Artificial Intelligence meets Cultural Heritage

15. Juli 2025
von Susanne Oehlschläger
Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des 39. Annual General Meeting von CENL in Edinburgh

Künstliche Intelligenz ist das derzeit überall vorherrschende Thema. Auch die Nationalbibliotheken beschäftigen sich intensiv damit. Und so stand auch die Jahrestagung der Conference of European National Librarians (CENL) in Schottland ganz im Zeichen von KI.

100 Jahre National Library of Scotland

Auf Einladung der Nationalbibliothek von Schottland (NLS), die in diesem Jahr ihren 100. Geburtstag feiert, und ihrer Leiterin Amina Shah versammelten sich vom 15.-17. Juni 2025 die Direktorinnen und Direktoren der Nationalbibliotheken Europas in Edinburgh.

Vor dem Einstieg in die fachlichen Themen, ist der Sonntag traditionsgemäß der Kultur des Gastgeberlandes gewidmet. Nach der Registrierung in der NLS hatten die Teilnehmenden zunächst Gelegenheit zu einer Besichtigung der Ausstellung „Dear Library“ mit vielen Exponaten, die sich auf unterschiedlichste Art und Weise mit dem Thema Bibliothek auseinandersetzen.

Neben kurzweiligen Führungen durch die pulsierende Altstadt von Edinburgh am Nachmittag bot der Abend dann einen ersten Höhepunkt der Veranstaltung: Der Empfang in der Great Hall des Edinburgh Castle war eine besondere Ehre für die CENL-Mitglieder, die üblicherweise nur internationalen Staatsgästen zuteil wird. Eingeladen hatte der Cabinet Secretary for Constitution, External Affairs and Culture Angus Robertson MSP, der sich nach einer kurzen Rede angeregt mit seinen Gästen aus allen Teilen Europas austauschte.

Zum wahrhaft „krönenden“ Abschluss ihres Besuchs durften diese die Honours of Scotland besichtigen. Das Ensemble der Kronjuwelen besteht aus Krone, Staatsschwert und Zepter und wird im Kronensaal von Edinburgh Castle aufbewahrt. Die Krone wurde unter anderem von Maria Stuart und anderen Monarchen bei ihrer Krönung getragen.

Transformation durch Künstliche Intelligenz

Der fachliche Teil der Tagung fand im Edinburgh Futures Institute der Universität Edinburgh statt, da die Nationalbibliothek nicht über ausreichend Kapazitäten verfügt, um eine so große Gruppe selbst aufzunehmen. Unter der Überschrift „Artificial Intelligence meets Cultural Heritage – the Transformative Power of AI for and through National Libraries“ diskutierten die CENL-Mitglieder hier unterschiedliche Aspekte des KI-Einsatzes in ihren Institutionen.

Bei aller Begeisterung für die Möglichkeiten der KI mahnte die Professorin Melissa Terras, MBE, FREng, vom Edinburgh Futures Institute in ihrer Keynote „Upholding Library Values in a Tech Industry World“ die Bibliotheksdirektoren und -direktorinnen, sich auf die ureigenen Werte von Nationalbibliotheken zu besinnen und insbesondere die Hoheit über die Daten zu behalten. Sie mahnte klare Leitlinien an und warnte davor, blauäugig in eine Zusammenarbeit mit den großen Techfirmen zu gehen. Auch die Keynote von Professor Paul Gooding „AI in the National Library: Thinking Fast and Slow“ regte die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Tagung zu intensiven Diskussionen über den Umgang mit KI an. Richard Ovenden, OBE, MA, FRSA, FSA, FRHistS, FRS, Bibliothekar der Bodleian Library in Oxford, zeigte in seinem Vortrag „Burning the Books, Then and Now: From Clay Tablets to the World of AI“ Revue eindrucksvoll, wie Bücher und Informationen von der Antike bis heute zerstört, verändert oder missbraucht wurden, um bestimmte politische Haltungen durchzusetzen oder auch zu unterdrücken.

Auch die CENL-Mitglieder selbst hatten einiges zu berichten. Viele Nationalbibliotheken in Europa beschäftigen sich schon länger mit dem Einsatz von KI in der täglichen Arbeit und im Kontext ihrer Dienstleistungen. Unter der Überschrift „AI in action – Voices from National Libraries“ erhielten die Anwesenden einen hervorragenden Überblick über die verschiedenen Anwendungen von KI in den Nationalbibliotheken und hatten damit ausreichend Stoff für einen intensiven Austausch.

Während die Beiträge aus Estland (Ensuring Linguistic and Cultural Diversity), den Niederlanden (Responsible AI in the NL’s Strategy), Frankreich (AI in Libraries: An Ethical Approach), Norwegen (NL as a Provider for LLMs) und Armenien (Public-Private Partnerships) sich dem Thema eher prinzipiell näherten, fokussierten die Beiträge aus Belgien, Litauen, Luxemburg, der Türkei, Bulgarien und Serbien auf konkrete Projekte und Einsatzmöglichkeiten, zum Beispiel auf KI-Integration in die Workflows zur Bearbeitung von Pflichtexemplaren, zur Katalogisierung oder zum Erkennen der Titelseiten von digitalisierten Zeitungen.

Nach dem Bericht von der Arbeit der CENL AI in Libraries Network Group und einem Appell an die Kultureinrichungen zur internationalen Zusammenarbeit beim Thema Künstliche Intelligenz hatten alle Teilnehmenden Gelegenheit, in Kleingruppen intensiv über die Möglichkeiten und Grenzen des KI-Einsatzes in ihren Institutionen zu diskutieren.

Situation in der Ukraine

Eine traurige Tradition ist mittlerweile auch das Update des ukrainischen Mitglieds von CENL. Da die Leiterin der Vernadskij National Library of Ukraine wegen des Krieges weiterhin nicht reisen kann, hat sie wie in den Vorjahren ein Video aufgezeichnet, in dem sie von der schwierigen Situation in ihrer Bibliothek und ihrem Land berichtet und sich für die fortdauernde Unterstützung durch die internationale Community bedankt.

Ausblick auf 2026 und 2027

Kaum ist die Jahrestagung vorüber, richtet sich die Aufmerksamkeit bereits auf die nächste. Das 40. Annual General Meeting von CENL wird vom 14. bis 16. Juni 2026 in der Nationalbibliothek von Luxemburg stattfinden. Der Direktor Claude Conter hat nach Luxemburg eingeladen und lieferte einen Vorgeschmack dessen, was die die CENL-Mitglieder dort erwarten wird. Alle Beteiligten sind in Vorfreude darauf, dort die neu geknüpften oder vertieften Kontakte auszubauen und zu pflegen.

Und wo wird das AGM 2027 stattfinden? Die Spannung war groß, als das Executive Committee den Austragungsort für das Folgejahr bekannt gegeben hat: 2027 werden die CENL-Mitglieder in der Kungliga Biblioteket, der Nationalbibliothek von Schweden, in Stockholm tagen.

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass das 39. Annual General Meeting von CENL in Edinburgh eine inhaltlich intensive und rundum gelungene Veranstaltung war. Besonders deutlich wurde dabei, dass die Nationalbibliotheken Europas nicht nur mit den aktuellen Entwicklungen im Bereich der Künstlichen Intelligenz Schritt halten, sondern diese – insbesondere im kulturellen Kontext – aktiv mitgestalten und verantwortungsvoll begleiten. Voraussichtlich Ende des Jahres wird ein Sammelband mit den Beiträgen der Tagung erscheinen. Für die hervorragende Vorbereitung und Organisation der Veranstaltung ist insbesondere Amina Shah und ihren großartigen Kolleg*innen von der National Library of Scotland und des Edinburgh Futures Institute zu danken.

Europa tanzt

Abschließend sei das traditionelle Ceilidh Dancing nach dem Gala-Dinner in der Nationalbibliothek besonders hervorgehoben. In ausgelassener Atmosphäre tanzten Menschen aus allen Teilen Europas unter Anleitung diesen schottischen Tanz. Es war ein fröhliches Miteinander, das in dieser Form in der wechselvollen Geschichte Europas leider nicht immer möglich gewesen ist. Umso schöner und bedeutender ist es, dass auch die Mitglieder von CENL einen Beitrag dazu leisten konnten, Menschen aus ganz Europa auf persönliche und verbindende Weise zusammenzuführen. Manchmal vermag eine einzige gemeinsame Stunde des Tanzens und Lachens mehr zur Verständigung zwischen den Völkern beizutragen als so manche diplomatische Initiative.


Fotos, soweit nicht anders angegeben: DNB, Susanne Oehlschläger, CC-BY-SA 3.0 DE

Susanne Oehlschläger

Susanne Oehlschläger ist Referentin in der Stabsstelle Strategische Entwicklungen und Kommunikation der Deutschen Nationalbibliothek. Seit Ende 2021 ist sie in dieser Funktion auch Geschäftsführerin (Secretary) der Conference of European National Librarians (CENL).

*Nachweis Beitragsbild auf der Startseite:Neil Hanna

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