Die Wanderung der Erde

25. Februar 2025
von Tom Diener

Der Große Globus steht wieder im Kartenlesesaal

Während der Umbau- und Sanierungsarbeiten befand sich der Multimedia-Zeitschriftenlesesaal (MZLS) vorübergehend im Kartenlesesaal der Deutschen Nationalbibliothek. Um die Kapazität zu erhöhen, wurden zusätzliche Computer und Mikroform-Lesegeräte installiert sowie weitere Tische aufgestellt. Aus Platzgründen musste dafür auch der große Globus an einen Ausweichstandort umziehen. Aufgrund seiner beachtlichen Größe war er nur im Treppenhaus unterzubringen, da er zu breit für die Tür des Kartenmagazins war. Wie die Rückkehr der Schwalbe aus dem Süden, die den nahenden Frühling ankündigt, markiert der Globus die Rückkehr des Kartenlesesaals in seine ursprüngliche Rolle als Speziallesesaal für die umfangreiche Sammlung kartographischer Medien am Standort Leipzig. Während der Schließwoche konnte er nun wieder an seinen angestammten Platz – in Anlehnung an den Titel eines Science-Fiction-Filmes aus dem Jahr 2019 – „zurückwandern“.

Zweifellos ist er mit einem Kugeldurchmesser von 75 cm und einer Gesamthöhe von 135 cm ein echter Blickfang. Und das, obwohl Globen eigentlich gar nicht zum Sammelgebiet der Deutschen Nationalbibliothek (DNB) zählen. Dennoch verfügt die Kartensammlung über etwa 20 Globen unterschiedlicher Größe und mit verschiedenen Kartenbildern – zum Beispiel zur Tektonik der Erdkruste. Häufig handelt es sich dabei um Schenkungen oder um Ankäufe als Referenzobjekte, da ein Globus die einzige vollständig verzerrungsfreie kartographische Darstellungsform der Erde ermöglicht. Auch der große Globus mit seinem aktuellen Kartenbild war im Jahr 2019 eine Anschaffung der Deutschen Nationalbibliothek speziell für die hauseigene Kartensammlung. Dabei handelt es sich um ein handkaschiertes Fabrikat der traditionsreichen Firma Räthgloben aus Markranstädt bei Leipzig.1

Doch die Geschichte der großen Globen in der Deutschen Nationalbibliothek reicht dabei bis in die Zeit zurück, als die Bibliothek noch den Namen „Deutsche Bücherei“ trug.

Wie die Deutsche Bücherei fast zu einem großen Globus kam

Man könnte so weit gehen und behaupten, dass eine Bibliothek, die etwas auf sich halten will, auch einen großen Globus braucht. Ganz ähnlich sah das vermutlich auch die Firma Paul Räth GmbH aus Leipzig, als sie am 20. Januar 1932 einen Brief an den damaligen Direktor der Deutschen Bücherei, Heinrich Uhlendahl, sandte:

„Im Lesesaal der Deutschen Bücherei vermissen wir einen modernen Globus. Dass Globen in normalen Größen sich in der Kartenstelle befinden, ist uns bekannt, aber wir bitten Sie ergebenst, unseren Welthandels- und Verkehrsglobus im Durchmesser von 63,7 cm entweder im Lesesaal oder an sonst geeigneter Stelle aufzustellen.“

Dem Schreiben lag gleich das Prospekt des angepriesenen Produktes bei:

„Dies ist der Globus des königlichen Kaufmanns […]. Mit massiven graduiertem Halbmeridian aus Messing, schrägstehend, auf schwarz oder nussbaum polierten, elegantem, stilvoll gearbeitetem Holzfuß. […] In der unübertrefflichen Güte seiner Bearbeitung, in seiner schieren Größe (1,5 m hoch) und leuchtenden Farbenpracht ist er ein Prachtstück, das […] jedem Repräsentationsraum zur besonderen Zierde gereicht.“

Und in der Tat muss ein solcher Globus im Maßstab 1:20 000 000 bei einem Durchmesser von 63,7 cm, einem Umfang von 200 cm und einer Höhe von 155 cm ein imposantes Erscheinungsbild geboten haben. Um den Ankauf für die Deutsche Bücherei noch attraktiver zu machen, bot man einen stattlichen Rabatt von 40% gegenüber dem ursprünglichen Verkaufspreis von 180 Reichsmark (glatte Ausführung) beziehungsweise 225 Reichsmark (Reliefausführung) an. Darüber hinaus war man bereit, mit Blick auf die knappen Haushaltsmittel infolge der zu dieser Zeit bestehenden Weltwirtschaftskrise die Zahlung des Betrages großzügig zu stunden. Eine kostenlose Abgabe schloss man aber aufgrund der wirtschaftlich schwierigen Lage aus.

Direktor Uhlendahl ließ das Schreiben zur Bearbeitung an Hans Praesent, den damaligen Leiter der Kartensammlung, weiterreichen. Als studierter Geograf wusste Praesent sicher um die Vorzüge eines solch repräsentativen und aktuellen Globus für die Bücherei, musste aber angesichts der damaligen Situation (sehr wahrscheinlich auch in Absprache mit Uhlendahl) Prioritäten setzen. Darüber hinaus hatte die Deutsche Bücherei bereits 1920 eine kleinere Ausgabe des Welthandels- und Verkehrsglobus der Firma Paul Räth erworben. Hans Praesent lehnte deshalb das Angebot einige Tage später mit Verweis auf fehlende Gelder dankend ab:

„Im Auftrage der Direktion der Deutschen Bücherei möchte ich Ihnen für Ihr Schreiben und für Ihr freundliches Angebot vom 20. Januar verbindlichsten Dank aussprechen. Leider ist der für die Zwecke der Lesesaal-Bibliothek der Deutschen Bücherei ausgeworfene Etat schon völlig aufgebraucht, sodass es zur Zeit zu unserem großen Bedauern nicht möglich ist, der Anschaffung eines großen Globus, der dem Lesesaal zweifellos zur Zierde gereichen würde, näher zu treten. Sobald sich aber die wirtschaftlichen und damit auch die finanziellen Verhältnisse gebessert haben werden, würden wir gern auf Ihr freundliches Angebot zurückkommen.“

Doch die Firma Paul Räth wollte die Hoffnung auf einen lukrativen Handel mit einem namhaften Käufer wie der Deutschen Bücherei nicht aufgeben und legte Anfang Februar 1932 noch einmal nach:

„Immerhin konnten wir aus Ihren gefl. Zeilen gern ersehen, dass Sie der Idee, einen solchen Globus im Lesesaale aufzustellen, im Prinzip nicht ablehnend gegenüberstehen. […] Wir sind gern bereit, der Deutschen Bücherei einen unserer 64-cm-Globen zur Aufstellung im Lesesaale schon jetzt zu überlassen und erklären uns damit einverstanden, dass die Verrechnung dann erfolgt, wenn für die Lesesaal-Bibliothek wieder neue Etatmittel ausgeworfen werden. Wir würden es begrüßen, wenn unser Vorschlag Ihren Beifall finden würde; im anderen Falle wären wir Ihnen zu Dank verbunden, wenn Sie uns einen ungefähren Termin nennen könnten, zu dem wir Ihnen mit einer Anfrage wieder näherkommen dürften.“

Angesichts dieser Hartnäckigkeit wollte Praesent offenbar umgehend mit einer recht knappen Absage antworten (der Entwurf ist durchgestrichen in der Akte erhalten geblieben), entschloss sich dann wohl aber doch noch zu einer ausführlichen und freundlicheren Antwort. Erneut verwies er auf fehlende Gelder und die zu dieser Zeit aus Personalmangel geschlossene Kartensammlung (welche er als den geeigneteren Aufstellungsort für einen solchen Globus beschrieb) und brachte sein „lebhaftes Bedauern“ zum Ausdruck, auf das Angebot bis zu einer Besserung der wirtschaftlichen Lage der Bibliothek nicht eingehen zu können. Hier bricht die schriftliche Überlieferung ab. Es gibt keine Hinweise oder Belege, dass man tatsächlich auf das Angebot zurückkam und sich der angebotene Globus zu einem späteren Zeitpunkt doch noch im Besitz der Deutschen Bücherei befunden hat.

Dreißig Jahre später

Erst 1962 zu ihrem 50. Gründungsjubiläum erhielt die Deutsche Bücherei einen vergleichbar repräsentativen großen Globus, wie er 30 Jahre zuvor durch die Firma Paul Räth offeriert worden war. Überreicht wurde er ironischerweise (diesmal als Spende) von der gleichen Firma wie damals, dem (inzwischen verstaatlichten) VEB Räthgloben-Verlag. Zusammen mit dem großen Globus von 2019 verfügt die Deutsche Nationalbibliothek heute über gleich zwei repräsentative Großgloben dieser Firma. Und so schließt sich gewissermaßen 87 Jahre nach dem ersten Angebot zum Kauf eines großen Globus der historische Kreis.

Und mit einem Benutzerausweis der Deutschen Nationalbibliothek können die Globen während der Servicezeiten zwischen 10 und 16 Uhr ohne Voranmeldung besichtigt werden. Sie finden die Eingangstür zum Kartenlesesaal im Durchgang des Kopierraums neben dem Multimedia-Zeitschriftenlesesaal.

  1. Das traditionsreiche Unternehmen wurde 1917 von Paul Räth in Leipzig als „Paul Räth GmbH“ gegründet. Besondere Beachtung fand es für den vermutlich weltweit ersten Leuchtglobus mit elektrischem Licht aus dem Jahr 1921. Nach der Verstaatlichung in der DDR produzierte die Firma ihre Globen als „VEB Räthgloben-Verlag“. Seit 2008 befindet sich der Firmensitz in Markranstädt bei Leipzig, wo bis heute unter dem Namen „Räthgloben 1917“ auch die handkaschierten großen Globen hergestellt werden. ↩︎
*Nachweis Beitragsbild auf der Startseite:Foto: DNB, Tom Diener, CC-BY-SA 3.0 DE

Schreibe einen Kommentar

Kommentare werden erst veröffentlicht, nachdem sie von uns geprüft wurden.
Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.

Über uns

Die Deutsche Nationalbibliothek ist die zentrale Archivbibliothek Deutschlands.

Wir sammeln, dokumentieren und archivieren alle Medienwerke, die seit 1913 in und über Deutschland oder in deutscher Sprache veröffentlicht werden.

Ob Bücher, Zeitschriften, CDs, Schallplatten, Karten oder Online-Publikationen – wir sammeln ohne Wertung, im Original und lückenlos.

Mehr auf dnb.de

Schlagwörter

Blog-Newsletter

In regelmäßigen Abständen erhalten Sie von uns ausgewählte Beiträge per E-Mail.

Mit dem Bestellen unseres Blog-Newsletters erkennen Sie unsere Datenschutzerklärung an.

  • ISSN 2751-3238