20 Jahre Kooperation zur ZDB
Die Zeitschriftendatenbank (ZDB) als weltweit größte Datenbank für den Nachweis von fortlaufenden Ressourcen aller Art blickte im Jahr 2021 auf eine 50jährige Geschichte zurück.1 Die Deutsche Nationalbibliothek (DNB) ist seit gut 20 Jahren Teil dieser Geschichte. Im November 2001 wurde die Kooperationsvereinbarung zwischen der Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz (SBB) und der DNB über die Führung und Weiterentwicklung der ZDB geschlossen. Im Folgenden wird die Entwicklung der Zusammenarbeit skizziert.
Die Ausgangslage
Bis zum Jahr 1999 lag die technische Zuständigkeit für die ZDB beim Deutschen Bibliotheksinstitut (DBI). Als dessen Auflösung zum Ende des Jahres beschlossen wurde, suchte die Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz ab 2000 eine neue technische Heimat für die ZDB und die Gemeinsame Körperschaftsdatei (GKD). Die DNB bot sich aus den folgenden Gründen als neuer technischer Dienstleister für die ZDB an: Die DNB betrieb bereits die nationalen Normdateien für Schlagwörter (SWD) und Personen (PND) in ihrem Integrierten Literatur- und Informationssystem (ILTIS) und hielt als Redaktionsstelle zudem auch eine Instanz der GKD vor.2 Das auf dem Bibliothekssystem von Pica3 basierende ILTIS, mit dem die DNB arbeitete, entsprach seinerzeit mit seinen offenen Schnittstellen in Client Server Architektur und dem PC-Client Intelligent Bibliographic Workstation (IBW) als Benutzeroberfläche den Architekturvorstellungen für eine moderne technische Plattform, mit der auch eine weitere Pflege und Weiterentwicklung der ZDB gegeben sein würde.
Die Migration
Bereits im 2. Quartal 1999 wurde mit den Vorarbeiten zur Migration von ZDB und GKD nach ILTIS begonnen; die offizielle Zustimmung der Gremien erfolgte im August 1999. Das Projekt stand unter erheblichem Zeitdruck, da der Betrieb des ZDB-Rechners beim DBI zum neuen Millennium eingestellt werden musste. Tatsächlich konnte die Online-Bearbeitung der ZDB in ILTIS zum 01.01.2000 aufgenommen werden. Die Daten waren migriert, das Online-System eingerichtet, Arbeitshilfen erstellt und Schulungen durchgeführt. Machbar war die Einhaltung des Zeitplans nur, weil von vornherein ein stufenweises Vorgehen geplant wurde und sich alle Beteiligten voll auf das Projekt konzentrierten.
Klaus-Dieter Lehmann, bis 1998 Generaldirektor der DNB und anschließend Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, und Elisabeth Niggemann, ab 1999 neue Generaldirektorin der DNB, sahen in der Zusammenarbeit die Chance, die nationale Bedeutung der ZDB als Erschließungs- und Nachweisinstrument durch Integration der DNB-Zeitschriftendaten zu stärken.
Den ersten ZDB-Datensatz in ILTIS erfasste die Württembergische Landesbibliothek Stuttgart am 03.01.2000 mit dem Titel: „Via Europa: the multilingual review for the future managers of Europe“.4
Im Laufe des Jahres 2000 wurden die zwischenzeitlich ausgesetzten Datenlieferungen wiederaufgenommen und damit der volle Umfang der bisherigen ZDB-Dienste erreicht. Zusätzlich war Ende 2000 auch bereits eine erste Version des Online Benutzerkatalogs (OPAC) verfügbar.
In der Folgezeit ging es vor allem darum, die technische Integration zu optimieren sowie die DNB-Zeitschriften in die ZDB zu übernehmen.
Die Kooperationsvereinbarung zum Betrieb und Weiterentwicklung der ZDB wurde Ende 2001 geschlossen, also fast zwei Jahre nach dem Start des technischen Betriebs bei der DNB.
Die Kooperation von DNB und SBB wurde von Anfang an von einem gegenseitigen Vertrauen geprägt. Die DNB wuchs aus ihrer reinen Rolle als technischer Betreiber heraus und begann im Laufe der Zeit, die Zukunft der ZDB aktiv mitzugestalten. Im Jahr 2016 wurde die Vereinbarung von 2001 durch eine aktuellere Fassung ersetzt, die vor allem dem Wunsch der Partner nach einer stärkeren strategischen Beteiligung der DNB Rechnung trug und in der DNB und SBB explizit als gemeinsame Betreiber der ZDB aufgeführt wurden.
Die Integration der DNB-Daten
Über mehrere Jahre, von 2002 bis 2007, lag ein Schwerpunkt der ZDB-Aktivitäten darin, die DNB-Zeitschriftendaten in die ZDB zu integrieren. Zunächst mussten die Erschließungsabteilungen der DNB überzeugt werden, und nach Beginn des Projektes zeigte sich schnell die Komplexität der Materie. In der DNB-Zeitschriftenkatalogisierung gab es mehrere Brüche, und das Zusammenführen eines DNB-Zeitschriftentitels mit dem entsprechenden Datensatz in der ZDB war eine große Herausforderung. Die damit befassten Kolleg*innen verloren jedenfalls nicht ihren Humor, wie die nicht ganz ernst gemeinten Einträge in das „Wörterbuch des ZDB-Migrationsprojekts“5 beweisen. Hier treffen „Datensumpfgespenster“, „Uraltschmodder“, „herumhängende Daten“ und „uferlose Verknüpfungen“ auf optimistische Kreativlösungen wie „Datenmodell light“, „Datenschublade“, „Signaturenparkplatz“ und „Zeitschriftenparadies“. Mit Hilfe von „Kochrezepten = Programmvorgaben“ konnte schließlich ein großer Teil der Daten maschinell integriert werden. Was nicht maschinell übernommen wurde, wird seitdem nach und nach manuell mit maschineller Unterstützung angepasst und in die ZDB übernommen.
Die Daten
Bei der Migration der Daten nach ILTIS wurden rund 1 Million Titeldaten, rund 1 Million Körperschaftsnormsätze und 5,5 Millionen Bestandssätze übertragen. Mit Stand Januar 2022 hat sich die Anzahl der Zeitschriftentitel auf etwa 2 Millionen verdoppelt und die Anzahl der Bestandssätze mit 18,5 Millionen mehr als verdreifacht. Die Anzahl der Körperschaftssätze ist auf circa 1,7 Millionen angewachsen.
Nicht nur der Zuwachs an Daten entwickelte sich dynamisch, auch das Datenformat wurde laufend angepasst. Die wichtigsten Entwicklungen in diesem Bereich wurden durch die Internationalisierung der Standardisierung getrieben: Der Umstieg vom nationalen Austauschformat MAB auf den internationalen Standard MARC 21 im Jahr 2008 und vom nationalen Regelwerk RAK auf das internationale Regelwerk RDA im Jahr 2015. Aber auch andere wichtige Projekte wie die Originalschriftliche Katalogisierung und die ISSN-Integration brachten Anpassungen des Datenformats mit sich, die häufig auch maschinelle Anpassungen der bestehenden Daten erforderten.
Aktuell zeugen Projekte zur Integration von Open-Access-Zeitschriften sowie des Mikrofilmarchivs der deutschsprachigen Presse von der großen Bandbreite der Daten.
Das Produktportfolio
Die Online-Katalogisierung in ILTIS steht als Basisdienst seit Anfang 2000 zur Verfügung und wird seitdem laufend angepasst. Die zahlreichen Veränderungen im Datenformat, die immer weitere Anpassungen mit sich bringen, wie zum Beispiel bei der Validation, der Expansion und der Indexierung, wurden bereits erwähnt. Auch das zugrundeliegende Software-System hat sich im Laufe der Zeit gewandelt: Aus den Programmiersprachen Pascal und Fortran wurde C, aus dem Betriebssystem GUARDIAN wurde zunächst Unix, dann LINUX, aus dem eingeschränkten PICA-Zeichensatz wurde der internationale Standard UTF-8. In diesem Jahr steht der Wechsel von der proprietären Sybase-Datenbank auf die Open-Source-Datenbank PostgreSQL an.
Der für die Datenerfassung und Pflege verwendete Katalogisierungsclient unterliegt ebenfalls einer ständigen Erneuerung. Aus der DOS-Anwendung IBW wurde die WinIBW, die für die ZDB in der 3. Generation zum Einsatz kommt. Mit der 4. Generation der WinIBW sowie dem neuen, webbasierten Katalogisierungsclient CCWeb erfolgen gerade die ersten technischen Tests. Seit 2012 bietet die ZDB die formularbasierte Erfassung von Titel- und Bestandsdaten vor allem für nicht-bibliothekarische Anwender*innen an. Hier kommt der WebCat6 zum Einsatz, der Mitte 2021 einen Relaunch erfahren hat.
Den regionalen Bibliotheksverbünden und anderen interessierten Institutionen werden die ZDB-Daten über unterschiedliche Dienste zur Verfügung gestellt, um sie in eigenen Datenbanken beziehungsweise den Katalogen ihrer Bibliotheken anbieten zu können.7 Wurden hier anfangs Batchdatenlieferungen nachgefragt, erfolgt heute die Belieferung weitgehend über das OAI-Protokoll zum Metadaten-Harvesting8. Um gezielt Datensätze in Maschine-zu-Maschine-Kommunikation selektieren zu können, wurde zunächst eine Z39.50-Schnittstelle9 angeboten, die 2021 durch eine SRU-Schnittstelle10 abgelöst wurde, welche bereits seit 2008 genutzt werden kann. ZDB-Daten werden in unterschiedlichen MARC21-Varianten11 angeboten und stehen auch in verschiedenen Linked-Data-Formaten12 zur Verfügung.
Seit Beginn der ZDB-Kooperation spielte das Thema elektronische Zeitschriften und die Zusammenarbeit mit der Elektronischen Zeitschriftenbibliothek (EZB)13 eine große Rolle. Bereits 2001 wurde ein Kooperationsvertrag mit der EZB geschlossen und der gemeinsame Workflow für die Erfassung elektronischer Zeitschriften entwickelt. Es folgte dann das von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderte Projekt zur funktionalen Integration von ZDB und EZB (FIZE)14, in dem der gemeinsame Datenlieferdienst15 und der Dienst Journals Online & Print (JOP)16 entstanden sind, um eine gemeinsame Bestandsabfrage für die gedruckte und elektronische Ausgabe einer Zeitschrift zu ermöglichen. Der JOP-Service wird sehr gut genutzt und wurde erst kürzlich rundum erneuert. Aktuell wird der gemeinsame Lieferdienst auf einen neuen Stand gebracht.
Ein weiteres wichtiges Vorhaben war der neue ZDB-Katalog17, der seit September 2017 den ZDB-Anwender*innen ein modernes Design und neue Features bietet. Vor allem die Zeitleisten für Titel- und Bestandsverläufe, die grafischen Darstellungen der zahlreichen Beziehungsgeflechte in der ZDB und die Kartenfunktion bei den Bestandsangaben stellen wesentliche Neuerungen gegenüber dem früheren ZDB-OPAC dar.
Die Zukunft
Im aktuellen Kooperationsvertrag haben sich die Partner SBB und DNB folgendes Ziel gesetzt: „In Zeiten raschen technischen Wandels und daraus resultierender technischer und organisatorischer Veränderungen wollen SBB und DNB die Bedeutung der ZDB für die Literatur- und Informationsversorgung des deutschen Sprachraums und darüber hinaus bewahren, optimieren und nutzerorientiert ausbauen.“
Um auch in Zukunft das nationale Referenzsystem für gedruckte und elektronische fortlaufende Sammelwerke zu bleiben, muss die ZDB weiterhin in alle Workflows rund um Zeitschriften eingebunden sein. Dafür sind leichtgewichtige, einfach zu bedienende Prozesse erforderlich, insbesondere im Hinblick auf die neuen Cloud-Bibliothekssysteme aber auch im Hinblick auf neue Instrumente wie GOKb18 und LAS:eR19 für die Verwaltung elektronischer Ressourcen. In diesem Kontext sind 2022 zwei Vorhaben besonders interessant.
Derzeit wird die Implementierung einer Schnittstelle zur Übernahme von bisher nicht in der ZDB vorhandenen Titeldaten von E-Journal-Paketen aus der GOKb konzipiert. Dieses Vorhaben ist ein wichtiger Meilenstein hin zu einer Öffnung für neue Instrumente.
Das aktuell laufende gemeinsame Projekt mit OCLC zum Import der ZDB-Daten in den WorldCat, das zu einem vollständigen, korrekten und dublettenfreien Nachweis der ZDB als „Normdatei“ für Zeitschriften-Titel in deutscher Katalogisierungssprache im WorldCat führen soll, wird dazu beitragen, dass die ZDB im Cloud-System von OCLC anwenderfreundlich nutzbar sein wird.
Die genannten Vorhaben geben allen Anlass zum Optimismus, dass die ZDB auch in Zukunft ein wichtiger Bestandteil der bibliothekarischen Informationsinfrastruktur sein wird.
Anmerkungen
1 Vgl. Artikel von Hans-Jörg Lieder
2 Aus diesen drei Normdateien entstand später die GND.
3 PICA: Niederländische Stiftung, die 2007 vollständig von OCLC (https://www.oclc.org/de/) übernommen wurde.
4 Siehe https://zdb-katalog.de/title.xhtml?zdbid=2000001-7
5 Bereitgestellt und archiviert von Susanne Jacobi, Deutsche Nationalbibliothek
6 https://zeitschriftendatenbank.de//erschliessung/webcat/
7 https://www.dnb.de/DE/Professionell/Metadatendienste/Metadaten/ZDB/zdb_node.html
8 https://www.openarchives.org/pmh/
9 https://www.loc.gov/z3950/agency/
10 https://www.loc.gov/standards/sru/index.html
11 https://www.loc.gov/marc/marcdocz.html
12 https://www.dnb.de/DE/Professionell/Metadatendienste/Datenbezug/LDS/lds_node.html
13 https://ezb.uni-regensburg.de/
14 https://zeitschriftendatenbank.de/ueber-uns/projekte/fize
15 https://zeitschriftendatenbank.de/services/datendienste#c94539
16 https://zeitschriftendatenbank.de/services/journals-online-print
18 https://gokb.org/de/index.html
19 https://www.hbz-nrw.de/produkte/digitale-inhalte/las-er