Schreibmaschine für 6.000 Zeichen
Das Deutsche Buch- und Schriftmuseum sammelt seit seiner Gründung im Jahr 1884 nicht nur Objekte der europäischen Schrift- und Buchgeschichte. So gibt es aus anderen Kulturen der Erde zum Beispiel Palmblattbücher, Hieroglyphentexte, Rollsiegel und chinesische Stempel. China ist für die Erfindung des Papiers und auch die Entwicklung der Kalligraphie bekannt.
Ausgefallene Technik
Die Kulturhistorische Sammlung hat eine Reihe von Schreibmaschinen aus dem vergangenen Jahrhundert in ihrem Bestand. Neben den verbreitetsten Techniken per Typenhebel gibt es auch eine Anzahl Maschinen mit ziemlich ausgefallenen Techniken.
Am meisten überrascht die spezielle Technik der chinesischen Schreibmaschine. Um mehrere Tausend Zeichen der chinesischen Schrift abzubilden, arbeitet die Maschine im Setzkastensystem. Aus einem ausgewähltem Zeichenvorrat im Setzkasten hebt eine Anschlagvorrichtung die jeweilige Art Type heraus und schlägt sie an. Durch Erweiterungskästen ist ein umfassendes Zeichen-Repertoire mit einer Schreibmaschine möglich.
Made in Erfurt
Entwickelt wurde diese Technologie im Schreibmaschinenwerk Optima in Erfurt in den 1950er Jahren. Sie entstand im Rahmen der sozialistischen Wirtschaftshilfe zwischen der Volksrepublik China und der DDR. Diese Art Maschine wurde ab 1964 nur noch in Schanghai gebaut.
Eine Kooperation der Sinologie der Universität Leipzig mit dem Deutschen Buch- und Schriftmuseum ergab Verbindungen zur Universität in Bonn. Der dort arbeitende Professor Dr. Ralph Kauz überbrachte uns die chinesische Schreibmaschine „Doppelte Taube“, hergestellt in Schanghai. Verbreitet war sie in der Zeit vor der Computertechnik, als solche Maschinen in ganz China zum mechanischen Schreiben im Gebrauch waren.
6.000 Zeichen
Die Maschine hat einen Grundkasten mit fast 2.500 Zeichen und ist durch Ergänzungskästen erweiterbar bis zu 6.000 chinesischen Schriftzeichen In den Kästen lagern die Schriftzeichen wie Typen mit dem Schriftbild sichtbar nach oben. Wenn mit der Maschine geschrieben wird, fährt ein beweglicher Wagen über dem Schriftkasten an die jeweilige Position zu der Type. Sie wird herausgehoben, angeschlagen und wieder zurückgesetzt. Mit dem nächsten Zeichen wird genauso verfahren.
Das Deutsche Buch- und Schriftmuseum nimmt diese Maschine gern in seine Bestände auf. Damit kann auch diese Schreibmaschinentechnik aus Fernost in unserem Museum gezeigt werden. Interessant ist auch die Verbindung aus China nach Erfurt in das Schreibmaschinenwerk und wieder zurück nach Schanghai.
Wir danken den Kolleg*innen der Universität Leipzig und besonders Herrn Professor Kauz von der Universität Bonn für die Vermittlung und persönliche Überbringung der Schreibmaschine.
Mehr Infos zur Doppelten Taube:
- Literaturtipp:
Mullaney, Tomas S.: The Chinese Typewriter, Cambridge / London, 2017 (http://d-nb.info/1185079467) - Handbuch zur Doppelten Taube:
Wolfgang Hohensee
Wolfgang Hohensee ist Leiter der Kulturhistorischen Sammlung im Deutschen Buch- und Schriftmuseum.