Kriminell, kulinarisch, caledonisch

8. Februar 2023
von Elke Jost-Zell

Ein Büchergespräch mit Autor Frank Winter

Frank Winter recherchiert und schreibt seit über 30 Jahren in der Deutsche Nationalbibliothek – Elke Jost-Zell arbeitet dort seit über 30 Jahren. Er schreibt Krimis – sie liest Krimis. Er kocht Marmelade und goutiert Whisky – sie liebt Marmelade und gelegentlich einen wee dram (einen kleinen Schluck Whisky). Er reist seit 30 Jahren nach Schottland – ihre Seelenheimat seit 1988. Doch weder in der Deutschen Nationalbibliothek noch in den schottischen Highlands sind sich die beiden je wissentlich über den Weg gelaufen. Zeit, dies zu ändern, bei einem gemeinsamen Büchergespräch in der Deutschen Nationalbibliothek!

Frank Winter, Schriftsteller, Kreativkoch, Bibliotheksbenutzer und Schottlandfreund
Frank Winter, Schriftsteller, Kreativkoch, Bibliotheksbenutzer und Schottlandfreund
Foto: Heidi Offterdinger

Frank Winter und die Deutsche Nationalbibliothek

Frank Winter ist Schriftsteller, freier Redakteur und ein langjähriger Benutzer der DNB. Er hat alte Wurzeln in Karlsruhe und neu gewachsene in Frankfurt am Main, Schottland und in den USA. Seine Heimat bleibt das Badische, in Frankfurt am Main studierte er Germanistik, Soziologie und Philosophie. Auf seinem akademischen Weg lernte er die Deutsche Nationalbibliothek in Frankfurt am Main (die damalige Deutsche Bibliothek) kennen und schätzen. Seine Lebenswege führten ihn in die Kunst des Schreibens, in ferne Länder und eine kreativ kulinarische Welt.

Am Tag des Büchergesprächs im Dezember 2022 zog ein geheimnisvoller Nebel durch die Stadt und hätte üble Machenschaften perfekt verschleiert, doch die Interviewpartner befanden sich nicht an einem Tatort in Edinburgh, sondern im Frankfurter Haus der DNB. Die erste Frage, die die Bibliothekarin dem Schriftsteller stellte, betraf auch gleich die Bibliothek.

Sie sind ein treuer Benutzer der DNB – könnte man die Bibliothek als Ihren „zweiten Ort“ bezeichnen?

„Ja“, bestätigt Frank Winter, „das könnte man durchaus so sagen.“

Er besuche die DNB seit seiner Studienzeit und schätze das helle, neue Gebäude in der Adickesallee noch mehr als das alte in der Zeppelinallee. Doch nicht nur die DNB sei ein Schreibort für ihn.

„Im Gegensatz zu vielen anderen Autoren kann ich in meinem Büro zuhause sehr gut arbeiten. Dort steht mir auch eine eigene Referenzbibliothek über Schottland zur Verfügung.“

Auf die Frage, was er besonders an der DNB schätzt, überlegt er nicht lange:

„Ich kann in der Bibliothek hervorragend für meine Bücher recherchieren, zum Beispiel, welche Kochbücher es bereits gibt und welche nicht, was originell und neu ist und was thematisch schon zu literaturlastig. Ich kann mich einlesen in die Themen, die in meinen Krimis vorkommen, zum Beispiel über Bulimie, eine Essstörung, die in dem Roman Dicke Luft in der Küche vorkommt oder über Fake Whisky, also Getränkefälschung, in dem es in Süffiger Single Malt für MacDonald geht.“ Und er recherchiert nicht nur für seine Bücher in der Bibliothek, er schreibt sie auch hier, ganz in der Tradition berühmter Kollegen, wie Ray Bradbury in der University of California, UCLA Library und George Bernard Shaw in der British Museum Library, um nur zwei schreibende Bibliotheksbenutzer zu nennen.

„Die Lesesäle der DNB bieten eine fabelhafte Arbeitsatmosphäre, Ruhe und den Ausblick in den Bibliotheksgarten, auf das Rasengrün, und Jane und Edward …“

So hat er die beiden Nilgänse getauft, die dort jahrelang lebten und vieles zum Naturverständnis und zur Unterhaltung von Bibliotheksbenutzer*innen wie Bibliothekar*innen beitrugen.

Krimis, kochen und Single Highland Malt

Wie, möchte Elke Jost-Zell nun wissen, entstand dieser ganz spezielle Wintersche Literaturmix aus Krimi, Kulinarischem und Caledonischem?

„Das sind alles Dinge, die ich sehr gern mag“, erklärt Frank Winter. Sein erstes Buch war ein humorvoller Reiseführer über seine badische Heimat, und schon folgte die schottische, in Edinburgh, dem Athen des Nordens, angesiedelte Krimireihe mit dem Food-Journalisten, Gourmet und Whisky-Connaisseur Angus Thinnson MacDonald. Seine Figuren sind nicht alle erfunden, sondern haben durchaus reale Vorbilder – doch aus Gründen der Diskretion hüllen wir hier den Mantel des Schweigens über Namen und Gesichter.

Sein Detektiv MacDonald ist geruhsam und harmonieliebend, mit einem quecksilbrigen Verstand gesegnet und nur dann dünnhäutig, wenn man ihn beim Kochen und Goutieren stört. Streng ahndet er Verstöße gegen authentisches Essen und Trinken. Und er liebt es nicht, wenn das Embonpoint zur Sprache kommt, das in unübersehbarem Zusammenhang mit seiner Freude am kulinarischen Genuss steht. Also der Typ Mensch, mit dem man gerne in der Küche stehen, hier einen Löffel köchelnder Marmelade naschen, da einen Topfdeckel lüften, um am Haggis zu schnüffeln und zwischendurch ein Glas edlen Whiskys wärmend in der Hand schwenken möchte.

Wie auch sein Schöpfer Frank Winter ist er hochgewachsen und gentlemanlike (Herr Winter sans Embonpoint!) und bevorzugt eine belletristisch lebendige Sprache. In den Dialogen sprüht erfrischender Humor und erinnert an eine screwball comedy, besonders wenn am anderen Ende der Unterhaltung MacDonalds italienischer Freund und Kollege Alberto Vitiello steht. Das Besondere an den Rezepten, nach denen Angus in nunmehr sieben Büchern Kulinarisches kreiert und konsumiert, ist die Tatsache, dass sein Autor sie selbst erfunden und ausprobiert hat. Seine umfangreiche Kochbuchsammlung ist ihm dabei ebenso hilfreich wie Besuche vor Ort in Bonnie Scotland. Am Ende jeden Buches teilt Frank Winter die leicht nachkochbaren Rezepte mit seinen Leser*innen und tröstet sie mit Infos und erquicklichen Tipps über die Wartezeit bis zum nächsten Buch hinweg.

Angus und die Whisky-Akademie - ein Krimi aus der Feder von Frank Winter
Angus und die Whisky-Akademie – ein Krimi aus der Feder von Frank Winter
Buchcover mit freundlicher Genehmigung des Oktober-Verlags, Münster

Die nächste Frage betrifft das neuste Krimiabenteuer, Angus und die Whisky-Akademie, in der Frank Winter mit der Zeit geht und kulinarische Themen wie Veggie und Soul Food aufgreift. Wie der Detektiv mit diesen trendigen Ernährungsthemen umgeht, wird natürlich nicht gespoilert, aber wie steht der geistige Vater der beiden dazu?

„Ich bin da aufgeschlossen und habe wie immer alle im Buch enthaltenen Rezepte selbst gekocht und ausprobiert. Dabei esse ich wenig, aber durchaus auch, Fleisch.“

Die veganen Gerichte sind überraschend vielseitig, manchmal auch skurril. Besonders interessant ist zum Beispiel das Omelette mit Sauerkraut, Käse und Chili als Füllung und das Whisky-Risotto.

Warum, möchte Elke Jost-Zell als nächstes wissen, the Auld Country? Wie kam Frank Winter literarisch und kulinarisch nach Schottland? Hierzu muss man wissen, dass er nicht nur Krimis in caledonischem Ambiente schreibt, sondern auch Redakteur u.a. für den Whisky-Botschafter und den Highland Herold ist.

„Die Leute!“ begeistert er sich, „sie sind gastfreundlich, informell, hemdsärmelig, witzig und – geborene Geschichtenerzähler!“

In einem schottischen guest house sei er so herzlich aufgenommen worden, dass es für ihn zu einem zweiten Zuhause wurde, einem Stück Heimat.

Außerdem ist Schottland wunderschön, wie beide Gesprächspartner wissen.

In seiner Krimireihe wie auch in dem Buch Schottisch kochen räumt Frank Winter mit hartnäckigen Vorurteilen auf, die über das Essen auf den britischen Inseln kursieren. Wie sonst würde es sich erklären, dass eine kulinarisch hochklassige Nation wie Frankreich nicht nur politisch-historisch eine Auld Alliance mit Schottland einging, sondern auch eine touristische, die die dortige Küche inspirierte und dem Uisge-Beatha, dem Wasser des Lebens, wie der schottische Whisky auch genannt wird, freundlich zugeneigt ist.

Das sieht die Gastronomische Akademie Deutschland (GAD) offenbar ganz ähnlich, die dem Autor für sein Kochbuch „Schottisch kochen“ eine Silbermedaille verlieh.

Karlsruhe!

Wie eingangs erwähnt, stammt Frank Winter aus Karlsruhe. Ein Ort, an dem auch ein anderer Frank wirkte, bevor ihn die Arbeit nach Frankfurt (und Leipzig) rief – Frank Scholze, der bis 2019 Direktor der Bibliothek des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) war und nun Generaldirektor der Deutschen Nationalbibliothek ist.

Kennen Sie Ihren Namensvetter, Herrn Scholze?

„Nein, ich kenne ihn nicht persönlich, aber ich habe seinen Ortswechsel nach Frankfurt mit Interesse verfolgt.“

Einen wesentlich größeren Ortswechsel hat er selbst mit seinem 2021 erschienenen Krimi Land der wilden Zwiebeln vollzogen. Man ahnt es – erneut zieht sich Essbares durch eine Detektiv-Geschichte, und man wird mit dem vertrauten Rezeptteil im Anhang verwöhnt. Allerdings sind es diesmal keine schottischen Gerichte, sondern badische, denn der Privatdetektiv und Exil-Karlsruher Max Mayer ermittelt im Chicago des Jahres 1858. In diesem Setting ermittelt Mayer, der nach der Badischen Revolution die Flucht ergreift und bei Tante Paula und Onkel Herbert in Chicago absteigt. Der deutsche Bevölkerungsanteil dort betrug damals ca. 30 Prozent, und war damit ebenso hoch wie der irische.

Mit den wilden Zwiebeln ist übrigens die Wildform des Knoblauchs gemeint, was man im wie immer  informativ-originellen Anhang erfährt. Ein badisches Glossar erklärt, was man andernorts nicht versteht.

Marmelamania, ein fantastievolles Marmeladen-Kochbuch von Frank Winter
Marmelamania, ein fantastievolles Marmeladen-Kochbuch von Frank Winter
Buchcover mit freundlicher Genemigung der Patmos-Verlagsgruppe (Thorbecke), Ostfildern

MARMELAMANIA!

Eine weitere Leidenschaft von Frank Winter ist das Marmeladekochen. Dabei hält er sich nicht an Rezepte à la Omas Obstschätze aus alter Zeit, sondern kreiert eigene, und durchaus verwegene Marmeladenkompositionen. In diesen findet man außergewöhnliche Zutaten wie Kräuter, Dunkelbier, Gin, Kakao, Schinken und Rote Beete unter Namen wie Orangenfeuer und In Rosenwasser gebadet – so cool, dass er für das Buch MARMELAMANIA – Herrlich verrückte Marmeladenkompositionen den Gourmand International Award gewann, eine Auszeichnung zur Förderung des Bewusstseins für kulturell vielfältiges Essen und Trinken.

Wie funktioniert das Marmeladekochen in der Winterschen Küche?

„Ganz einfach: morgens gekocht, abends redigiert!“

Tasting & Reading

Über den Oktober-Verlag in Münster bietet Frank Winter Whisky- und Gin-Tastings auch an eher ungewöhnlichen Orten an, wie zum Beispiel in der Karlsruher Straßenbahn, an. Natürlich fragt man sich nun, ob er sich auch einen Lesesaal als Veranstaltungsort für eine Lesung mit anschließendem Tasting vorstellen kann?

„Aber ja, eine gute Idee!“

Und mit welchen Büchern beschäftigt sich Frank Winter, wenn er nicht an seinen eigenen arbeitet?

„Meine Lieblingsautoren sind Honoré de Balzac, Gustave Flaubert, Joseph Conrad, Georges Simenon und Philip Roth.“

Mit welcher literarischen Figur würde er gerne einen Kaffee im Bibliothekscafé der DNB trinken?

„Mit Kommissar Jules Maigret!“

Und welchen Platz in der Lesesaallandschaft der DNB schätzen Sie am meisten?

„Ich mag sie alle, auch die im Multimedia-Lesesaal. Dort fühle ich mich wohl, die technische Ausstattung ist für mich optimal, es ist ruhig und im Sommer schön kühl. Doch ebenso wichtig, wenn nicht gar am wichtigsten sind die Menschen – die freundlichen, aufmerksamen und hilfsbereiten Bibliothekar*innen und Mitarbeiter*innen des Sicherheitsdienstes in der Medienausleihe und im Lesesaal!“

Dem ist nichts hinzuzufügen außer einem herzlichen Dank an Frank Winter für dieses Gespräch und seine Treue –  und der Freude darüber, dass der Lesesaal nicht nur ein Ort des wissenschaftlichen Arbeitens, der Recherche, des fachlichen Lesens und Lernens ist, sondern auch eine Quelle der Inspiration für neue Bücher sein kann. Bücher, die hier bei uns entstehen!

Lieben Dank auch an alle Bücherfeen in der Benutzung und der Medienausgabe, namentlich diejenigen, die diesen Beitrag möglich machten: Carola, Elisabeth und Jana – Ihr seid wunderbar!

*Nachweis Beitragsbild auf der Startseite:Heidi Offterdinger

Ein Kommentar zu „Kriminell, kulinarisch, caledonisch“

  1. Uta sagt:

    „Carola, Elisabeth und Jana – Ihr seid wunderbar!“ Das musste endlich mal gesagt werden!

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  • ISSN 2751-3238