Wolf Biermann erhält den OVID-Preis

15. November 2021
von Dr. Sylvia Asmus

Du, lass dich nicht verhärten in dieser harten Zeit.
Die allzu hart sind, brechen, die allzu spitz sind, stechen und brechen ab sogleich.
Und brechen ab sogleich.

Wolf Biermann

Mit einem seiner bekanntesten Lieder „Ermutigung“ begann Wolf Biermann sein Konzert in der Deutschen Nationalbibliothek. Anlass für seinen Auftritt war die Verleihung des OVID-Preises am 5. Oktober 2021, den das PEN-Zentrum deutschsprachiger Autoren im Ausland verleiht. Seit es den Preis ins Leben gerufen hat, findet die Preisverleihung in Kooperation mit dem Deutschen Exilarchiv 1933–1945 der Deutschen Nationalbibliothek statt. Das Exilarchiv hat eine besondere Verbindung zum PEN-Zentrum. Es verwahrt das historische Archiv des Exil-PEN, die Dokumente jener Institution also, die Lion Feuchtwanger, Max Herrmann-Neiße, Rudolf Olden und Ernst Toller 1933 gegründet haben, um nach der Gleichschaltung des deutschen PEN-Clubs die freie deutsche Literatur zu repräsentieren.

Faksimile eines Briefes an den internationalen PEN Club
Das Gründungsdokument des Exil-PEN ist Teil der Dauerausstellung des Deutschen Exilarchivs „Exil. Erfahrung und Zeugnis“, EB 75/175-D.01.0001

Der OVID-Preis soll die in der Charta des Internationalen PEN niedergelegten Grundsätze fördern. Dazu gehören das Eintreten für ungehinderten Gedankenaustausch, für freie Meinungsäußerung und gegen jede Form von Zensur.

Die bisherigen Preisträger*innen waren 2017 der Germanist und Exilforscher Guy Stern, 2018 die Literaturnobelpreisträgerin Herta Müller und 2020 Wolf Biermann. Aufgrund der Pandemie wurde die Preisverleihung um ein Jahr verschoben. Biermann wurde für sein Lebenswerk ausgezeichnet – und das kann sich sehen lassen. Schon seit 1960 schreibt und singt Biermann seine kritischen Lieder. 1953 war er in die DDR übergesiedelt, von wo er nach Jahren des Berufsverbots 1976 ausgebürgert wurde. Wolf Biermann ist einer der bekanntesten deutschsprachigen Lyriker und Sänger und bis heute mischt sich der vielfach Ausgezeichnete politisch ein.

Gabrielle Alioth, frühere Sekretärin des PEN-Zentrums deutschsprachiger Autoren im Ausland, Regula Venske, bis 2021 Präsidentin des deutschen PEN-Zentrums, und Guy Stern, Präsident des PEN-Zentrums deutschsprachiger Autoren im Ausland, begrüßten und würdigten den Preisträger. Die Laudatio hielt der Schriftsteller Marko Martin.

Aber Wolf Biermann wäre nicht Wolf Biermann, hätte er den Preis schlicht dankbar entgegengenommen. Nein, Biermann nutzte die öffentliche Aufmerksamkeit und gab seinen Preis weiter an die in Belarus inhaftierte Bürgerrechtlerin und Flötistin Maria Kalesnikowa. „Es gibt eben nicht nur das Raus-mit-dir!!-Exil, sondern auch das noch elendere Rein-mit-dir!!-Exil: die Verbannung in das heimatlich-vaterländische Gefängnisloch”, so Biermann in seiner Rede. Maria Kalesnikowa stecke in dem „Dilemma: da bleiben oder weggehen, und hat sich dafür entschieden, den schwereren Weg zu gehen. Ich werde sie nicht retten können, aber ich will ihr beistehen. Wenn ich sie verteidige, verteidige ich auch uns alle, die an ein freies demokratisches Europa glauben“, sagte Wolf Biermann in einen Interview mit der Deutschen Welle. Sein Lied „Ermutigung“ hat Biermann zu Ehren von Kalesnikowa ins Belarussische übertragen lassen.

Die Reden der Veranstaltungen finden Sie unter den folgenden Links:

Für Maria Kalesnikowa war ihre Anwältin Lyudmila Kazak angereist, um den Preis entgegen zu nehmen.

Wolf Biermann spielt Gitarre
Wolf Biermann auf der Veranstaltung am 5. Oktober 2021 in der Deutschen Nationalbibliothek in Frankfurt am Main. Foto: Alexander Paul Englert, Frankfurt am Main

Neben „Ermutigung“ erfreute Biermann das Publikum der ausgebuchten Veranstaltung, die aufgrund der großen Nachfrage als Livestream übertragen worden war, mit den Liedern „Und als wir ans Ufer kamen“, „Ballade von der Mainnacht in Paris“ und „Ballade vom preußischen Ikarus“. Ein großer Abend, dessen Höhepunkte wir in einem Highlight-Film festgehalten haben.

Heute, am 15. November, feiert Wolf Biermann seien 85. Geburtstag. Dazu gratuliere ich herzlich und wünsche weiterhin so viel Widerspruchsgeist.

*Nachweis Beitragsbild auf der Startseite:Alexander Paul Englert, Frankfurt am Main

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  • ISSN 2751-3238