Wörter und ihr Gefahrenpotenzial
Diskriminierungssensible Pflege der GND
Sprache kann ausgrenzen. Diese Tatsache ist in den letzten Jahren immer stärker ins allgemeine Bewusstsein getreten und bestimmt viele Diskurse im öffentlichen Raum. In diesem Zusammenhang geraten oft einzelne Wörter in den Fokus des Interesses, denen eine besondere diskriminierende Wirkung zugeschrieben wird. Dabei kommt es nicht darauf an, ob diejenigen, die diese Wörter verwenden, damit bewusst eine solche Wirkung erzielen wollen. Selbst deren unbedachter Gebrauch kann verletzen und berechtigte Kritik nach sich ziehen.
Auch in der Gemeinsamen Normdatei (GND) sind bzw. waren Wörter enthalten, die in diesem Kontext als problematisch angesehen werden. Obwohl die für die Pflege der GND verantwortlichen Redakteur*innen besonders in den letzten Jahren viel Energie darauf verwandten, einer diskriminierenden Verwendung dieser Normdatei wenig Raum zu bieten, ist das Ideal einer ganz und gar von potenziell diskriminierenden Elementen befreiten GND kaum zu erreichen. Dies hängt mit einigen grundsätzlichen Gegebenheiten zusammen, die es zu bedenken gilt.

Hürden auf dem Weg zur diskriminierungsfreien GND
Hier ist zunächst die Kontextbezogenheit der Begriffe zu berücksichtigen, die in der GND enthalten sind. Viele Schlagwörter sind für sich genommen unproblematisch, manche sogar mit einer explizit progressiven Agenda verbunden, so etwa „Political Correctness“ oder „Wokeness“. Man kann diese Ausdrücke affirmativ verwenden, sie aber auch in polemische Kontexte integrieren, in denen sie als Kampfbegriffe zur Beschimpfung bestimmter Personen oder Vorhaben eingesetzt werden. Das Schlagwort „Zwerg“ wurde bisher noch nicht beanstandet, da es von den GND-Anwender*innen ausschließlich zur Bezeichnung der allgemein bekannten Märchen- und Sagengestalten verwendet wird. Im Alltag wird es aber nicht selten zur Beschimpfung von Menschen mit geringer Körpergroße missbraucht. Auch „Hofnarr“ ist ein harmloses Schlagwort, das in der GND per Definition Spaßmacher und Unterhalter an Fürstenhöfen bezeichnet. Und doch erregte es Aufsehen, als der ehemalige Bundeskanzler Olaf Scholz auf einer Party im Februar dieses Jahres den damaligen Berliner Kultursenator Joe Chialo als Hofnarren der CDU bezeichnet haben soll. Da Chialo Schwarzer ist, stuften einige Kritiker*innen diese Bemerkung nicht nur als herabwürdigend, sondern auch als rassistisch ein. Scholz gestand ein, sich entsprechend geäußert zu haben, fügte aber hinzu, dass der von ihm gewandte Begriff im Sprachgebrauch nicht rassistisch konnotiert und von ihm nie so intendiert gewesen sei. Vorfälle wie diese machen deutlich, in welchem Maße die Bewertung eines bestimmten Ausdrucks als diskriminierend von den Gegebenheiten der jeweiligen Situation, d. h. vom Kontext, abhängt.
Ein weiteres Problem ist die von dem Kognitionswissenschaftler Steven Pinker herausgestellte „Euphemismus-Tretmühle“[1]. Danach nimmt ein Ausdruck, der einen unangemessenen Begriff ersetzen soll, irgendwann die negativen Konnotationen seines Vorgängers an. Betrachtet man den alltäglichen Sprachgebrauch über einen längeren Verlauf, kann man dieses Phänomen immer wieder beobachten. Die Bezeichnung Farbiger etwa war über viele Jahrzehnte bei gebildeten Sprachanwender*innen beliebt, die sich vom Gebrauch des N-Worts absetzen wollten. Seit einigen Jahren wird sie von einem Teil der Öffentlichkeit selbst als rassistisch eingestuft. In der GND wurde das Schlagwort „Farbiger“ mittlerweile durch „Person of Color“ ersetzt. Wo früher ungeniert von Ausländern die Rede war, spricht man seit einiger Zeit von „Menschen mit Migrationshintergrund“. Auch dieser Begriff wird gegenwärtig mehr und mehr als negative Zuschreibung empfunden, weshalb eine Fachkommission der Bundesregierung vorschlug, ihn durch „Eingewanderte und ihre Nachkommen“ oder „Menschen mit Einwanderungsgeschichte“ zu ersetzen. Die Beispiele machen deutlich, dass Ersatzbegriffe in vielen Fällen das Unbehagen, das ihren Vorgängerbegriffen entgegenschlug, „erben“. Offenbar liegt das Problem nicht in den Bezeichnungen selbst, sondern in den damit zum Ausdruck gebrachten Inhalten. Begriffen wie „Farbiger“ oder „Person of Color“ etwa liegt ein gedankliches Konzept zugrunde, das Weiße von Nichtweißen trennt. Dieses Konzept wiederum ist zwar für sich genommen prekär, aber Teil der sozialen Realität. Es ist dadurch auch Gegenstand von Forschungsliteratur und kann daher von Wissensorganisationssystemen wie der GND, die zur Erschließung dieser Literatur herangezogen werden, nicht einfach übergangen werden.
Schließlich ist auf ein Faktum hinzuweisen, das der sprachlichen Realisierung einer umfassenden Diskriminierungsfreiheit auf Normdatenebene entgegensteht: Die GND ist nicht darauf ausgerichtet, eine Idealsprache zu formen, sondern orientiert sich an den Gegebenheiten der Alltagssprache. Da sie im Kontext bibliothekarischer Arbeit entstand und nicht nur auf wissenschaftliche, sondern auch auf öffentliche Bibliotheken ausgerichtet ist, stand von Anfang an die Anwendbarkeit für breite Bevölkerungsschichten im Vordergrund des Interesses. Das hat zur Folge, dass bei den Nachschlagewerken, die als Quellen für die Erfassung der Schlagwörter fungieren, allgemeine Enzyklopädien wie der Brockhaus Wissensservice den Vorrang vor Fachnachschlagewerken haben. In vielen Fällen führt dies dazu, dass nicht ein in Fachkreisen beliebtes Fremdwort, sondern eine allgemein gebräuchliche Bezeichnung als Vorzugsbenennung Verwendung findet. Gerade durch diese Praxis entgeht die GND der Gefahr eines abgehobenen Vokabulars für Eingeweihte und trägt so ihren Teil zur Diskriminierungsbekämpfung bei. Allerdings hat die Orientierung an den allgemeinen Nachschlagewerken zur Folge, dass sprachliche Änderungen erst relativ spät in der GND Berücksichtigung finden können, eben dann, wenn sie wirklich in weiten Teilen der Bevölkerung angekommen sind und Eingang in diese Nachschlagewerke gefunden haben.
Maßnahmen zur Reduzierung des Diskriminierungspotenzials einzelner Schlagwörter
Nach den hier aufgezeigten Hürden soll nun gezeigt werden, was die GND-Redakteur*innen seit vielen Jahren bei ihrer täglichen Arbeit tun, um Diskriminierung weitmöglich zu vermeiden. Die GND wird bekanntlich kooperativ von Redakteur*innen im D-A-CH-Raum gepflegt, wobei das Alltagsgeschäft der redaktionellen Arbeit mittels Mailboxen realisiert wird, die mit den zu bearbeitenden Datensätzen verbunden sind. Ich konzentriere mich im Folgenden auf den von mir als GND-Redakteur betreuten Fachbereich Ethnologie, wohl wissend, dass das Problem der Diskriminierung nicht auf diese Wissenschaft beschränkt ist. Obwohl die folgenden Ausführungen meine subjektive Perspektive wiedergeben, sind sie vom Austausch mit vielen Kolleg*innen in und außerhalb der DNB geprägt. Wichtige Impulse gingen in den letzten Jahren auch vom Fachinformationsdienst Sozial- und Kulturanthropologie in Berlin aus.
Bei der Beseitigung von Diskriminierungen denken viele zuallererst an die Löschung von Datensätzen. In der Praxis wird gerade diese Vorgehensweise eher selten praktiziert, weil sie wenig dazu beiträgt, Diskriminierungen zu verhindern. Besonders negativ wirkt sich eine solche Maßnahme aus, wenn ein inkriminiertes Wort Gegenstand einer wissenschaftlichen Untersuchung ist und zur Beschreibung des Inhalts dieses Dokuments zwingend gebraucht wird. Zu bedenken ist außerdem, dass gelöschte Schlagwörter nicht gespeichert bzw. archiviert werden, so dass es bewusst auch keine „schwarze Liste“ mit nicht zu verwendenden Begriffen gibt, wie sie etwa die aktuelle amerikanische Regierung für Behörden vorgibt. Außerdem ist in Rechnung zu stellen, dass ein einmal gelöschtes Schlagwort keineswegs für die zukünftige Verwendung tabu ist, sondern im Extremfall unmittelbar nach der Löschung von einem anderen Anwender wieder eingeführt werden könnte, weil es etwa im Zentrum einer historisch ausgerichteten Abhandlung steht, die es zu erschließen gilt. Zur terminologischen Kontrolle ist damit gerade die Löschung von Schlagwörtern wenig geeignet.
Ein häufig angewandtes Mittel, um Diskriminierung zu begegnen, ist die Hinzufügung von redaktionellen Hinweisen, die für eine restriktive Verwendung des entsprechenden Schlagworts sorgen sollen. Ein Beispiel hierfür findet sich beim Schlagwort „Mestizen“, bei dem der entsprechende Hinweis wie folgt lautet: „Problematischer Begriff, der nach Ansicht von Kritikern der Kolonialzeit und den seinerzeitigen anthropologischen und rassentheoretischen Vorstellungen entstammt; für historische Abhandlungen beibehalten, für aktuelle Titel verwende Person of Color“. So hilfreich diese Angaben sind, setzen sie doch aufmerksame Bearbeiter*innen voraus und sind insbesondere beim Einsatz automatischer Erschließungsmethoden nicht unproblematisch, da die restriktiven Verwendungshinweise bei maschinellen Prozessen nicht umsetzbar sind. Der Einsatz neuer Verfahren wie das der großen Sprachmodelle (Large Language Models) könnte hier Abhilfe schaffen.
Die vielleicht wichtigste Maßnahme im Kontext der Diskriminierungssensibilität ist die Änderung von Vorzugsbenennungen. Die Vorzugsbenennungen sind so etwas wie die Spitze des „Eisbergs“ GND, jener vergleichsweise kleine Teil der Normdatei, der von den meisten Personen wahrgenommen wird, weil er in Titeldatensätzen angezeigt wird. Die hier vorgenommenen Veränderungen sind somit die in puncto Diskriminierungsbekämpfung wirkungsmächtigsten. Hier hat sich im Lauf der Zeit vieles verändert: Die „Völkerkunde“ wurde zur „Ethnologie“, die „Rassische Identität“ zur „Ethnischen Identität“, statt vom „Mischling“ ist nun von der „Interethnischen Herkunft“ die Rede. Auch Bezeichnungen, bei denen die Begriffsproblematik weniger offen zutage liegt, erfuhren Änderungen, wenn etwa statt „Tinkers“ nun die Vorzugsbenennung „Irish Travellers“ Verwendung findet.
Als Folge der zahlreichen Umbenennungen werden viele umstrittene Begriffe nunmehr nur noch als abweichende Benennungen geführt. Die elektronische Verfügbarkeit der GND hat allerdings die Aufmerksamkeit auch für diese an Titeldatensätzen nicht sichtbaren Elemente der Normdatei erhöht. Manchen GND-Anwender*innen geht die bloße Einordnung der problematischen Begriffe unter korrekte Vorzugsbenennungen nicht weit genug. Bisweilen wurde daher gefordert, abweichende Benennungen mit diskriminierendem Charakter zu löschen. Die Problematik einer vollständigen Entfernung von abweichenden Benennungen ist jedoch die gleiche wie die oben für die Löschung kompletter Datensätze angeführte: Der Erfolg einer solchen Maßnahme wäre möglicherweise nur temporär, weil die diskriminierende Bezeichnung jederzeit von anderer Seite, vielleicht sogar als Vorzugsbenennung, wieder eingeführt werden könnte. Sie ginge überdies als Suchbegriff für das Retrieval verloren. Außerdem würde man damit auf einen positiven „sprachpädagogischen“ Nebeneffekt verzichten, der entsteht, wenn ein Nutzender eine Suche mit einem diskriminierenden Begriff anstößt und als Treffer einen Titeldatensatz angezeigt bekommt, bei dem der von ihm verwendete Suchbegriff in nicht diskriminierender Form erscheint. Möglicherweise wird er bei seiner nächsten Suche gleich den angemessenen Begriff verwenden.
Statt abweichende Benennungen mit diskriminierendem Charakter ganz zu löschen, entschloss man sich zur Einfügung von Zusätzen, mit denen das Gefahrenpotenzial bestimmter Bezeichnungen gekennzeichnet werden sollte. So findet sich bei der abweichenden Benennung „Hottentotten“ (Vorzugsbenennung „Khoikhoin“) etwa der Hinweis „Diskriminierender Begriff, zu Retrievalzwecken als Quasisynonym beibehalten“). Über den Nutzen dieser zusätzlichen Bewertungen kann man streiten. Es ist kritisch angefragt worden, ob derartige Hinweise in einem Teil der GND, der fast ausschließlich von Expert*innen genutzt wird, überhaupt notwendig sind. Hierzu ist allerdings zu bedenken, dass die GND in Web-Anwendungen wie OPACS auch für jeden interessierten Laien vollständig sichtbar ist. Ein weiteres Problem besteht in der Tatsache, dass die hier skizzierte Verfahrensweise durch das aktuelle Regelwerk nicht gedeckt ist. Allerdings gibt es einen Beschluss der damaligen Expertengruppe Sacherschließung von 2015, der sich explizit für dieses Verfahren ausspricht. Ferner ist festzustellen, dass es für die wertenden Zusätze keine Vorgaben gibt, weshalb sich unterschiedliche Formulierungen finden – neben „diskriminierender Begriff“ taucht zum Beispiel noch „als rassistisch eingestufter Begriff“ auf. Schließlich kann man in einigen Fällen darüber streiten, ob der Zusatz „diskriminierender Begriff“ immer angemessen und nicht in einigen Fällen vorsichtigere Formulierungen wie „veralteter Begriff“ oder „umstrittener Begriff“ passender wären.
„Indianer“ als Anwendungsbeispiel
Wie komplex sich Diskriminierungssensibilität im Alltag gestaltet, zeigen das Schlagwort „Indianer“ und die mit ihm verbundenen Komposita. Über den Begriff Indianer hat es in den letzten Jahren viele Diskussionen gegeben; einen Konsens über die Frage, ob es sich hier um einen im deutschen Sprachgebrauch harmlosen oder einen diskriminierenden Begriff handelt, gibt es nicht. In der GND haben sich die Redakteur*innen für die Beibehaltung des entsprechenden Schlagworts entschieden und dies in einem redaktionellen Hinweis ausführlich begründet. Maßgeblich hierfür sind die hohe Gebräuchlichkeit des Begriffs, der in allgemeinen Nachschlagewerken wie Brockhaus Wissensservice und der Wikipedia nach wie vor dominant verwendet wird, sowie das Fehlen von Alternativbezeichnungen, die den Begriffsinhalt vollständig abbilden.
Änderungen der Vorzugsbenennung wurden allerdings bei vielen Komposita mit „Indianer“ vorgenommen, da hier geeignete Ersatzbegriffe zur Verfügung stehen, die durch Nachschlagewerke gedeckt waren. „Thompson-River-Indianer“ wurde so zu „Ntlakyapamuk“, „Xingu-Indianer“ zu „Xinguanos“, „Stockbridge-Indianer“ zu „Stockbridge <Volk>“ und „Indianerreservat“ zu „Reservat <Ethnologie>“. In all diesen Fällen wird die frühere Vorzugsbenennung als abweichende Benennung weiter im Datensatz geführt.
Nicht bei allen Komposita mit „Indianer“ war eine solche Verfahrensweise möglich. Für den Begriff „Plateau-Indianer“ etwa, der bei Brockhaus Wissensservice nachgewiesen ist, stand als Alternativbegriff nur „Indigenous peoples of the Northwest Plateau“ aus der englischen Wikipedia zur Verfügung. Somit war keine Alternativbezeichnung vorhanden, die dem Anspruch der Gebräuchlichkeit genügte, weshalb man sich hier für die Beibehaltung der ursprünglichen Benennung entschied.
Aus dem bisher Gesagten ist deutlich geworden, dass diskriminierungssensible Erschließung mit der GND ein kleinteiliges Vorgehen erfordert, bei dem in vielen Fällen ein sorgfältiges Abwägen des Für und Wider einer Änderung erforderlich ist. Dabei müssen Veränderungen der Gegenwartssprache sorgfältig beobachtet werden. Auch wenn, wie hier aufgezeigt, schon einiges getan wurde, um die GND diskriminierungssensibel umzugestalten, handelt es sich um eine die tägliche Arbeit begleitende dauerhafte Aufgabe, die uns auch die nächsten Jahre und Jahrzehnte beschäftigen wird.
Dieser Beitrag gibt den Inhalt eines Vortrags wieder, der auf dem Österreichischen Bibliothekskongress 2025 in Wien gehalten wurde.
[1] Vgl. Steven Pinker, The Game of the Name, in: The New York Times, 05.04.1994, Sektion A, Page 21 (online unter: Opinion | The Game of the Name – The New York Times, Abruf: 07.05.2025).