Wenn Bibliothekar*innen über Bücher reden

10. April 2023
von Christina Filbert

Wer an unseren Beruf denkt, der erwartet glückliche Menschen, die den ganzen Tag in schönen Büchern blättern und dadurch immer auf dem neuesten Stand sind, was Politik, Medizin und weitere Themen angeht.

In meinem Arbeitsbereich der Deutschen Nationalbibliothek, der Formalerschließung, blättere ich tatsächlich jeden Tag Bücher aus allen Bereichen des Lebens durch.

Wie in jedem Beruf ist unsere Zeit begrenzt. Deshalb habe ich keine Möglichkeit im neuesten Kochbuch zu schmökern oder mich in die Thesen eines prominenten Politikers einzulesen – glücklich macht mich die Arbeit mit Büchern aber trotzdem.

Für mich die wichtigste Aufgabe dabei: Sie und nachfolgende Generationen finden die relevanten Medien zu Ihrer Fragestellung in unserem Katalog!

Damit Sie in unserem Katalog (Datenbank) zu Ihrem Thema erfolgreich suchen, tragen alle Arbeitsbereiche unserer beiden Häuser bei.

In diesem Blogbeitrag fällt das Schlaglicht aber wie geschrieben auf meinen Arbeitsbereich – die Formalerschließung und spiegelt meine persönliche Sicht auf diese Arbeit wider.

In der Formalerschließung wird das vorliegende Medium nach äußerlichen Merkmalen beschrieben, wie dem Verfasser oder der Seitenzahl, um es eindeutig identifizierbar und wieder auffindbar zu machen.

Bibliothekar*innen dieses Arbeitsbereiches wollen, dass, wenn Sie in unserem Katalog recherchieren, Sie alle Bücher und andere Medien zu Ihrer Fragestellung finden.

Wie schaffen wir es, dass jedes Buch gleichbehandelt wird und was nutzen wir dazu?

Allem voran steht das Neutralitätsprinzip: Ob es sich um ein Badewannenbuch für Kleinkinder handelt oder die Doktorarbeit eines angehenden Gymnasiallehrers, jedes Buch wird mit der gleichen Sorgfalt und Freude bearbeitet.

Schreibtisch auf dem ein Monitor mit WinIBW Screen zusehen ist. Vor dem Monitor liegen eine Lupe, ein Lineal, eine Bücherschlange und ein Stofftier.
Bildrechte: DNB

Damit wir gut arbeiten können, hilft uns Handwerkszeug oder Tools wie man heute sagt: eine solide Allgemeinbildung mit einem besonderem Augenmerk auf die deutsche Rechtschreibung („Der Duden“ ist unser Freund), ein Computer und wie Sie im Foto sehen auch ein Lineal (zur Angabe des Formates), ein Buch-Schlangen-Gewicht (um den Buchrücken zu schonen) und eine Leselupe (auch in Büchern sollte man das Kleingedruckte lesen). Das Schaf ist meine persönliche Note fürs Büro und hilft beim Nachdenken.

Das wichtigste Tool der Formalerschließung ist der internationale Katalogisierungsstandard RDA – Ressource Description Access, der in unserem Haus seit Oktober 2015 verwendet wird.

Die Grundlage bildet natürlich das vorliegende Exemplar: Wir kämpfen uns auf der Suche nach dem Impressum durch reich bebilderte Medizinbücher – nichts für schwache Nerven oder suchen vergeblich danach beim im Selbstverlag erschienenen Buch – auch das ist nichts für schwache Nerven!

Natürlich recherchieren wir auch im Internet z.B. auf der Homepage des Heimatvereins, der eine Festschrift zum 250-jährigen Geburtstag des Ortes veröffentlicht hat, um welches „Hausen“ es sich denn nun handelt – es gibt in Deutschland 12 und zusätzlich zahlreiche Ortsteile, die „Hausen“ heißen.

Im Rahmen unserer Arbeit trifft sich einmal pro Woche jedes Sachgebiet, das ist die kleinste Verwaltungseinheit dieses Bereiches, um über vorliegende Medien, überwiegend Bücher zu reden.

Ein Buchclub etwa? Wird dort bei Kaffee und Tee über den tragischen Helden des neuesten Liebesromans vom Kiosk oder eine gute Übung aus dem Selbsthilfebuch für Rückenprobleme am PC – beides finden Sie in unserem Katalog – diskutiert?

Leider nein!

Wenn wir uns treffen, reden wir vereinfacht gesagt über Regeln und Bücher. Wer hat sich noch nie über eine Regel versus die Realität gewundert?

In unserem Bereich werden jeden Monat tausende Medien bearbeitet.

Unter diesen Medien findet sich immer das ein oder andere, dass sich den 38 Kapiteln und 13 Anhängen (!) unseres Regelwerkes zu widersetzen scheint (und manchmal auch dem gesunden Menschverstand, aber darüber sprechen wir nicht, schließlich bleiben wir ja neutral).

Franz Beckenbauer sagte einmal: Abseits ist, wenn der Schiedsrichter pfeift.

Und so ähnlich ist es auch in diesen Runden: Die Gestaltungsmöglichkeiten des Verlages kann ein Regelwerk nicht umfassend wiedergeben. Deshalb besprechen wir, wie wir dem Exemplar und Ihren Anforderungen an den Katalog gerecht werden können.

Wer weiß, vielleicht verfasst in einigen Jahren jemand eine Dissertation über den Beitrag von Badewannenbüchern für die frühkindliche Entwicklung? Wenn Sie also das nächste Mal in unser Haus kommen und nach einer erfolgreichen Recherche die gewünschten Bücher in Händen halten, dann hat auch die Formalerschließung der Deutschen Nationalbibliothek ihren Beitrag dazu geleistet.

*Nachweis Beitragsbild auf der Startseite:DNB

Ein Kommentar zu „Wenn Bibliothekar*innen über Bücher reden“

  1. Roman sagt:

    Ein schöner Artikel, kann ich als Bibliothekar nur sagen. Und treffend formuliert. 🙂 Unsere Professorin sagte damals im Studium: „Wer Bibliothekswesen studiert, nur weil man immer gerne gelesen hat, ist hier falsch.“ Andererseits ist man im Umkehrschluss auch falsch in diesem Beruf, wenn man nicht gerne liest.

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  • ISSN 2751-3238