An der Schnittstelle von Forschung und GLAM
Ergebnisse des Workshops der HERMES-Transferwerkstatt
Am 28./29. Oktober war der Sonderforschungsbereich (SFB) „Transformation des Populären“ aus Siegen zu Gast an der Deutschen Nationalbibliothek in Frankfurt. Anlass war der dritte diesjährige Workshop des BMBF-geförderten Datenkompetenzzentrums HERMES, den die DNB zusammen mit dem Herder-Institut für historische Ostmitteleuropaforschung durchgeführt hat. Ziel war es, den Bedarf zu identifizieren, den die Forschung an eine forschungsunterstützende Einrichtung hat, um angemessene Dienstleistungen für Wissenschaft und Forschung anbieten zu können.
Der Workshop war Teil der HERMES-Transferwerkstatt, die Akteure aus Bibliotheken, Archiven und Museen (dem GLAM-Bereich = Galleries, Libraries, Archives, and Museums) mit Akteuren aus den Ausbildungseinrichtungen und der Forschung zusammenbringt. Wir wollen mehr darüber erfahren, welche neuen Berufsbilder der digitale Wandel mit sich bringt und welche Kompetenzen im Umgang mit Kulturdaten zukünftig benötigt werden. Dazu sind insgesamt sieben Workshops vorgesehen, von denen drei bereits stattgefunden haben.
Der Initiationsworkshop der HERMES-Transferwerkstatt fand am Herder-Institut in Marburg statt, geladen waren ausgewählte Personen aus der Ausbildung für Bibliotheken, Archive und Museen. Der nächste Workshop, der ebenfalls in Marburg stattfand, hatte GLAM-Einrichtungen zu Gast, die sich in größerem Umfang Projekten der Digital Humanities widmen. Mit dem SFB haben wir den Austausch mit der Forschung gesucht und das Workshop-Programm für dieses Jahr erfolgreich beendet.
Im Gespräch mit dem SFB wurde sehr schnell die andere Sichtweise auf das weite Feld der Datenkompetenz deutlich, die stark von dem abwich, wie Infrastruktureinrichtungen das Thema sehen. Ganz so, als würden Forschung und Kulturerbeeinrichtungen unterschiedliche Sprachen sprechen, lässt sich eine grundlegende Erkenntnis des Workshops mit einem Wort zusammenfassen: Übersetzung.
Die Übersetzungsfunktion üben jene neuen Berufsbilder aus, um die es der HERMES-Transferwerkstatt besonders geht. Sie werden als Data Stewards, Data Librarians oder Embedded Librarians bezeichnet und bilden die Brücke zwischen Forschung und Datengebern. Sie beschaffen die benötigten Daten, bereiten sie auf und geben Hinweise zu Tools und Werkzeugen. Da sie mit jedem Schritt die Daten verändern und damit auch das Ergebnis der Auswertung beeinflussen, ist ein enges Zusammenarbeiten mit der Forschergruppe unumgänglich – so eng gar, dass auf dem Workshop die Ansicht vertreten wurde, ein Data Steward müsse im besonderen Maße eine fachwissenschaftliche Ausbildung besitzen.
Spezialisierung und Generalisierung sind zwei Gegensätze, die in der Forschungsunterstützung immer wieder Thema sind. Kommt ein Data Steward aus der Bibliothek, wird er durch seine hohe Datenkompetenz vornehmlich generische Dienstleistungen anbieten, die auch in anderen Fällen Anwendung finden können. Die Forschung hingegen möchte in erster Linie jemanden, der – um im Bild der Übersetzung zu bleiben – „ihre Sprache spricht“, also einen fachwissenschaftlichen Hintergrund besitzt, und auf den Spezialbedarf eingehen kann.
Die unterschiedlichen Anforderungen spiegeln sich auch in den Kompetenzen wider. In der bibliothekarischen Ausbildung – das hatte der erste Workshop gezeigt – ist die theoretische Durchdringung des Feldes der Datenkompetenz sehr hoch, etwa im Forschungsdatenmanagement. Datenlebenszyklus, Langzeitarchivierung oder Datenmanagementpläne gehören zu jenen Expertisen, die sich in generische Dienstleistungen umwandeln lassen. Die Forschung hingegen ist auf die praktische Anwendbarkeit fokussiert und auf flexible Fähigkeiten angewiesen. Zum Zeitpunkt von Ausschreibungen stünde häufig nicht fest, welche konkreten Expertisen benötigt würden, das zeige sich erst im Projektverlauf.
Solche Herangehensweisen verkomplizieren eine standardisierte Vermittlung von Datenkompetenzen in der Ausbildung, zeigen aber auch, dass sie nicht auf forschungsunterstützende Berufsfelder des GLAM-Sektors beschränkt sind. Um die Übersetzung der unterschiedlichen Sprachen zu gewährleisten, ist es unabdingbar, dass nicht nur die Forschungsunterstützung die Fachsprache versteht, sondern auch, dass sich die Fachwissenschaft in der Forschungsunterstützungssprache ausdrücken kann. Sie muss einschätzen können, ob ihre Anforderungen realistisch und umsetzbar sind: Was kann mit welchem Aufwand geleistet werden?
Das hat Auswirkungen auf die Ausbildung und die Vermittlung von Datenkompetenzen. In welcher Phase der Qualifizierung die Kompetenzen erworben werden sollten, gehört zu den Fragen, die auch für HERMES interessant sind. Eine Vermittlung von Datenkompetenz im fachlichen Grundstudium käme den Anforderungen des SFB entgegen, dass auch Data Stewards fachliche Kenntnisse benötigten – oder anders ausgedrückt: Benötigt fachwissenschaftliches Personal, das in Datenkompetenzen fortgebildet ist.
Die verschiedenen Ansichten, wie sich Forschungsunterstützung organisieren und erweitern lässt und wie sich Datenkompetenzen vermitteln lassen, wird die HERMES-Transferwerkstatt auch in ihren Workshops des kommenden Jahres beschäftigen. Der Austausch zwischen der DNB und dem SFB hat sich für beide Seiten als fruchtbar erwiesen: Die DNB hat einen tieferen Einblick in die Forschung erhalten und der SFB ein besseres Verständnis über die Arbeit an der DNB.