Sammlung erweitert: Digitale Musik an der DNB

12. August 2024
von Nadine Walger

Seit Juni 2024 ist der neue Workflow für die Sammlung von Musik-Audiodateien produktiv. Der vorliegende Beitrag ist ein Werkstattbericht mit Fokus auf ausgewählte Herausforderungen, die es bei der technischen Umsetzung zu bewerkstelligen galt.

Bei der Sammlung von Online-Publikationen hat sich für die Deutsche Nationalbibliothek (DNB) seit jeher das Prinzip der kleinen machbaren Schritte bewährt. Von diesem Vorgehen profitiert die DNB bis heute in vielfältiger Weise. Das Ergebnis vieler kleiner Schritte kann sich durchaus sehen lassen: mittlerweile werden tagtäglich über 7.000 digitale Objekte importiert. Mit Stand vom 30.04.2024 umfasste die Sammlung 15.688.846 digitale Publikationen, darunter E-Books und Hochschulschriften, Zeitschriften und Tageszeitungen sowie Noten, Hörbücher, Digitalisate und Webseiten. Im Juni 2024 hat der Gesamtbestand an Online-Publikationen bereits die Marke von 16 Millionen überschritten.

Seit nunmehr drei Jahren beschäftigt sich die DNB intensiver mit der Sammlung digitaler Musikveröffentlichungen, die als Download oder Stream angeboten werden, da sie parallel zur physischen Ablieferung der Tonträger ebenfalls zum gesetzlichen Sammelauftrag der Bibliothek gehören. Die Ablieferungspflicht an die DNB gilt beispielsweise für Labels mit Sitz oder Betriebsstätte in Deutschland. An dem Sammelvorhaben sind vor allem das Deutsche Musikarchiv (DMA) aber auch weitere verschiedene Organisationseinheiten der DNB beteiligt. Um hier strategisch möglichst effektiv zu planen und schnittstellenübergreifend sowie ressourceneffizient Kompetenzen zu bündeln, wurde eine sogenannte Overlay-Struktur geschaffen. Mit Blick auf generell knappe IT-Ressourcen und immer wiederkehrende Kapazitätenengpässe sind solche Strukturen unerlässlich, da viele Aufgaben gerade bei Projekten dieser Größenordnung an verschiedene Abhängigkeiten gebunden sind.

Musik-Audiodateien automatisch importieren zu können und damit das insgesamt hoch priorisierte strategische Ziel der DNB, die Sammlung um digitale Musik zu erweitern, stand vor drei Jahren noch in weiter Ferne. Dies zum einen, weil sich in der Musikindustrie erst langsam und vornehmlich bei großen Labels sowie bei Musikvertrieben ein einheitlicher Standard etablierte, der schließlich dahingehend analysiert werden musste, ob er für die DNB-spezifischen Anforderungen als Datenimportformat geeignet ist. Zum anderen wird der digitale Objektimportprozess (DOBI) von seiner eher starren monolithisch geprägten Bauweise hin zu einer flexibleren und erweiterbaren an verschiedenen Service-Modulen orientierten Architektur neu konzipiert.

Kam die Neuentwicklung in den Anfangsstadien vor allem der Übernahme von Metadaten zu wissenschaftlichen Open-Access-Publikationen aus der Suchmaschine Bielefeld Academic Search Engine (BASE) in den DNB-Katalog sowie dem Import von digitalisierten Inhaltsverzeichnissen des Projekts „Kataloganreicherung 1945-2012“ zugute, war es nun nur folgerichtig auch an der Zeit, den in die Jahre gekommenen DOBI-Prozess ebenfalls anzupassen. Die Ablieferung von Musik-Audiodateien war demnach ein willkommener Beschleuniger, die Arbeiten an der Neugestaltung des Importprozesses weiterzuentwickeln und in die sogenannte „neue DOBI-Welt“ zu überführen. Ein großer Mehrwert besteht darin, dass ein Großteil der Entwicklungen, die für den Import von digitaler Musik notwendig waren, auch dem Importprozess der bisher schon importierten digitalen Objekte dient.

Um möglichst schnell erste tragfähige technische Produkte für den Import von digitalen Musikveröffentlichungen zu entwickeln und umzusetzen, wurden in der IT zwei Teams mit jeweils technischer und fachlicher Expertise für die Themen „Neues Importformat für digitale Musik“ sowie „Neuentwicklung Importservice“ gebildet. Im Sinn einer agilen und inkrementellen Arbeitsweise wurden in vielen kurzen sogenannten agilen Sprints, also in fest definierten Zeiträumen, strukturiert und weitestgehend flexibel überschaubare Aufgabenpakete abgearbeitet und testfähige Ergebnisse erzielt.

Das IT-Team „Neues Importformat für digitale Musik“ beschäftigte sich mit der Aufgabe, einen für den Transfer von bibliografischen Metadaten zu Musik-Audiofiles passenden und in der Musikindustrie möglichst breit angewendeten XML-Standard ausfindig zu machen und diesen auf die DNB-spezifischen Bedürfnisse der automatischen Ablieferung hin zu analysieren. Eine weitere Aufgabe im Anschluss daran war, einen Konverter für dieses neue Importformat zu entwickeln, der die Metadaten in das DNB-interne PICA-Format umwandelt. Bestärkt einerseits durch eine umfangreiche Analyse sowie durch zahlreiche interne und externe Expertengespräche in unterschiedlichen Bereichen und auf verschiedenen Ebenen sowie andererseits durch die konstruktiven Ergebnisse eines in Zusammenarbeit mit dem DMA veranstalteten virtuellen Workshops zum Thema „Ablieferung von Musik-NPs an die DNB“ mit Vertretenden aus der Musikbranche (Verbände, Labels, Dienstleistungsunternehmen) im Oktober 2022, wurde die Entscheidung bekräftigt, dass für die Ablieferung an die DNB der Standard DDEX ERN (Electronic Release Notification) zum Einsatz kommen soll, bei dem es sich um ein in der Musikindustrie für den Datenaustausch international genutztes Format aus der Standard-Familie Digital Data Exchange (DDEX) handelt.

Bei den Vorüberlegungen zur Konzeption des Datenkonverters kristallisierten sich vor allem folgende drei Themenbereiche heraus, für die ein haus- und gremienweiter Entscheidungsbedarf erforderlich war.

Logik nichtbibliothekarischer Namenszuordnungen

Anders als in der textbezogenen Bibliothekswelt, ist es für die Musikindustrie untypisch, Angaben zu Musikschaffenden bei musikalischen Veröffentlichungen entweder in Personen oder in Körperschaften zu kategorisieren. Im Kontext der Musik wird meist mit Begriffen, wie Interpret*innen beziehungsweise Künstler*innen, gearbeitet, die beides auch zugleich sein können. Deshalb erfolgen in der Musikbranche bibliografische Angaben zu Personennamen in der Regel ohne eine Differenzierung in Vor- und Nachname, auch wenn die Möglichkeit dazu im Metadatenformat DDEX ERN gegeben ist.
Demnach würde bei der automatischen Verarbeitung von Namen beispielsweise der Künstler Falco gegebenenfalls als Körperschaft interpretiert, er ist jedoch eine Person; Franz Ferdinand würde gegebenenfalls als Person interpretiert, es ist aber eine Band; die Künstlerinnen Nena oder Sade könnten sowohl als Person als auch als Körperschaft interpretiert werden.
Die Abbildung dieser nach bibliothekarischer Praxis nicht logischen Zuordnungen in bestehende Felder und Unterfelder des PICA-Formats stellte sich für automatische Prozesse als grundsätzlich schwierig und fehleranfällig heraus. Eine korrekte Zuordnung ist nur mit intellektuellem Aufwand zu leisten. Zwar sollte in den Fällen, wo durch die Vergabe von Rollen eine eindeutige Zuordnung möglich ist, diese auch genutzt werden. Für alle anderen nicht logisch zuzuordnenden Fälle musste allerdings ein möglichst pragmatisches Vorgehen für die automatischen Verfahren gefunden werden. Es wurde entschieden, die bibliothekarische Aufteilung in Personen und Körperschaften für Veröffentlichungen von digitaler Musik bewusst zu verlassen und für den Import von Künstler*innen, die nicht weiter zugeordnet werden können, ein einzelnes wiederholbares Feld „Sonstige Person oder Körperschaft“ (3199/027C) im PICA-Format zu etablieren, das unabhängig von der konkreten Zuordnung zu Person oder Körperschaft alle Namen aufnimmt.

In einem späteren Schritt sollen die Daten nachträglich für die Weiterverarbeitung verbessert und aufbereitet werden. Für die Zukunft ist geplant, anhand von gegebenenfalls in den Datensätzen mitgelieferten Personen-Identifiern, wie zum Beispiel ISNI (International Standard Name Identifier), die Personendaten miteinander zu verknüpfen und den Kategorien Person oder Körperschaft logisch zuzuordnen.

Logik des Zusammenspiels von Track und Album

Die Logik der Verzeichnung von Titeldaten in der DNB basiert auf verschiedenen hierarchischen Strukturen. Bei der Konzeption zur Übernahme von Trackdaten galt es zu überlegen, wie sich diese bibliografischen Einheiten im Titeldaten-Hierarchien-Datenmodell logisch einordnen und abbilden lassen. Für die Sammlung von digitaler Musik wurde festgelegt, dass im Bibliothekssystem (CBS) keine übergeordneten Albumdatensätze abgebildet, sondern nur Tracks als selbständige sogenannte Oaf-Datensätze verzeichnet werden.
Neu konzipiert wurde zudem die Darstellung der Beziehung der Tracks zu einer größeren Einheit. Hierfür wurde im internen PICA-Feld 0600/017A (Code-Angaben) der Code „tr“ für Track ergänzt. Außerdem wurden für die textuelle Angabe des Albums neue Unterfelder im Feld 4241/039B (Beziehung zu einer größeren Einheit) etabliert, unter anderem die Trackposition und die Trackanzahl. Perspektivisch ist angedacht, auch hier Verknüpfungen herzustellen, zum Beispiel zu digitalisierter Musik.

MARC-Export

Schließlich mussten Absprachen zur Aufbereitung der bibliografischen Metadaten zu digitalen Musikveröffentlichungen für den Datenbezug getroffen werden, da die Daten nicht nur für den Datenimport, sondern auch für den Export der Titel- und Bestandsdaten an Datenbeziehende der DNB im Format MARC 21 aufwendig aufbereitet werden müssen.
Neben diesen drei großen Themenbereichen, die es auf verschiedenen Ebenen im Haus beziehungsweise über verschiedene Gremien zu klären galt, gab es auch Themenpunkte, die hinsichtlich der Anforderungen an die Anlieferung von bibliografischen Metadaten zu digitaler Musik, der Bereitstellung der Audiodateien im Lesesaal sowie der Langzeitarchivierung der dazugehörigen digitalen Objekte abgesprochen werden mussten.

Um einen Eindruck davon zu bekommen, von welcher Tragweite es ist, gerade zu Beginn eines Projekts ausgiebig Zeit in die Analyse verschiedener Problematiken sowie in Testphasen zu investieren, um schließlich sinnvolle Entscheidungen für die Ausgestaltung der technischen Importprozesse zu treffen, sollen im Folgenden fünf Herausforderungen kurz skizziert werden.

1. Versionenvielfalt beim Standard DDEX ERN
Die Tatsache, dass es sich bei DDEX ERN um einen durchaus komplexen Metadatenstandard mit verschiedenen Teilformaten und Versionsständen handelt, stellte sich insgesamt als eine große Herausforderung für die Analyse und Anforderungserhebung für die technische Umsetzung des neuen Importformats heraus. Für die Pflichtablieferung von digitaler Musik wurde die Entscheidung getroffen, dass der Standard bevorzugt in der derzeit aktuellsten Version DDEX ERN 4.3 (2022) sowie in der Vorversion ERN 4.2 genutzt werden soll. Dies vor allem aus dem Grund, dass gemäß den Informationen des DDEX Secretary der Support für die älteren Formatversionen aus DDEX ERN-3 und der Version
ERN 4.0 ab 01.03.2025 offiziell eingestellt werden soll.
Auf dem Musikmarkt sind jedoch insbesondere die DDEX-Formatversionen 3.7 und 3.8 noch stark verbreitet und selbst größere Labels stellen erst nach und nach auf die neue Version ERN-4 um. Somit standen zu Beginn der Arbeiten nur wenige Sets an Testdaten aus der Praxis in der neuen Version zur Verfügung. Dieser Umstand war zu diesem Zeitpunkt keine optimale Voraussetzung für die technische Umsetzung des neuen Datenkonverters.

Dank der guten und engagierten Zusammenarbeit mit zwei Pilotpartnern aus Berlin, dem Label und Digitalvertrieb Morr Music sowie dem Digitalvertrieb und Dienstleister für Independent-Labels Zebralution, lagen 2022 aber erste Testdaten in den aktuellsten Formatversionen 4.2 und 4.3 zur Analyse bereit. Um beide Versionen verarbeiten zu können, musste neben Berücksichtigung der für die Pflichtablieferung obligatorischen und fakultativen Metadaten-Kernfelder sowie wichtiger DNB-spezifischer Besonderheiten, beim Auslesen der Testdaten vor allem auch eine Lösung für das auf XML-Ebene strukturelle Auseinanderlaufen der beiden Versionen gefunden werden.
Je nach Nutzung des Metadatenformats sind gegebenenfalls weitere DDEX-Versionen im Gebrauch, insbesondere Dienstleistungsunternehmen können Daten meist in unterschiedlichen auch älteren Versionen ausliefern. Für die Verarbeitung von Datensätzen, die in älteren Versionen wie DDEX ERN-3 geliefert werden, müssen bei Bedarf allerdings gesonderte Lösungen gefunden werden, da die Versionen generell nicht kompatibel zueinander sind. Perspektivisch werden für die Pflichtablieferung vermutlich weitere Formatversionen von DDEX ERN hinzukommen.

2. Audioformate
Eine weitere Herausforderung war die Festlegung von Audioformaten, die den Anforderungen an die digitale Langzeitarchivierung von Musik-Audiofiles genügen. Nach einer eingehenden Analyse verschiedener Aspekte, wie Verlustfreiheit oder Verbreitung, kristallisierten sich insbesondere FLAC- und WAV-Dateien als Audioformate heraus, die der Gewährleistung der langfristigen Erhaltbarkeit am nächsten kommen.

Das folgende Schaubild zeigt Vor- und Nachteile der analysierten Audioformate.

WAVEWavpackFLACALACMP3
Dateiendung.wav.wv.flac.m4a
.caf
.mp3
verlustfrei
komprimierbar
++++
Open Source+++++
LZA-geeignet+++(+)

3. Dateigröße
Angesichts der Tatsache, dass nach aktueller Bewertung der Dateigröße von Testdaten einzelne Tracks teilweise bis zu 1 GB groß sind und Lieferungen von kompletten Musikalben entsprechend noch größer sein können, musste außerdem auch geprüft werden, ob es erforderlich ist, die Obergrenze der derzeit festgesetzten maximalen Dateigröße beim Objektimport heraufzusetzen.

4. Bereitstellung der Audiodatei im Lesesaal
Eine weitere Herausforderung war zudem, die Bereitstellung der Audiodateien für die Nutzung im Lesesaal vorzubereiten. Zum einen musste hierfür die NP-Bereitstellung über den Permalink-Resolver an das neue Repository für die Bereitstellung angebunden werden, so dass der Zugriff auf die einzelnen Tracks erfolgen kann. Zum anderen mussten die Rechner für die Bereitstellung geschützter Ressourcen im Lesesaal angepasst werden, damit das Abspielen von FLAC-Dateien möglich ist.

In einem späteren Schritt ist es gegebenenfalls auch sinnvoll zu überlegen, ob und in welcher Form der Albumkontext im DNB-Katalog über die Bereitstellung wieder in Zusammenhang gebracht werden könnte, da die Sammlung auf Trackebene erfolgt und im Katalog derzeit nur Tracks ohne eine klickbare Verknüpfung zum Album abgebildet werden. Eine Möglichkeit wäre es, hierfür die geplante Bereitstellung über das Rahmenmodell International Image Interoperability Framework (IIIF) zu nutzen und für Alben eine IIIF-Collection zu erstellen, die es Nutzenden ermöglicht, die zusammengehörigen Tracks in der Reihenfolge des Albums anzusteuern, ohne die einzelnen Datensätze im Katalog aufzurufen und davon ausgehend die einzelnen Tracks zu laden.

5. Einbindung der Album-Cover
Eine zukünftige Herausforderung wird es schließlich auch sein, das digitale Cover zu den Musikpublikationen beim Album oder allen Tracks bereitzustellen. Aktuell ist das Cover, wenn vorhanden, als Teil des sogenannten Appendix am ersten Track beim Download verfügbar. Sollte die Bereitstellung der Alben zukünftig über IIIF realisiert werden, wäre es möglich, über diesen Standard sowohl Tracks als auch Cover-Bilder anzuzeigen.

Neben den Arbeiten an der Umsetzung des Datenkonverters und den Vorgaben zur Datenlieferung im Team „Neues Importformat für digitale Musik“, arbeitete ein zweites IT-Team „Neuentwicklung Importservice“ parallel an den Prozessen und Workflows für den Metadaten- und Objektimport, um relativ zeitnah die ersten Testdaten in den Systemprototyp einspielen zu können.

Das IT-Team „Neuentwicklung Importservice“ widmete sich ab Herbst 2022 dem Aspekt, die Importprozesse für die Sammlung von digitaler Musik auf eine neue technische Basis zu stellen, um zukünftig auch digitale Musikobjekte zu importieren und deren Export in das Langzeitarchiv der DNB vorzubereiten. Zu diesem Zeitpunkt bestand noch kein Workflow für diese Objektart, so dass keine Integration in die bestehende Infrastruktur und deren Workflows erfolgen musste. Dies trieb die gezielte Weiterentwicklung des neuen Importprozesses voran. Da es noch keine digitalen Musikressourcen gab, die im Vorfeld hätten mitbedacht werden müssen, konnte die Problematik des Umgangs mit Dubletten vorerst außer Acht gelassen werden. Insgesamt konnte so eine gezielte Weiterentwicklung stattfinden, ohne gleichzeitig die bereits bestehende riesige Menge an digitalen Objekten im derzeit achtstelligen Bereich mit zu berücksichtigen.
Der neue Importservice für digitale Musikveröffentlichungen wurde schließlich so konzipiert, dass er in das bereits bestehende ausführbare Prozessmodell (Business Process Diagram) „NP-Import“ integriert werden konnte. Mithilfe der Workflow Engine von Camunda, ein Managementsystem für automatisierte Geschäftsprozesse, wurden die im Prozessmodell angeordneten fachlichen Funktionen mit der dahinterliegenden Softwarearchitektur verbunden und das NP-Import-Prozessmodell sozusagen mit „Leben“ gefüllt.

War das Prozessmodell in der ersten Ausbaustufe auf die Verarbeitung und Ablage von Metadaten ausgelegt, war der nächste Schritt die Integration neuer Funktionen für die digitalen Objekte. Ziel war es, das Prozessmodell, möglichst robust und ressourcensparend zu gestalten. Aufbauend auf den Erfahrungen mit dem alten Prozess wurde die Ablage der Daten an das Ende des Prozesses gestellt. Dadurch wird sowohl der Aufwand bei der Bereinigung von Fehlerzuständen reduziert als auch der Test neuer Daten vereinfacht. Es ist somit möglich, die Feinkonzepte hinsichtlich der technischen Ausgestaltung der Services, insbesondere im Zusammenspiel mit der Workflow Engine und der Umsetzung der fachlichen Funktionalität, weiterzuentwickeln.
Zusammen mit den neuen Funktionen zur Objektablage und Objektprüfung, also der gezielten Analyse und Prüfung gegen die DNB-Risikoanalysen für eine digitale Langzeitarchivierung, wurde das Prozessmodell schließlich zu einem vollständigen Importprozess. Es bleibt festzuhalten, dass die Erweiterung des NP-Importprozesses insgesamt wichtige Erkenntnisse zum Zusammenspiel von in der Architekturlandschaft neu entwickelten Fachservices und den orchestrierenden Workflows lieferte. Denn alles, was für die Neukonzeption für digitale Musik umgesetzt wurde, kommt schließlich auch der Sammlung der bisherigen Objekttypen zugute.

Die folgenden drei Schaubilder liefern einen groben Überblick über die Komplexität der Workflows und Prozesse. Die Abbildungen sind bewusst schemenhaft gehalten, es soll lediglich die Komplexität der Workflows und Prozesse dargestellt werden.

Gesamtdarstellung Prozessmodell NP-Import

Grafik: DNB 2024

Prozessmodell Ausschnitt Verarbeitung

Grafik: DNB 2024

Prozessmodell Ausschnitt Ablage

Grafik: DNB 2024

Im Folgenden werden in Auswahl drei Schwerpunkte der DOBI-Neuentwicklung vorgestellt, die für die Übernahme von digitalen Musik-Audiodateien eine wichtige Rolle spielen.

Vermeidung von Dubletten
Dubletten sollen bereits auf Basis der in den Metadaten mitgelieferten Objektidentifier, wie ISBN und URN, erkannt und verhindert werden. Für die Erkennung von Dubletten von digitaler Musik wurde der ISRC als neues Kriterium für (bibliografische) Dubletten mitberücksichtigt. Ist beispielsweise eine Aufnahme eines Songs auf vielen Alben und Zusammenstellungen (Samplern) mit dem gleichen ISRC enthalten, wird sie nur beim ersten Vorkommen in einer Lieferung importiert und als Track verzeichnet. Zukünftig könnte dieses Vorgehen um weitere Prüfverfahren ergänzt werden, um einen noch differenzierteren Umgang mit Dubletten zu ermöglichen. Für den Importprozess bereits gesammelter digitaler Objekte wird ein sogenannter Identifierpool aktiv retrospektiv befüllt. Mit dem Start der Sammlung von digitaler Musik werden die neuen Identifier direkt bei der Sammlung verzeichnet.

Vorverarbeitungsservice für digitale Musik
Bei der Analyse des Metadatenstandards DDEX ERN stellte sich heraus, dass der Standard neben den Vorgaben zur bibliografischen Beschreibung zusätzlich auch Vorgaben für die Ablieferung von Musikdaten über SFTP-Schnittstellen (Electronic Release Notification Message Suite – Part 3: Choreographies for Cloud-based Storage) beinhaltet. Da diese Vorgaben in Teilen von den Vorgaben abwichen, die bisher für die Erzeugung der Transferpakete galten, war für die Übernahme von Musik-Audiodateien eine Erweiterung der herkömmlichen Abholungsszenarien notwendig.
Um die Albumlieferungen in einzelnen Tracks verarbeiten zu können, wurde ein Vorverarbeitungsprozess für digitale Musik aufgesetzt. So war es möglich, dass die Daten unter Einhaltung der Standard ERN Choreography (als Teil von DDEX) umgepackt und weiterverarbeitet werden konnten. Diese Anpassung ist eine der Grundlagen, auch die bisherigen Prozesse für digitale Publikationen über die Hotfolder-Schnittstelle umstellen zu können.

Optimierung der Hotfolder-Schnittstelle
Eine weitere Aufgabe war es, für die Abholung von Transferpaketen über die Hotfolder-Schnittstelle (via SFTP/WebDAV) und die Übergabe in den Verarbeitungsworkflow neue Services und Funktionen zu schaffen. Die Prüfung der Struktur von Transferpaketen wurde flexibilisiert und an den in DDEX ERN vorgegebenen Standard angepasst.

Im Rückblick auf drei Jahre intensive gute und ergebnisorientierte Zusammenarbeit in den beiden Teams der IT ist bis dato an dieser Stelle festzuhalten, dass der Mehrwert der agilen Arbeitsweise hier deutlich wurde. Sich bei größeren Vorhaben schnell an sich ändernde Umstände anzupassen und auch von Anfang an genügend Zeitpuffer einzuplanen ist wichtig, um ausreichend Spielraum für kurzfristige Anforderungsänderungen, Verbesserungen und Fehlerbehebungen sowie für unvorhersehbare Vorkommnisse zu haben. Diese wichtige Erkenntnis ist vor allem auch für anstehende Folgearbeiten von Bedeutung, wie beispielsweise die Evaluierung der ersten Pilotphase des Imports digitaler Musik insgesamt, Nachbesserungen im technischen Gesamtprozess sowie kontinuierliche Anpassungen am DDEX-PICA-Datenkonverter.

Das Ziel der Etablierung der digitalen Pflichtablieferung für Musik-Audiodateien, das vor etwa drei Jahren noch als sehr ambitioniert erschien und in weiter Ferne lag, wurde Anfang 2024 immer greifbarer. Die technischen Voraussetzungen zur regulären automatischen Verarbeitung von digitaler Musik sind geschaffen, der Workflow und der Metadaten-Konverter sind seit Frühsommer 2024 produktiv. Eine größere Menge an Datensätzen des Pilotpartners Morr Music sowie einige Titel von Zebralution wurden erfolgreich über die neue Importstrecke auf die Approval Stage des Bibliothekssystems eingespielt.

CBS-Datensatz einer Veröffentlichung des Pilotpartners Morr Music. Der Datensatz ist einer von zwei Tracks aus dem Album Vertigo Dubs Vol. 2: Elijah Minnelli von The Notwist. Der Track wurde am 27.06.2024 in das Echtsystem der Bibliothek importiert und ist damit DIE erste digitale Musik-Publikation, die an die DNB abgeliefert wurde.
Grafik: DNB 2024

Das folgende Schaubild zeigt ein CBS-Datensatzbeispiel einer Veröffentlichung des Pilotpartners Morr Music. Der Datensatz ist einer von zwei Tracks aus dem Album Vertigo Dubs Vol. 2: Elijah Minnelli von The Notwist.
Der Track wurde am 27.06.2024 in das Echtsystem der Bibliothek importiert und ist damit DIE erste digitale Musik-Publikation, die an die DNB abgeliefert wurde.

Seit Ende Juni 2024 können Labels, Musikvertriebe und freischaffende Künstler*innen Musik-Audiodateien mit Metadaten im Format DDEX ERN an die DNB liefern, bevorzugt in der derzeit aktuellsten Version DDEX ERN 4.3 (2022). Die Vorversion ERN 4.2 kann in gleichem Umfang verarbeitet werden. DDEX ERN ist damit der achte Metadatenstandard, den die DNB für die Ablieferung von digitalen Publikationen anbietet.

Die automatische Ablieferung fokussiert derzeit vor allem auf Labels und Musikvertriebe, die den DDEX-Standard ERN bedienen können. Der Standard eignet sich aber nicht für alle Akteur*innen aus der Musikbranche. Insbesondere freischaffende Künstler*innen, kleinere Independent Labels sowie Labels, die keine technische Unterstützung durch ein Dienstleistungsunternehmen erhalten, werden daher Hürden in der zeitnahen technischen Umsetzung sehen beziehungsweise aufgrund geringer Kapazitäten den Standard nicht nutzen können. Eine Herausforderung für die kommenden Jahre wird es daher sein, eine technische Alternativlösung für Zielgruppen ohne Standardmetadaten zu entwickeln. Denkbar wäre hier zum Beispiel eine strukturierte Upload-Funktion auf der Homepage der DNB mit manuellen Einstellmöglichkeiten zum Konvertieren von beispielsweise tabellarischen Daten.

Ein nächster wichtiger „kleiner“ Schritt für das Jahr 2024 wird sein, das neue Importformat für die Pflichtablieferung von digitaler Musik aktiv zu bewerben und weitere Pilotpartnerschaften aus der Musikindustrie an den Importprozess anzubinden. Ab 2025 soll die Akquise dann noch weiter intensiviert und gezielt Labels und Musikvertriebe angesprochen werden. Schritt für Schritt wird schließlich auch der Importprozess für die anderen digitalen Publikationen weiterentwickelt und der alte Prozess sukzessive abgelöst.

Auf den Webseiten der DNB finden Interessierte zahlreiche Informationen zur Pflichtablieferung von digitalen Publikationen allgemein und speziell zu digitaler Musik. Neben einem formatunabhängigen Kernset für Musik stehen eine ausführliche Dokumentation zum Metadatenformat DDEX ERN 4.3 und Testdaten in dieser Version sowie in Version ERN 4.2 zum Download zur Verfügung. Zusätzlich werden weitere Dokumente zur Anlieferung der Daten bereitgestellt, beispielsweise der Leitfaden „Onboarding Ablieferung digitale Musik-Publikationen“ sowie eine auf die Musik zugeschnittene Hotfolder-Spezifikation „Ablieferung von digitalen Musik-Publikationen an die DNB über das Hotfolder-Verfahren“.

*Nachweis Beitragsbild auf der Startseite:DNB, Stephan Jockel, CC-BY-SA 3.0 DE

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  • ISSN 2751-3238