Frank Scholze als Vorsitzender von CENL bestätigt

Bei der 38. Jahrestagung der Conference of European National Librarians (CENL) in der Nationalbibliothek von Polen standen unter anderem die turnusgemäßen Wahlen zum Vorstand auf der Tagesordnung. Frank Scholze, der Generaldirektor der Deutschen Nationalbibliothek, wurde für weitere drei Jahre im Amt bestätigt, ebenso Karin Grönvall, Schweden, Sara Lammens, Belgien, Ivanka Stricevic, Kroatien. Neu gewählt wurden Gilles Pécout, Frankreich, Maja Micevska Rizova, Nordmazedonien, und Thomas Foltin, Tschechische Republik.
E-Legal Deposit und bedrohtes Kulturerbe
Inhaltlich stand die Jahrestagung ganz im Zeichen der Themen Pflichtexemplarrecht für digitale Publikationen (E-Legal Deposit) und Bedrohungen des Kulturerbes. Beiden Themen war jeweils eine eigene Session gewidmet. Dem Pflichtexemplarrecht – einem für Nationalbibliotheken äußerst bedeutenden Thema – sogar ein ganzer Nachmittag.

Minna Karvonen, Direktorin im Ministry of Education and Culture von Finnland, eröffnete mit ihrer Keynote „Digital cultural heritage – connecting times, ideas and people“ den fachlichen Teil des Jahrestreffens.
Danach gab es insgesamt 10 kurze Beiträge über den Stand der Regelungen zum Pflichtexemplarrecht in den jeweiligen Ländern bzw. Regionen. Damit bekamen die Teilnehmenden viel Input und Denkanstöße, bevor sie einzelne Aspekte dieses Themas in Kleingruppen intensiv diskutierten. Für die Deutsche Nationalbibliothek und das Deutsche Musikarchiv war hier insbesondere die digitale Musik interessant. Gerade bei digitaler Musik ist eine Konzentration auf wenige, international agierende Labels zu verzeichnen. Das Konzept der Veröffentlichung in einem Land ist für Musiknetzpublikationen schwierig anzuwenden. So ist es naheliegend, über Kooperationen der europäischen Nationalbibliotheken im Bereich der Sammlung und Bereitstellung von Musik-Netzpublikationen nachzudenken. Die Deutsche Nationalbibliothek konnte ihre Vorgehensweise bei der Sammlung digitaler Musik vorstellen und diskutieren.
Im Anschluss an einen Vortrag zur Strategieentwicklung in der Tschechischen Nationalbibliothek und einen Beitrag des Gastgebers zur Rolle der Nationalbibliotheken als Koordinatoren nationaler Netzwerke sowie einer Reihe von Berichten verschiedener CENL-Gruppen widmete sich ein zweiter Schwerpunkt dem Thema Bedrohung des Kulturerbes.
CENL hatte die Mitglieder Anfang des Jahres nach dem Stand ihrer Notfallplanungen in befragt. Mit einem Rücklauf von über 50 % können diese Ergebnisse durchaus als repräsentativ angesehen werden. Erfreulicherweise gaben die meisten an, dass ihre Institutionen über aktuelle Notfallpläne verfügen und regelmäßige Updates vorsehen.

Als drastisches Beispiel dafür, was dem Kulturerbe zustoßen kann, schilderte das CENL-Mitglied Lyubov Dubrovina von der Vernadskij National Library of Ukraine in Kiew in einem vorab aufgezeichneten Videobeitrag anschaulich, wie das ukrainische Kulturerbe immer wieder und nicht zuletzt durch den von Russland angezettelten Krieg zerstört wurde und weiterhin wird.
Über die Cyber-Attacke auf die British Library berichtete Sir Roly Keating. Fast ein halbes Jahr war die Bibliothek durch den Angriff lahmgelegt. Wie die CENL-Umfrage zeigte, hat auch eine Reihe anderer Nationalbibliotheken schon Cyber-Angriffe erfahren müssen, wobei die Auswirkungen glücklicherweise nicht so gravierend waren wie in der British Library.

Ausblick auf 2025
Nach der Jahrestagung ist vor der nächsten. So treffen sich die Direktor*innen der europäischen Nationalbibliotheken vom 15.-17. Juni 2025 in der Nationalbibliothek von Schottland (NLS) in Edinburgh. Die NLS feiert dann auch ihren 100. Geburtstag und hat mit ersten Vorbereitungen für das Treffen von CENL bereits begonnen.
Kulturprogramm
Neben dem Fachprogramm soll auch das kulturelle Rahmenprogramm erwähnt werden. Bereits am Samstagabend hatte die gastgebende Nationalbibliothek von Polen zu einer Charity-Veranstaltung mit dem Titel „Cultural Genocide: Ukraine‘s Struggle to Preserve History and Identity“ geladen. Hier hatten die Besucher*innen Gelegenheit, aus erster Hand zu erfahren, wie ukrainische Künstler*innen die Kriegssituation erleben und damit umgehen.
Am Sonntagmittag konnten die Teilnehmenden bei schönstem Wetter im Lazienki-Park ein öffentliches Konzert der Pianistin Karolina Nadolska mit Werken von Frederic Chopin anhören, bevor sie anschließend Gelegenheit zu geführten Rundgängen im weitläufigen Park hatten. Eine wunderbare Einstimmung auf die folgenden Tage in der polnischen Nationalbibliothek, die von großer Gastfreundschaft geprägt waren.
Fotos, soweit nicht anders angegeben: DNB, Susanne Oehlschläger, CC-BY-SA 3.0DE