Geschichte nahbar machen
Gemeinsam mit dem Deutschen Exilarchiv 1933–1945 der Deutschen Nationalibliothek, der Bundesstiftung Orte der deutschen Demokratiegeschichte und dem Verband der Geschichtslehrerinnen und -lehrer Deutschlands präsentierten ZDF und Claims Conference am 26. November 2024 „Zeugnisse – Interviews mit Holocaust-Überlebenden“.
In dem Interview-Projekt erzählen Holocaust-Überlebende ihre Lebensgeschichten, um ihre Erinnerungen als Botschaft an die Gegenwart und Zukunft weiterzugeben.
Darüber hinaus präsentierten Exilarchiv und Claims Conference Projekte, die neue Wege in der Vermittlung der Shoah gehen: mit künstlicher Intelligenz und Virtual Reality. Durch interaktive, neue Formate wird Geschichte – besonders für Jugendliche – noch besser erlebbar.
An diesem Dienstagabend konnten Gäste der Veranstaltung jedoch die Biografien von Holocaust-Überlebenden und Exilierten nicht nur virtuell erfahren. Ehrengäste des Abends waren die Zeitzeug*innen Aviva Goldschmidt, Assia Gorban, Herbert Rubinstein, Eva Szepesi und Dr. Eva Umlauf. Sie alle sind Protagonisten im gemeinsamen Film-Projekt von ZDF und Claims Conference. Später sprachen die Zeitzeug*innen auf dem Podium mit fünf der insgesamt über 90 anwesenden Schüler*innen.
Lebenszeugnisse unverzichtbar
„Heute Abend widmen wir uns den Geschichten von Menschen, deren Lebenszeugnisse unverzichtbar sind, um die Erinnerung an die dunkelsten Kapitel unserer Geschichte lebendig zu halten – und zugleich eine Botschaft der Hoffnung und Verantwortung in die Gegenwart und Zukunft zu tragen“, eröffnete Frank Scholze, Generaldirektor der Deutschen Nationalbibliothek den Abend. Auch Dr. Kai-Michael Sprenger, Direktor der Stiftung Orte der deutschen Demokratiegeschichte, Rüdiger Mahlo, Repräsentant der Claims Conference in Europa und Prof. Peters Arens, Leiter der ZDF-Hauptredaktion Geschichte und Wissenschaft begrüßten das Publikum im gefüllten Vortragssaal der Deutschen Nationalbibliothek herzlich. Danach folgten in einer zwanzig-minütigen Film-Vorführung Auszüge aus “ZEUGNISSE – Interviews mit Holocaust-Überlebenden“. Die Ergriffenheit durch das Gesehene war im Saal deutlich zu spüren. Das anschließende Podiumsgespräch mit Dr. Sylvia Asmus (Leiterin des Deutschen Exilarchivs), Stefan Brauburger (Leiter der ZDF-Redaktion Zeitgeschichte), Dr. Wolfgang Geiger (Landesvorsitzender des Verbandes Hessischer Geschichtslehrerinnen und –lehrer) Dr. Ruth Kinet (Pressereferentin der Claims Conference) und Dr. Florian Kumb („ZDF goes Schule“) begann unter diesem Eindruck. Moderatorin Susanne Biedenkopf-Kürten, Leiterin des ZDF-Landesstudios Hessen, fragte, wie man Holocaust-Überlebenden in einem solchen Interview-Projekt begegnet, sie währenddessen und danach begleitet. Denn: Die Interviews weckten auch bei den Erzählenden mitunter aufwühlende Erinnerungen.
Neue Vermittlungskonzepte: Nachempfinden statt Geschichtsbuch
Vorgestellt wurden im Rahmen des Gesprächs auch die Projekte „Inside Pogromnacht“ und „Frag nach“ von Claims Conference und Deutschem Exilarchiv. In „Inside Pogromnacht“ erzählt Zeitzeugin Charlotte Knobloch, wie sie in München die Reichspogromnacht am 9.11.1938 erlebt hat. Die interaktive Gestaltung mit Virtual-Reality-Brille soll besonders Schüler*innen ansprechen und bietet eine weitere Form der Annäherung an die Zeit des Nationalsozialismus – was lange her ist, wird dadurch nahbar.
Bei „Frag nach!“ handelt es sich um digitale interaktive Interviews, in denen Besuchende in eine Echtzeit-Interaktion mit den Zeitzeugnissen von Kurt S. Maier und Inge Auerbacher treten können. Gäste fragen die digitalen Zeitzeugnisse, die ihnen in den Ausstellungsflächen des Exilarchivs lebensgroß auf Bildschirmen gegenüber sitzen. Mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz (Natural Language Processing) wird aus den je 900 Antworten von Kurt Salomon Maier und Inge Auerbacher die zur Frage passende ausgespielt. Dr. Sylvia Asmus erzählte von der Fürsorge, mit der man auch hier den beiden Befragten während der nötigen Aufnahmen begegnete und sie berichtete von der mehr als 16 Jahre andauernden freundschaftlichen Beziehung zu Kurt Salomon Maier. Die Zeitzeug*innen bleiben auch weiterhin in das Projekt eingebunden.
Gespräche mit Zeitzeug*innen
Der letzte Teil der Veranstaltung gehörte Aviva Goldschmidt, Assia Gorban, Herbert Rubinstein, Eva Szepesi und Dr. Eva Umlauf. Sie wurden unter großem Beifall nacheinander auf die Bühne gebeten. Danach folgten die Schüler*innen Anna, Elisabeth, Julius, Lili und Maximilian. Moderiert wurde der Austausch von Dr. Wolfgang Geiger, Landessprecher des Verbands Hessischer Geschichtslehrerinnen und -lehrer. Die Zeitzeug*innen teilten Erinnerungen aus ihrem Leben während der Zeit des Nationalsozialismus. Die Isolation, die Entbehrungen, der tägliche Kampf ums Überleben und die unersetzlichen Verluste von Menschenleben berührten das Publikum. Die Schüler*innen stellten ihre vorbereiteten Fragen und die Ehrengäste antworten ganz in Ruhe. Trotz des ernsten Themas gab es auch heitere Momente: Zum Beispiel als Dr. Eva Umlauf vom Wunder ihres Überlebens sprach. Ihr Interview im Projekt „ZEUGNISSE“ finden Sie hier. Das Publikum wertschätzte jede Antwort mit großem Beifall.
Julius Musche, er hatte als Schülervertreter auf dem Podium gesessen, sagte einem ZDF-Fernsehteam im Interview: „Man weiß, es ist schrecklich, aber man kann es sich nicht so richtig vorstellen, wie wenn man persönliche Erfahrungen hört […]“. Die Veranstaltung hat gezeigt, wie stark die Wirkung des persönlichen Austauschs ist und wie wertvoll das Bewahren von Zeugnissen für spätere Generationen ist.