Jobshadowing in Dänemark

26. Mai 2025
von Caroline Bréand

Inspiriert von den zahlreichen Berichten über Auslandspraktika im  BuB-Magazin wusste ich, dass ich unbedingt am Mobilitätsprogramm Erasmus Plus (ohne Altersgrenze) teilnehmen wollte. In Absprache mit meinem Arbeitgeber konnte ich eine Freistellung nehmen, um mich mithilfe eines EU-Stipendiums im Ausland weiterzubilden. Unterkunft, Verpflegung, Reisekosten sowie Auslandsversicherung wurden vom Programm übernommen und meiner Abreise stand nichts mehr im Wege. Schnell fand ich eine Bibliothek in Kolding, die begeistert war, mich aufzunehmen, da das Team selbst sehr am internationalen Austausch interessiert war. Mit „Pocket-Dänemark“ der Bundeszentrale für politische Bildung in der Tasche fühlte ich mich bereit für die Reise!

Erste Eindrücke

Vor Ort lebte ich dann in einer typisch dänischen Villa mit internationalen Mitbewohnern aller Altersgruppen (von 20 bis 80 Jahren), mit denen ich mich sehr gut über Land und Kultur unterhalten und meine Eindrücke austauschen konnte. Meine Praktikumsstelle, die Stadtbibliothek von Kolding, gehört zu den besten Bibliotheken Skandinaviens und wurde mit einem Preis für Nachhaltigkeit und Innovation ausgezeichnet. Ihre zentrale Rolle für die kleine Provinzstadt springt sofort ins Auge, wenn man aus dem Bahnhof kommt und direkt auf dieses helle Glasgebäude trifft. Swap shop, Kino, Musikzimmer, Nachhaltigkeitsbüro, Café, Touristeninformation, Ausstellungsraum und vieles mehr ist neben der Medienausleihe zu erwarten. Gastfreundschaft wird hier großgeschrieben und jeder, der die Bibliothek betritt, ist herzlich eingeladen, die Angebote des Ortes kostenlos zu nutzen – und sei es nur die Toilette als Tourist.

Teamgeist und Gesundheit

Vom ersten Tag an wurde ich Teil des Teams, das ein abwechslungsreiches Programm für mich zusammengestellt hatte, und ich genoss die zweimal täglich stattfindenden „Kaffe og kage“-Pausen (Kaffeekuchen), die als Arbeitszeit gelten, in denen man sich gegenseitig Feedback gibt und die Probleme/Anregungen des Tages bespricht. Das Arbeitsklima empfand ich sofort als entspannt, herzlich und authentisch. Kommunikation und Debattenkultur sind nicht nur ein integraler Bestandteil dieser Bibliothek (dafür gibt es „Team Debatte“), sondern auch der dänischen Kultur. Flache Hierarchie ist dort kein flaches Wort.

Darüber hinaus sorgt „Team Wellness“ dafür, dass sich jeder Mitarbeiter körperlich und geistig wohlfühlt. Es liegt auch im Interesse der Einrichtung, Krankheitsfälle zu vermeiden und dies packt man an der Wurzel. So wurde mir beispielsweise erklärt, dass man, wenn man eine neue Aufgabe übernehmen oder seine Arbeitszeit erhöhen möchte (eine Vollzeitstelle in Dänemark beträgt 37 Stunden die Woche, fast wie in Frankreich 35, aber viele arbeiten in der Bibliothek Kolding verkürzt) eine Testphase durchläuft, um sicherzustellen, dass dies die eigene Gesundheit nicht gefährdet. Auf meinem Praktikumsprogramm war mir wärmstens empfohlen, in der langen Mittagspause einen Spaziergang an der frischen Luft zu machen. Der See mitten in der Stadt bot sich dafür ideal an. Im Laufe meines Aufenthalts wurde ich immer mehr von diesem gesunden Verhältnis zur Arbeit begeistert, das ich sonst nirgendwo in Europa kennengelernt habe, und das machte mich umso neugieriger auf Skandinavien.

Erlebnistour

Spannend fand ich, dass Essen und Trinken in der gesamten Bibliothek erlaubt sind, solange man dabei keinen Schaden anrichtet und alles sauber hinterlässt. Das gefällt nicht nur den Jugendlichen, sondern auch den älteren Herren (wie meinem 81-jährigen Mitbewohner Villy), die jeden Tag ihre Zeitung mit einem Kaffee in der Presseecke genießen. In ganz Dänemark sind die Bibliotheken kostenlos und bieten verschiedene Aktivitäten für jeden Geschmack und jedes Alter an (Lese-Club, Strickclub, Umweltworkshop, Umsonst-Laden, Programmierkurse und was Ihnen sonst noch einfällt).

Presseecke mit Kaffeetisch. (Foto: Kolding Library)

Meine dänischen Kollegen organisierten für mich eine Bibliothekstour und führten mich durch die Bibliotheken des Netzwerks, wie die Open Library in Lunderskov, die Kinobibliothek in Vamdrup, die Spinderihallerne-Bibliothek in Vejle mit ihrem Museum in einer alten Spinnerei, die Stadt- und Schulbibliothek der UNESCO-Herrnhuter-Siedlung in Christiansfeld. Das überzeugte mich davon, dass Innovation und Multifunktionalität auf dem Land erfolgreich sein können.

Der Höhepunkt meines Aufenthalts war sicherlich die Teilnahme am Dienst in der Gefängnisbibliothek, wo ich mit den Bewohnern ins Gespräch kam und mich über Literatur und den Alltag austauschte. Aufgrund des Verbots von Internet und Mobiletelefonen spielt der Zugang zu analogen Medien dort eine zentrale Rolle und für diejenigen, die keine Angehörigen haben, ist die Bibliothekarin (und ein Priester) der einzige Kontakt zur Außenwelt.

Mein Fazit

Die Stadtbibliothek in Kolding erfreut sich aufgrund ihrer angenehmen Räumlichkeiten und ihrer Multifunktionalität großer Beliebtheit bei den Einwohnern. Sie wird von einem leidenschaftlichen Team interdisziplinärer Bibliothekare betreut und steht in ständiger Interaktion mit den Nutzern. Sowohl der Ort als auch die Menschen haben mich enorm inspiriert.

Das Erasmus Plus Programm ermöglicht es uns, unsere Komfortzone für die Lernzone zu verlassen, ohne in Panik zu geraten. Dadurch habe ich nicht nur beruflich, sondern auch landeskundlich viel mitgenommen, meine interkulturelle Kompetenzen erweitert und konnte persönlich wachsen. Ich finde es immer wichtiger, den internationalen Austausch in unserem Beruf zu fördern und vor allem unsere Nachbarländer näher kennenzulernen und dadurch die europäische Zusammenarbeit zu unterstützen. Europa ist der einzige Kontinent, der seinen Bürgern eine so große Auswahl an Mobilitätsprogramme für lebenslanges Lernen bietet.

Kunstwerk von Olafur Eliasson im Foyer der Stadtbibliothek Kolding, welches auch als Windmessgerät fungiert. (Foto: Kolding Library)
*Nachweis Beitragsbild auf der Startseite:Eingang der Stadtbibliothek Kolding. (Foto: Kolding Library)

5 Kommentare zu „Jobshadowing in Dänemark“

  1. Elke Jost-Zell sagt:

    Vielen Dank für diesen informativen, sympathischen Beitrag – von den entspannten Dänen gibt es einiges zu lernen.

  2. Marlene Kirsten sagt:

    Das liest sich sehr interessant. Wie lange waren Sie in Kolding für den Austausch?

    1. Caroline Bréand sagt:

      Vielen Dank! In Dänemark habe ich fast einen Monat verbracht. Man kann dieses Programm von zwei Wochen bis zu sechs Monaten absolvieren.

  3. Petra Kuhlemann sagt:

    Vielen Dank für diesen überaus interessanten Beitrag!
    Eine tolle Bibliothek für alle Menschen, sowohl für die, die sie nutzen und die, die in ihr arbeiten!
    Ein toller Einblick in Leben und Arbeiten eines unserer Nachbarländer und super, dass es möglich ist, einen solchen Einblick gewinnen zu dürfen!

    1. Caroline Bréand sagt:

      Vielen Dank für diese Rückmeldung. In der Tat gibt es in Skandinavien viele spannende Bibliotheken zu entdecken!

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