaut. Meistens sieht die Darstellung dann gegenüber der Realität noch ein bisschen besser aus. Das führt dazu, dass man diesen Bildern als Fachjury ein gewisses Misstrauen entgegenbringt. Deshalb ist es wichtig, von den hübschen Bildern manchmal einfach wegzukommen und auf das Modell, die Grundrisse und die Ansichten zu schauen. Die verraten mitunter mehr und sind in der Regel ehrlicher.
Björn Teichmann:
Andererseits sind Visualisierungen eine große Hilfe, um das Atmosphärische eines Entwurfs zu transportieren. Das hilft vor allem auch den Nicht-Fachleuten, die es weniger gewohnt sind, Grundrisse, Schnitte und Ansichten zu lesen. Es ist aber eben ein kritischer Blick geboten. Nicht immer stimmen Grundrisse und Visualisierungen überein, nicht immer sind Farben und Materialien so dargestellt, wie sie tatsächlich realisiert werden können. Beim fünften Erweiterungsbau hatten viele Wettbewerbsarbeiten Photovoltaikelemente in den Fassaden. Bei allen Arbeiten sah das anders aus und überwiegend auch sehr gefällig. Da wurde schon hinterfragt, wie das tatsächlich aussieht, wenn es gebaut ist.
Aber deshalb hat man im Wettbewerb ja auch die Mischung aus Fach- und Sachpreisrichtern. In einem guten Preisgericht sind die Architekten, die Fachpreisrichter diejenigen, die den Sachpreisrichtern (Bauherrenvertreter, Nutzer, etc.) nicht einfach erklären, wie es geht oder wie es sein muss, sondern diejenigen, die die anderen mitnehmen und begründen, warum sie etwas – aus ihrer Erfahrung aus eigenen oder anderen Bauprojekten – gut finden und für technisch lösbar halten. Das hat sich vielleicht im Vergleich zu früher auch etwas geändert. Heute muss ein Preisgericht seine Entscheidung immer mehr nach außen vertreten und öffentlich vermitteln.
Die Preisträger*innen stehen seit September 2024 fest. Sie hatten im Preisgericht zwar kein Stimmrecht, aber vielleicht eine Ahnung, welche Arbeiten in die engere Wahl kommen würden. Falls ja, hat sich Ihre Vermutung bestätigt bzw. womit haben die Preisträger*innen aus Ihrer Sicht überzeugt bzw. die Anerkennungspreisträger*innen sich besonders hervorgehoben?
Wolfram Georg:
Von den sechs Arbeiten, die in die engere Wahl gekommen sind, hatte ich mindestens vier „auf dem Zettel“. Es sind immer ein paar Überraschungen dabei, also Entwürfe, die es weitergebracht haben als gedacht oder umgekehrt relativ früh ausgeschieden sind. Das ist aber ganz normal. Wenn man die Arbeiten auspackt, dann hat man denselben Effekt wie die Jury, wenn sie die Arbeiten das erste Mal sieht und man denkt sich: Wow, das finde ich spannend. Bei anderen Arbeiten schaut man 2–3-mal drauf und denkt sich dann erst, dass diese auch sehr interessant sind. Das Auspacken der Arbeiten ist schon so ein bisschen wie Weihnachten [lacht].
Und aus dieser Mischung ergibt sich dann ein Bild von Arbeiten, die man im Feld besser bewertet als andere. Aber eine Preisgerichtssitzung hat auch eine ganz eigene Dynamik und man ist am Ende immer schlauer, da die Diskussion breiter und tiefer geführt wird.
Konkret zu den Preisträgern: Die Deutsche Nationalbibliothek ist ein historisch gewachsenes Gebäudeensemble. Es besteht aus einem Gründungsbau mit zwei nicht äußerlich, aber innerlich sehr unterschiedlichen Seitenflügeln aus den 1930-er und dem Ende der 1950-er Jahre. Hinzu kamen die Büchertürme als ganz eigenes System und reiner Magazinbau Ende der 1970er-Jahre. Und zuletzt der vierte Erweiterungsbau als großes Zeichen nach vorne. Da fragt man sich als Architekt schon: woran orientiere ich mich? Am klassischen Gründungsbau oder eher am funktionalen Bücherturm?
So sind drei sehr eigenständige Antworten auf die Frage, wie ein gutes Archiv das Ensemble erweitert, entstanden. Grundsätzlich erfüllen alle drei Preisträger die gestellten Anforderungen. Dabei hat sich der 1. Preis von Code Unique Architekten mit seiner Kubatur sehr zurückhaltend neben dem Altbau eingeordnet. Dies erfolgt aber zu Lasten eines sehr großen unterirdischen Bauvolumens. Der 2. Preis von AV1 Architekten und der 3. Preis von Heinle Wischer stellen sich dagegen sehr selbstbewusst und in entsprechender Größe neben den denkmalgeschützten Bestand.
Das beeindruckende an der Arbeit des Architekturbüros Waechter und Waechter, der ersten Anerkennung, war übrigens die Planung des oberirdischen Baukörpers ganz aus Holz. Hier hatten die Verfasser den Mut gehabt, zu zeigen, dass so etwas auch gehen könnte. Auch die andere Anerkennung von Scheidt Kasprusch Architekten fand ich interessant. Der Entwurf hat gezeigt, dass man das ganze Programm in einem sehr großen Volumen umsetzen kann, ohne zusätzlich ein großes unterirdisches Bauwerk errichten zu müssen.
Björn Teichmann:
Es ist immer wieder erfreulich zu sehen, dass bei gleicher Aufgabenstellung die unterschiedlichen Antworten weit auseinander liegen können. Meine Vermutungen zu möglichen Preisträgern haben sich nicht in Gänze bestätigt. Im Laufe eines Preisgerichtstages entsteht aber stets ein großer Erkenntnisgewinn, wenn viele verschiedene Ansätze gemeinsam diskutiert und bewertet werden. So war das Wettbewerbsergebnis für mich am Ende sehr gut nachvollziehbar. Schlussendlich muss man sich entscheiden, welcher Entwurf für den Ort und die Aufgabe die beste Lösung darstellen könnte. Das macht den Wettbewerb so spannend.
Die Preisträger






Die Anerkennungen


Zeitlicher Ablauf des Wettbewerbsverfahrens
Am 9. April 2024 wurde der Wettbewerb zum 5. Erweiterungsbau der DNB in Leipzig im Amtsblatt der Europäischen Union bekanntgegeben.
Die Teilnehmer*innen, die sich für den Wettbewerb qualifiziert hatten, erhielten am 3. Juni 2024 die Auslobungsunterlagen. Hierin werden die Verfahrensbedingungen des Wettbewerbs bekanntgegeben, die zu bearbeitende Aufgabe definiert und Ziele für die Bearbeitung beschrieben.
Das Preisgericht hat am 10. September 2024 die eingereichten Arbeiten beurteilt und die Preisträger*innen bestimmt.
Wie geht es weiter?
Das Preisgericht hat eine schriftliche Empfehlung für die weitere Bearbeitung gegeben. Welcher der preisgekrönten Entwürfe realisiert wird, wird anschließend (voraussichtlich bis Ende 2024) noch in einem nach dem Vergaberecht durchzuführenden Verhandlungsverfahren ermittelt. Voraussichtlich Ende des Jahres 2026 starten die Baumaßnahmen. Im Jahr 2030 ist die Fertigstellung des Magazinbaus geplant.
Ihre Arbeit endet im Nachgang der Preisgerichtssitzung und Sie widmen sich Ihren zahlreichen anderen Projekten. Bleiben Sie neugierig und verfolgen den weiteren Verlauf bis zur Eröffnung des fünften Erweiterungsbaus?
Björn Teichmann:
Wir sind bei diesem Auftrag nicht mehr involviert, wenn im Anschluss an den Wettbewerb unter den Preisträgern im Rahmen eines obligatorischen Verhandlungsverfahrens die finale Entscheidung fällt, welcher Entwurf realisiert wird. Die abschließenden Aufgaben für den Wettbewerbsbetreuer bestehen in der Veröffentlichung der Wettbewerbsarbeiten in den Medien, oft in der Dokumentation des Wettbewerbs in einer Broschüre und schließlich in die Rücksendung der nicht prämierten Wettbewerbsarbeiten.
Anschließend sind wir an der Umsetzung des Wettbewerbsergebnisses nicht mehr weiter beteiligt, aber sehr wohl weiter interessiert. Es freut uns, wenn die Projekte realisiert werden und wir bei Richtfesten oder Einweihungen das gebaute Werk mit den ersten Planungen aus der Wettbewerbsphase vergleichen können. Das war beim vierten Erweiterungsbau so und wird bei der fünften Erweiterung hoffentlich genauso sein. Wenn wir auch selber nicht bauen, haben wir doch das Gefühl, dass wir in einer frühen Phase der Planung mit der Formulierung der Aufgabe und der Rahmenbedingungen doch einen nicht unerheblichen Einfluss auf das fertige Gebäude hatten.
Wolfram Georg:
Wenn ich dann Projekte nach vier, fünf Jahren im Rohbau oder nach Fertigstellung sehe, denke ich bisweilen, das sah im Wettbewerb ganz anders aus oder auch, das ist genauso geworden wie gedacht. Meistens bleiben die Lösungen aber sehr nah an der Wettbewerbsplanung. Wir sind also gespannt, wie es mit dem fünften Erweiterungsbau der DNB weitergeht!
Vielen Dank für das Interview, Wolfram Georg und Björn Teichmann!
Aktuelle Informationen zum fünften Erweiterungsbau finden Sie unter: https://www.dnb.de/erweiterungsbau
Tina Bode
Dr. Tina Bode ist Direktionsreferentin in der Deutschen Nationalbibliothek und Teil der Stabsstelle Strategische Entwicklungen und Kommunikation.