Das interaktive Zeitzeugen-Interview auf Tour

1. März 2023
von Lisa Eyrich

Seit dem 17. Januar tourt das Exilarchiv mit dem interaktiven Zeitzeugen-Interview von Kurt S. Maier durch verschiedene Regionen Deutschlands. Ziel ist es, dieses innovative Angebot auch außerhalb Frankfurts bekannt zu machen.

Das interaktive Zeitzeugnis ist Teil des Projekts „Aus der Vergangenheit lernen für die Gegenwart – Interaktive 3-D-Interviews mit Zeitzeug*innen des historischen Exils“. Im Rahmen des Projekts werden unter anderem zwei interaktive Interviews zu den Erfahrungen antisemitischer Verfolgung sowie des Exils nach 1933 erstellt. Etwa 500.000 Menschen wurden zwischen 1933 und 1945 aus dem Machtbereich der nationalsozialistischen Diktatur ins Exil gezwungen, zu ihnen zählt Kurt Salomon Maier.

Kurt S. Maier wurde 1930 in Kippenheim geboren und entkam mit seiner Familie als 11-Jähriger in die USA. Teil seiner Lebensgeschichte ist nicht nur die Erfahrung des Exils, sondern auch die Zwangsdeportation der badischen Jüdinnen und Juden in das französische Lager Gurs im Herbst 1940. Das Interview für das interaktive Zeitzeugnis von Dr. Kurt S. Maier wurde im Juli 2021 in Washington, D.C. aufgezeichnet. An insgesamt fünf Tagen wurde Kurt S. Maier von der Leiterin des Exilarchivs Dr. Sylvia Asmus interviewt. Es ist das erste interaktive Zeitzeugnis, das sich inhaltlich mit der Erfahrung des Exils beschäftigt und das zweite in deutscher Sprache.

Zu Gast an Freiburger Schulen

Erstes Ziel unserer Reise war Kurt S. Maiers Herkunftsregion. Wir machten Station an zwei Freiburger Schulen, darunter auch die Lessing-Realschule. Dort war von 1936 bis zu den Novemberpogromen 1938 eine jüdische Zwangsschule untergebracht. Bis zu seiner Deportation im Oktober 1940 besuchte Kurt S. Maier deren Nachfolgeeinrichtung. In einer Geschichtswerkstatt beschäftigt sich die Schule seit 2001 mit der eigenen Historie. Drei Geschichtsklassen der Jahrgangstufen 9 und 10 hatten Gelegenheit zur Interaktion mit dem interaktiven Zeitzeugen-Interview.

Zusammenarbeit mit Schülerinnen und Schülern

In einer kurzen Einführung stellen wir den Schüler*innen unsere Institution vor und besprechen im Dialog, was die Arbeit im Exilarchiv ausmacht. Wir fragen die Schüler*innen, ob sie selbst schon einmal mit Zeitzeug*innen gesprochen und welche Erfahrungen sie dabei gemacht haben. Dazu gehört auch, gemeinsam darüber nachzudenken, was es heißt, dass es bald keine Zeitzeug*innen mehr geben wird, die aus eigener Erfahrung von Shoah und Exil berichten können. Mit Hilfe einer kleinen mobilen Ausstellung und Begleitheften werden die Schüler*innen dann selbst aktiv. Sie erarbeiten sich die Inhalte der Ausstellung und präsentieren die Lebensstationen von Kurt S. Maier: Kindheit in Kippenheim, die Zeit im Lager Gurs und das Leben im Exil. Interaktion und Partizipation sind wichtige Bausteine in unserem Vermittlungsformat.

Die  Schüler*innen gestalten die mobile Ausstellung selbst, sie bestücken sie mit faksimilierten Exponaten und übernehmen die Präsentation. Sie setzen sich mit der Bedeutung von Fotografien und Lebensdokumenten auseinander und stellen Zusammenhänge her. Die Befragung des interaktiven Zeitzeugnisses ist dann der Höhepunkt des Programms.

Schüler*innen erarbeiten sich die Inhalte der mobilen Ausstellung und bereiten die Präsentation vor. Foto: DNB/Lisa Eyrich

Unser Vermittlungsprogramm zielt auf die Entwicklung von Kritik-und Empathiefähigkeit ab und auf die Förderung multiperspektivischen Denkens. Zugleich werden Kenntnisse über die Geschichte des Nationalsozialismus, über Exil und Shoah vertieft. In der Auseinandersetzung mit dem digitalen Zeitzeugen-Interview wird auch Medienkompetenz vermittelt. Einerseits kommen die Schüler*innen in Berührung mit einer neuen Technik, andererseits wird ein kritischer Umgang mit Medien adressiert. Und natürlich geht es nicht nur um Vergangenheit, sondern um die Bedeutung für die gesellschaftliche Situation in der Gegenwart, um das Erkennen von Rassismus und Antisemitismus, um Toleranz und darum, sich selbst zu diesen Themen in Beziehung zu setzen.

Eine Gedenktafel an der Lessing-Schule erinnert an die Zeit als dort auch eine jüdische Zwangsschule untergebracht war. Foto: DNB/Theresia Biehl

Die nächsten Schulklassen besuchten wir an der Walter-Eucken-Schule in Freiburg. Viele Schüler*innen hatten sich schon vorab Fragen für das interaktive Zeitzeugen-Interview notiert und nutzen die Gelegenheit zum Dialog intensiv.

Ein Bericht der Badischen Zeitung gibt weitere Einblicke: https://www.badische-zeitung.de/ein-zeitzeuge-besucht-als-hologramm-eine-freiburger-schulklasse–237939533.html (Registrierung notwendig)

Blaues Haus in Breisach

Neben Schulen besucht das Exilarchiv auf seiner Tour auch Gedenk- und Bildungsstätten. Am Abend des 17. Januars stellte Dr. Sylvia Asmus, das interaktive Zeitzeugnis im Blauen Haus in Breisach vor.

Das Blaue Haus ist eine Gedenk- und Bildungsstätte für die Geschichte der Jüdinnen und Juden am Oberrhein. Eine Dauerausstellung erinnert dort auch an die Deportation der badischen Jüdinnen und Juden nach Gurs.

Einige Besucher*innen kennen Kurt S. Maier persönlich und waren erstaunt über die authentische Darstellung im Interview. Viele zeigten sich auch begeistert von der Art wie Kurt S. Maier seine Lebensgeschichte erzählt. Neben der Interaktion mit dem Zeitzeugen-Interview interessierten sich die Anwesenden auch sehr für die Hintergründe der Interviewproduktion, die technische Funktionsweise und das begleitende Vermittlungskonzept.

26. Januar – Ehemalige Synagoge in Laufersweiler/Hunsrück

Am 26. Januar besuchten wir die Ehemalige Synagoge in Laufersweiler im Hunsrück. Hier organisierten der Vorsitzende des Fördervereins der Synagoge Christof Pies und die Bildungsreferentin Carolin Manns einen Tag für die Schüler*innen der Oberstufe der IGS Kastellaun. Am Morgen informierte Christof Pies die Abiturient*innen über die Geschichte der Synagoge und sprach über Fälle von Antisemitismus. Anschließend präsentierten wir das Projekt zum interaktiven Zeitzeugnis und begleiteten die Fragen an Kurt S. Maier. Am Nachmittag berichtete Dieter Burgard, der ehemalige Beauftragte für jüdisches Leben und Antisemitismus in Rheinland-Pfalz über seine Arbeit und Antisemitismus in der Gegenwart.


Die Interaktion mit dem Zeitzeugnis

Neben allgemeinen Fragen zu Kurt S. Maiers Lebensstationen wurden in Laufersweiler vermehrt Fragen zur Ausgrenzungserfahrung gestellt.

Die Schüler*innen fragten das interaktive Zeitzeugnis von Kurt S. Maier nach dem Alltag im Lager Gurs und wie er sich gefühlt habe nach der Ankunft in New York. Interessiert war die Gruppe auch an den Menschen, die Kurt S. Maier begleitet haben. So wurde nach seinem Bruder Heinz gefragt und nach der Freundin Liesel Kling. Ein Schüler fragte:

Was denkst du über die AFD\politische Situation in Deutschland?

Auch diese Frage wurde im Interview gestellt. Hier wird zugleich die Grenze des interaktiven Zeitzeugnisses deutlich, es bleibt inhaltlich auf dem Stand des Aufzeichnungszeitpunktes im Juni 2021.

In der Feedbackrunde zeigten sich die Schüler*innen begeistert von der Möglichkeit des Befragens. Eine Vielzahl der Teilnehmenden hat das Format als „spannend“ bezeichnet. Ein Schüler gab die Rückmeldung, dass er sich getraut habe, Kurt S. Maier nach Adolf Hitler zu befragen und danach wie sich Kurt S. Maier gefühlt habe.

Bei einer persönlichen Befragung hätte ich das vermutlich nicht so direkt gefragt, um den Zeitzeugen Kurt Maier nicht zu verletzen.

Es gab aber auch die Rückmeldung, dass etwas Emotionalität verloren gehe und natürlich der persönliche, menschliche Umgang mit einem Zeitzeugen oder einer Zeitzeugin nicht zu ersetzen sei. Im Vergleich zu einem analogen Zeitzeug*innengespräch fehle die Reaktion auf die Gruppe.

Als Fazit schloss die Gruppe:

Das interaktive Zeitzeugnis sei eine gute Möglichkeit, die Situation des Befragens für zukünftige Generationen zu erhalten, denn diese werden nicht mehr die Möglichkeit haben in den persönlichen Austausch mit Zeitzeug*innen treten zu können.

Die Schüler*innen der IGS Kastellaun besuchten die ehemalige Synagoge in Laufersweiler anlässlich des Holocaust-Gedenktages. Mit dabei war das Exilarchiv mit dem interaktiven Zeitzeugen-Interview von Kurt S. Maier. Foto: Carolin Manns

27. Januar – Abendveranstaltung in der Ehemaligen Synagoge Laufersweiler

Unseren Aufenthalt in Laufersweiler schlossen wir mit einer Abendveranstaltung in der ehemaligen Synagoge ab. Dr. Sylvia Asmus stellte das Exilarchiv vor, führte in das Projekt ein und stellte den Zeitzeugen Kurt S. Maier vor. Im Anschluss gab es für das Publikum die Möglichkeit, Fragen an Herrn Maier zu richten und über das Projekt, die Technik und digitale Formate zu diskutieren. Davon wurde rege Gebrauch gemacht. Neben Vorbehalten gegenüber künstlicher Intelligenz und Spracherkennung meldeten auch hier die Gäste zurück, dass sie von Kurt S. Maiers Art zu erzählen, von seiner Präsenz, und von der Interaktivität des digitalen Zeitzeugnisses beeindruckt seien.

Das Auto ist wieder gepackt und es geht zurück nach Frankfurt

Wir haben sehr viel mit zurückgenommen von diesen ersten Stationen unserer Tour. Jede Zusammenarbeit mit jeder einzelnen Gruppe bereichert unsere Arbeit im Projekt. Und wir freuen uns über das rege Interesse, über die Fragen an das digitale Zeitzeugnis und auch über Diskussion und kritische Rückmeldungen. Mit dem interaktiven Zeitzeugnis haben wir eine Möglichkeit gefunden, einen Zeitzeugen für sich sprechen zu lassen, auch wenn die Person selbst nicht vor Ort sein kann. In der Zusammenarbeit mit den Schulklassen haben wir neue Eindrücke gewonnen, zugleich wurden wir in unserer eigenen Einschätzung des interaktiven Zeitzeugnisses bestärkt: Mit seiner authentischen und reflektierten Art von seiner Lebensgeschichte, seinen Erfahrungen im Lager Gurs und seinen Exilerfahrungen zu erzählen, schafft es Kurt S. Maier, Menschen zu interessieren. Das Interview bleibt zwar eine Videoaufzeichnung, aber durch die Interaktivität bringt es Besucher*innen näher an die Lebensgeschichte von Kurt S. Maier heran.

 Das Fazit einer Schülerin in Freiburg bringt es auf den Punkt:

Klar kann man auch zum Beispiel über die Pogromnacht in einem Geschichtsbuch lesen und erfährt viele Fakten. Wenn Kurt Maier von seinen Erlebnissen während der Pogromnacht erzählt, erfahren wir noch eine ganz andere, persönliche Sicht.

1. Februar – Max-Planck-Gymnasium in Lahr

Weiter ging es Anfang Februar in Lahr, das nur wenige Kilometer von Kippenheim, dem Geburtsort von Kurt S. Maier entfernt liegt.

Der Besuch in Lahr wurde begleitet von einem Team des SWR. Der Sender berichtete im Fernsehen und im Radio über das interaktive Zeitzeugen-Interview. Besonders schön fangen die Beiträge die Reaktionen der Klasse 9b des Max-Planck-Gymnasiums ein: Künstliche Intelligenz: Schüler befragen Holocaust-Zeitzeugen – SWR Aktuell

Am Nachmittag waren auf Einladung des Fördervereins Ehemalige Synagoge Kippenheim e.V. auch viele Erwachsene ins Max-Planck-Gymnasium gekommen, um das interaktive Interview zu befragen. Viele der Anwesenden kennen Kurt S. Maier persönlich. Seit Ende der 1980er-Jahre hat er immer wieder als Zeitzeuge in seiner Herkunftsregion gesprochen. Dr. Sylvia Asmus stellte das Projekt vor und beantwortete die interessierten Fragen.

3. Februar – Gymnasium Birkenfeld

Anlässlich des internationalen Holocaust-Gedenktages am 27. Januar organisierte das Gymnasium in Birkenfeld am 03. Februar einen Projekttag, an denen die Schüler*innen viel über die Zeit des Nationalsozialismus lernen konnten. In diesem Rahmen hatten zwei 10. Schulklassen auch die Gelegenheit, das interaktive Zeitzeugnis zu befragen. Da die Schule noch ohne Glasfaser-Anschluss zurechtkommen musste, stockte die Verbindung zum Zeitzeugnis etwas. Zwar führte dies dazu, dass die Interaktion laut den Rückmeldungen der Schüler*innen sich „weniger echt“ anfühlte, es tat der Erfahrung insgesamt dennoch keinen Abbruch. Die Rückmeldungen waren auch in Birkenfeld insgesamt äußerst positiv und die Schüler*innen waren sehr begeistert darüber, dass sie Herrn Maier ihre Fragen stellen konnten und aus seiner persönlichen Lebenserfahrung eine neue Sicht auf die Zeit des Nationalsozialismus bekommen konnten.

2. und 3. März – Herzog-Johann-Gymnasium Simmern

Das Gymnasium in Simmern/Hunsrück. Foto: Lisa Eyrich

Anfang März besuchten wir vier Klassen der Jahrgangsstufen 10 bis 12 am Herzog-Johann-Gymnasium in Simmern, das bedeutet, dass rund 120 Schüler*innen Fragen an das interaktive Zeitzeugnis stellen konnten. In diesen Schulklassen zeigten sich ganz unterschiedliche Reaktionen auf das Projekt. Den Schulklassen der höheren Jahrgangsstufen fiel im Vergleich zu den zehnten Klassen der intuitive Zugang schwerer. Die Schüler*innen bezogen sich sehr auf ihr Vorwissen aus dem Unterricht und überlegten:

Welche Frage wurde Kurt Maier im Interview gestellt?

Wir haben die Schüler*innen ermuntert, ihre eigenen Fragen an das interaktive Zeitzeugnis zu stellen.  Wo Kurt Maier keine Antwort auf die gestellte Frage geben kann,  wird ein Videoclip mit der Antwort: „Diese Frage wurde mir in dem Interview nicht gestellt, bitte fragen Sie mich eine andere Frage“ ausgespielt.


Gerolstein am 8. März: St.-Matthias-Gymnasium und das Forum Eine Welt e.V. laden ein

Auch am St. Matthias Gymnasium in Gerolstein durften wir mit Schüler*innen der Jahrgangsstufe 9 zusammenarbeiten.

Die Schüler*innen waren begeistert und beeindruckt vom interaktiven Zeitzeugnis und dem Fragenstellen, es wurden einige Fragen zu der Zeit im Exil gestellt und zu den Erfahrungen der Ausgrenzung in Kurt Maiers Kindheit. Ein Schüler fragte zur Corona-Pandemie und andere wollten gerne wissen, wie Kurt Maier seine Frau Margery Teal kennengelernt hat. Die Gruppen waren sehr beeindruckt davon, dass Kurt Maier trotz seines hohen Alters das anstrengende Interview geführt hat und über solch detaillierte Erinnerungen verfügt.

Es ist echt erstaunlich, dass er so viel noch beantworten konnte. Es ist nicht selbstverständlich, dass Herr Maier sich traut, über seine traumatischen Erlebnisse zu reden.

Die Schüler*innen des St. Matthias Gymnasiums in Gerolstein informieren sich über Kurt S. Maier. Foto: Jennifer Hoffmann.

Ein Videointerview würde ich mir auch anschauen, aber so kann ich gezielt meine Fragen stellen. Und so bleibt man immer aktiv dabei.


Die Fähigkeit so detailliert zu erzählen, sich genau zu erinnern und auch sehr eindringlich und unterhaltsam zu sein, begeisterte auch die Besucher*innen der Abendveranstaltung in Gerolstein, zu der das Forum Eine Welt e.V. und das St.-Matthias-Gymnasium eingeladen hatten. Nach einer Begrüßung durch die Vorsitzende des Vereins Christa Karoli und der Schulleiterin Claudia Schneiders, präsentierte Vanessa Gelardo kurz unsere Arbeit im Exilarchiv und das Projekt. Etwa 90 Minuten wurde dann das interaktive Zeitzeugnis „pausenlos“ befragt, zu ganz verschiedenen Lebensabschnitten von Kurt Maier, was für das große Interesse und die Anteilnahme an Kurt Maiers Erfahrungen spricht.

In der abschließenden Diskussion wurde deutlich, dass das Format zwar keine Zeitzeug*innengespräche ersetze, aber die Situation des Befragens unbedingt für die zukünftigen Generationen erfahrbar bleiben soll. Besonders die Lehrenden des Gymnasiums wollen auch zukünftig das interaktive Zeitzeugnis im Unterricht einsetzen und betonen, dass kein Unterrichtsmaterial den persönlichen und emotionalen Zugang zu der NS-Zeit so sehr vermitteln kann.


Die Tour geht weiter nach Kehl und Rheinau: Schüler*innen lernen das interaktive Zeitzeugnis kennen

Kehl ist nach der Kreisstadt Offenburg und hinter Lahr/Schwarzwald die drittgrößte Stadt des Ortenaukreises und damit in der unmittelbaren Nähe des Heimatortes von Kurt S. Maier. Wir besuchten Klassen der Jahrgangstufe 9 am Gymnasium in Kehl.

Trotz einer stockenderen Internetverbindung wurden viele Fragen an das Zeitzeugnis gestellt. Unter anderem wurde gefragt:

  • Wieso bist du in die US Army?
  • Wissen Sie, was mit anderen Juden aus Kippenheim passiert ist?
  • Wer ist dein Idol?
  • Haben Sie jemals Gefühle der Rache?
  • Haben sie auch positive Erinnerungen an die Flucht?
  • Wollten sie jemals dauerhaft nach Deutschland zurückzukehren?

Anne-Frank-Gymnasium in Rheinau:

Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage

Wie wollen wir leben? In einer Welt, in der die Menschenrechte für alle gelten – oder in einer, in der es immer auch darauf ankommt, wo man herkommt, wie man aussieht und was man so hat oder nicht hat?

Das Anne-Frank-Gymnasium in Rheinau zählt zu den bundesweit mehr als 3.500 Schulen, an denen sich die Schüler*innen und Lehrkräfte entschieden haben für eine Welt einzutreten, in der die Gleichwertigkeit aller Menschen gelebt wird. Über zwei Millionen Schüler*innen besuchen mittlerweile eine Schule, deren Mitglieder sich dazu verpflichtet haben, sich nachhaltig für die Gleichwertigkeit aller Menschen und gegen jede Form von Diskriminierung einzusetzen. Es sind die Kinder und Jugendlichen, die an den Courage-Schulen entscheiden, mit welchen Themen sie sich beschäftigen möchten. Mit Unterstützung ihrer Lehrkräfte bestimmen sie also selbst, was die Agenda ihres Engagements ist.


Letzte Station der Tour in Sinsheim

Sinsheim im Rhein-Neckar-Kreis war die letzte Station der Tour. Foto: Lisa Eyrich

In der letzten Märzwoche besuchte das interaktive Zeitzeugnis vier Klassen der 9. Jahrgangsstufe des Wilhelmi Gymnasiums in Sinsheim. Ein ganz besonderer Ort, denn Kurt Maier besuchte die Schule 2015 um als Zeitzeuge mit Schüler*innen ins Gespräch zu kommen.

Die Schüler*innen stellten interessiert Fragen an das interaktive Zeitzeugnis und waren besonders an persönlichen Erlebnissen des Zeitzeugen interessiert.

“Etwas, was ich nicht in einem Geschichtsbuch nachlesen kann”

Ein Schüler befragte das interaktive Zeitzeugnis nach den “schönsten” und “schlimmsten” Erlebnissen Kurt Maiers. Auch wenn das interaktive Zeitzeugnis eine Videoaufzeichnung ist und nicht das reale Gespräch mit Zeitzeug*innen ersetzen kann, so vermittelt es doch einen tiefen, emotionalen Einblick in die Erlebnisse und Erinnerungen des Zeitzeugen Kurt Maiers.

Dieses Fazit schlossen auch die Besucher*innen der Abendveranstaltung, zu der das Wilhelmi Gymnasium und der Verein Alte Synagoge Steinsfurt eingeladen hatten.

In Kooperation mit dem Verein Alte Synagoge Steinsfurt und dem Wilhelmi Gymnasium wurde das interaktive Zeitzeugnis bei einer Abendveranstaltung präsentiert. Foto: Lisa Eyrich

Dr. Sylvia Asmus präsentierte das Projekt und die Gäste hatten die Möglichkeit, ihre Fragen an das Zeitzeugnis zu stellen. In der abschließenden Diskussion wurde über die Zukunft der Erinnerung gesprochen, die emotionale Beteiligung der Fragenden, aber auch über den Schutz solcher Aufzeichnungen. Eine Lehrerin des Gymnasiums gab die Rückmeldung, dass das interaktive Zeitzeugnis eine Bereicherung sei, da es die Schüler*innen in eine aktive Rolle versetze. Im Unterschied zu einem Ausstellungsbesuch habe man hier die Möglichkeit, Antworten auf eigene Fragen zu erhalten, während sonst der kuratierte Zugriff in den Ausstellungen die Perspektive setzt. Die Schüler*innen kuratieren auf diese Weise  ihre Lerninhalte mit.

Einen ausführlichen Bericht zur Veranstaltung finden Sie hier: Sinsheim: Wenn der Zeitzeuge ein Hologramm ist – Sinsheim-Kraichgau – Nachrichten und Aktuelles aus der Region – Rhein-Neckar-Zeitung (rnz.de)


Mit unserem Projekt „Aus der Vergangenheit lernen für die Gegenwart“ passen wir in das Konzept der Schule: Das interaktive Zeitzeugnis von Kurt Maier erzählt seine persönliche Erfahrung von Flucht und Vertreibung während der NS-Diktatur und verdeutlich zugleich wie wichtig es ist für Demokratie und gegen Rassismus, Antisemitismus und jede Form der Diskriminierung und Entrechtung einzustehen.

Zwei Kurse der Jahrgangsstufe 11 befragten Kurt Maier zu seinen Erfahrungen der Ausgrenzung und der Zeit im Exil und fassten ihre Erfahrungen zusammen:

Es ist schön, dass das Interview geführt wurde, weil es wichtig ist die Geschichte zu bewahren. Es ist ein Mittelweg zwischen Sachbuch und einem Zeitzeugengespräch. Und dass eine Frage falsch zugeordnet wird, hat mich nicht so sehr gestört, weil man trotzdem einiges über Kurt Maier erfährt. Der Rest ist Technik- Schnick-Schnack.

Man erfährt viele Sachinformationen, die Emotionalität in der Erzählung, die Gefühlsebene ist aber wichtig für das Verstehen und Gedenken.

Es ist gut, dass man eigene Fragen stellen kann, so bekomme ich eine direkte Antwort auf das, was ich zu dieser Zeit wissen möchte

Sie haben Fragen zum Projekt?

Schreiben Sie mir gerne an l.eyrich@dnb.de

Ab September 2023 erhält das interaktive Zeitzeugen-Interview von Kurt S. Maier einen festen Ort im Ausstellungsbereich des Deutschen Exilarchivs 1933-1945 in Frankfurt am Main. Wir freuen uns auf Ihren Besuch. Eine weitere Tour durch Deutschland wird es voraussichtlich im Herbst geben.

Informationen zum Projekt finden Sie unter www.dnb.de/zeitzeugnisinteraktiv

*Nachweis Beitragsbild auf der Startseite:DNB/Theresia Biehl

Ein Kommentar zu „Das interaktive Zeitzeugen-Interview auf Tour“

  1. Mirja Lehmann sagt:

    Hallo, dieser Artikel hat mich wirklich zum Nachdenken angeregt. Bitte weiter so! Herzliche Grüße

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  • ISSN 2751-3238