Der Reiz des Alltäglichen
Woche für Woche trudeln sie zuverlässig in den Poststellen der Deutschen Nationalbibliothek ein – Sendungen mit Gemeindeblättern, teilweise bis zu 30kg in einem Paket. Amts- und Mitteilungsblätter gehören ebenso zum täglichen Geschäft der DNB wie Fachbücher, Romane und andere Medienwerke.


Man liebt sie oder man inventarisiert einfach, ohne große Leidenschaften dafür zu hegen: bei Gemeindeblättern scheiden sich die Geister. Oft ist man beim Anblick einer solchen Sendung schier überwältigt – und wem könnte man es verübeln, wenn man sich einem Kubikmeter geballter Kommunalnachrichten gegenübersieht? Zugegebenermaßen gibt es durchaus abwechslungsreichere Medienarten.
Hier kommt aber einer der Vorteile des Medieneingangs ins Spiel: man muss diese Wucht nicht allein meistern, sondern kann den Zugang mit seinen Kolleg*innen teilen. Wenn jede*r einen kleinen Stapel abarbeitet, sind die Hefte im Nu vom Schreibtisch verschwunden und im System verzeichnet.
Unter Amtsblättern versteht man, wie der Name schon verrät, Veröffentlichungen von Ämtern und anderen staatlichen Einrichtungen, in denen Gesetzesänderungen, Verordnungen und andere Bekanntmachungen veröffentlicht werden. Vom Bundesgesetzblatt geht es in Abstufungen über die Landesebene hinunter bis auf die Amtsblätter der kommunalen Ebene, welche von den Gemeinden selbst herausgegeben werden und den Großteil der in der DNB ankommenden Publikationen dieser Art ausmachen. In den allermeisten davon wird auch über Veranstaltungen, Kirchennachrichten, Schulen und Kindergärten und das örtliche Vereinswesen berichtet, weshalb sie oft auch den Titel „Mitteilungsblatt“ tragen.
Diese Inhalte sind es, die mich bei der Bearbeitung jedes Mal aufs Neue erfreuen. So weiß ich zum Beispiel, wo kürzlich überall ein Maibaum aufgestellt wurde, wo ein Walpurgisfeuer gebrannt hat und wo Großtante Erna lebt, die kürzlich ihren 100. Geburtstag feiern konnte. Ebenso finde ich es wunderbar zu sehen, welche Neuerwerbungen Gemeindebibliotheken angeschafft haben oder welche Aktionen sie sich für Kinder haben einfallen lassen.
Und ist es nicht auch beruhigend, dass die Menschen am anderen Ende Deutschlands genau die gleichen Sorgen haben wie man selbst? Viel Zeit zum Stöbern bleibt während der Inventarisierung natürlich nicht, aber beim Durchblättern nach Beilagen fällt der Blick immer mal auf den einen oder anderen spannenden Artikel.
Da nahezu jede Gemeinde eine eigene Veröffentlichung herausbringt, hört man so von Orten, die man sonst nie entdeckt hätte. Ein toller Vorteil beim Stadt-Land-Fluss spielen! Auch die vielen verschiedenen Wappen sind immer einen Blick wert. An vielen lässt sich ablesen, wie die Ortschaft zu ihrem Namen gekommen ist, womit die Bevölkerung früher ihr Brot verdient hat oder welche Sehenswürdigkeiten es in der Gegend gibt. Andere sind eher kryptisch-geometrisch.
Wie in jedem Beruf gibt es auch im Medieneingang Dinge, die man gern oder weniger gern erledigt. Für mich fallen Gemeindeblätter in die erste Kategorie.

Noelle Lesinski
Noelle Lesinski ist als Fachangestellte für Medien- und Informationsdienste im Medieneingang der Deutschen Nationalbibliothek am Standort Leipzig tätig.
Liebe Noelle Lesinski,
herzlichen Dank für den emphatischen Einblick in eine auch m.E. ganz zu Unrecht wenig gewertschätzte Mediengattung, denn genau in diesen Ephemera zeigt sich der Wert der wertfreien Sammlung der DNB! Und für die kultur- und sozialwissenschaftliche Forschung schlummern hier noch ungehobene Schätze…
Herzliche Dank
Stephanie Jacobs
Liebe Frau Dr. Jacobs, vielen Dank für Ihren herzlichen Kommentar!
Ich bin mir sicher, dass auch diese Medienwerke irgendwann eine wichtige Quelle für künftige Forschende sein werden.
Viele Grüße
Noelle Lesinski