Porträts aus der Buchhandelsgeschichte

1. April 2025
von Carola Staniek

Zwei Sammlungen und vier Sammler. Zur Herkunftsgeschichte druckgrafischer Porträts

Über 4.000 druckgrafische Bildnisse von Druckern, Verlegern, Buchhändlern und Künstlern gehören zu den herausragenden Bildquellen im Deutschen Buch- und Schriftmuseum und stellen mit ihrem buchgeschichtlichen Bezug eine einzigartige Sammlung in Deutschland dar. Zusammengetragen werden sie von vier Persönlichkeiten, die dem Buch- und Kunsthandel auf besondere Weise verbunden sind: Albrecht Kirchhoff, Heinrich Lempertz, Heinrich Hermann und Georg Müller.

Auf Druckgrafiken sind – anders als in Büchern – eher selten handschriftliche und gestempelte Eigentumsnachweise ihrer Besitzer*innen zu entdecken. Auch eine mangelhafte oder fehlende Dokumentation der Blätter erschwert häufig das Nachverfolgen des zeitlichen, funktionalen und persönlichen Rahmens ihrer Zusammenstellung.

Im Bestand der Bibliothek des Börsenvereins der Deutschen Buchhändler zu Leipzig, der heute im Buchmuseum seine Zusammenführung und Heimstätte gefunden hat, gibt es zwei umfangreiche druckgrafische Bildnissammlungen: die sogenannte Buchhändler-Porträtsammlung sowie die Georg-Müller-Stiftung.

Die über 4.000 druckgrafischen Bildnisse der Buchhändler-Porträtsammlung werden nachweislich bis heute immer wieder als Bildquellen für Ausstellungen und als Illustrationsvorlagen für Publikationen genutzt. Als im Jahr 1959 die Übernahme der Leipziger Börsenvereinsbibliothek durch das Buchmuseum erfolgt, ist zur Herkunft der Sammlungen wenig bekannt. So sind die Zugangsbücher der Börsenvereinsbibliothek nur lückenhaft überliefert, und manche der Einträge sind derart knapp gehalten, dass sie eine eindeutige Zuordnung zum Objekt überhaupt nicht oder nur vage ermöglichen. Ein aus den 1920er-Jahren zu den Sammlungen überlieferter handschriftlicher Zettelkatalog kann ebenfalls nur spärlich Auskunft über die Porträts geben, die dort nur unvollständig und ohne Hinweis auf die Herkunft der Blätter nachgewiesen sind.

Porträt des Verlegers und Druckers Johann Gottlob Immanuel Breitkopf (1719-1794), Kupferstich von Johann Samuel Ludwig Halle, 1793.
Repro: DNB

Die aufschlussreichsten historischen Informationen sind den Berichten der Börsenvereinsbibliothekare zu entnehmen, die regelmäßig im Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel erscheinen. Demnach schenkt Albrecht Kirchhoff (1827–1902), der von 1861 bis 1869 als erster Bibliothekar des Börsenvereins wesentliche Grundlagen derselben legt, der Bibliothek seine umfangreiche buchgeschichtliche Sammlung: darunter 952 druckgrafische Porträts.1 Bereits ein Jahr darauf – so einem weiteren Bericht zufolge – erwirbt der Börsenverein die Privatsammlung des Kölner Antiquars Heinrich Lempertz (1816–1898),2 die ebenso druckgrafische Porträts zur Buchgeschichte enthält. Die mit 2.000 Bildnissen umfangreichste Sammlung berühmter Buchhändler und Buchdrucker steuert anlässlich der Eröffnung des Deutschen Buchhändlerhauses im Jahr 1888 der Leipziger Buchhändler Heinrich Hermann (ca. 1843–1904) bei.3 Auf das Geschenk von Heinrich Hermann verweist ein spärlicher Eintrag im Accessions-Journal der Bibliothek des Börsenvereins unter dem 20. Dezember 1887: Buchhändler-Porträts in 14 Mappen nebst Verzeichnis.

Zunächst bewahrt man die grafischen Blätter wie durch ihre Sammler überliefert, also geschlossen nach ihrer Herkunft, auf. Um den Zugriff auf die einzelnen Porträts und damit deren gezielte Nutzung zu erleichtern, werden im Jahr 1900 die Porträtsammlungen physisch vereint, das heißt alphabetisch nach dem Namen der Dargestellten sortiert und auf Kartons montiert. Mit diesem Vorgehen geht keine weitere Kennzeichnung oder Dokumentation einher, was die Provenienzzuschreibungen bis heute nahezu unmöglich macht. Lediglich der Börsenvereinsbibliothekar und Antiquar Albrecht Kirchhoff listet seine Sammlung in einem Heft handschriftlich auf,4 was für einzelne Blätter eine vage Zuschreibung ermöglicht. Für die Lempertzsche Bildnissammlung können nur in wenigen Fällen Provenienzen belegt werden. Eine Erschließungslücke, die auch für die Sammlung von Heinrich Hermann und dessen verloren gegangenes Verzeichnis zutrifft, welches noch im Accessions-Journal 1887 Erwähnung findet.

Original-Mappen der Georg-Müller-Stiftung
Foto: DNB / Christine Hartmann

Georg Müller (1857–1921) ist akribischer Sammler und Stifter zugleich.5 Er lässt sich bei Übergabe seiner Sammlung im Jahr 1921 vom Börsenverein vertraglich zusichern, dass diese in sich geschlossen und mit seinem Namen verbunden aufbewahrt wird. Dazu zählen über 1.200 historische Dokumente mit über 600 Bildnissen. Ein Markenzeichen: Müller montiert seine grafischen Blätter auf Kartons, kombiniert sie wie auf einem Tableau teils mit Briefen der Abgebildeten und beschriftet sie sorgfältig. Das Ganze erfährt seine systematische Ordnung unter den Schlagworten Buchhandel, Buchkunst und Graphiker  in 14 mit Buntpapier bezogenen Mappen. Besonders aufschlussreich bleiben seine Notizen, wann und wo er einzelne Blätter erwirbt – womöglich eine Fährte, die der unermüdliche Sammler Georg Müller zur eigenen Tätigkeit über seine Lebenszeit hinausschauend legen will.

Somit sind die Provenienzen der Sammlung von Georg Müller klar, jene von Albrecht Kirchhoff nur vage zuschreibbar. Eine tiefer gehende Betrachtung der Sammlungen von Heinrich Lempertz und Heinrich Hermann ist hingegen nach beschriebener Ausgangslage kaum mehr möglich. Wenn aus diesen Sammlungskonvoluten wie beispielsweise im Hinblick auf das Porträt von Franz Dübyen dann doch etwas herauszufiltern ist, sind es Widmungen auf den Sammler – so »Herrn Heinrich Lempertz zum Namenstage 1853 von J. J. Merlo« –, die im Erschließungsprozess zu lesen und in neuen Nachweissystemen festzuhalten bleiben.

Porträt des Verlegers Albert Brockhaus (1855-1921), Mitinhaber von F. A. Brockhaus in Leipzig, in seinem Büro, Fotografie von Nicola Perscheid, Leipzig, 1905.
Repro: DNB

Dieser Beitrag ist ein Kapitel aus der Publikation „Tiefenbohrung. Eine andere Provenienzgeschichte“. Infos zum Gesamtprojekt zur Provenienzgeschichte des Deutschen Buch- und Schriftmuseums sind hier zu finden: dnb.de/tiefenbohrung

Carola Staniek

Carola Staniek ist Leiterin der Sammlung Archivalien und Dokumente zur Buchgeschichte im Deutschen Buch- und Schriftmuseum.


  1. Friedrich Hermann Meyer, »Bericht über die Bibliothek des Börsenvereins der Deutschen Buchhändler, den Zeitraum von Anfang April 1875 bis Ende März 1876 umfassend«, in: Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel, 43, Nr. 95, 1876, S. 1481. ↩︎
  2. Ders., »Bericht über die Bibliothek des Börsenvereins der Deutschen Buchhändler, den Zeitraum von Anfang April 1876 bis Ende März 1877 umfassend«, in: Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel, 44, Nr. 89, 1877, S. 1438. ↩︎
  3. Ders., »Bericht über die Bibliothek des Börsenvereins der Deutschen Buchhändler, den Zeitraum von Anfang März 1887 bis Ende Februar 1888 umfassend«, in: Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel, 55, Nr. 83, 1888, S. 1817. ↩︎
  4. Albrecht Kirchhoff, Portraite: Verzeichnis seiner Sammlung von Buchhändler-Porträts. Leipzig o. J. (um 1860), DBSM, Bö H 140. ↩︎
  5. Carola Staniek und Katrin Teichmann, »Das Sammeln ist des Müllers Lust: Georg Müller (1857–1921), Sammler und Kunstantiquar in Leipzig und Meran«, in: Leipziger Blätter, H. 48, 2006, S. 12–13. ↩︎
*Nachweis Beitragsbild auf der Startseite:Foto: DNB, Christine Hartmann

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