Baukran kappt Laserverbindung zum Rechenzentrum

24. März 2023
von Bernd Althaus, Thomas Seidel

Bis zum Umzug 1996/1997 in den Neubau an der Adickesallee 1 war in Frankfurt am Main das Rechenzentrum noch räumlich vom Hauptgebäude der Bibliothek getrennt. Das Rechenzentrum befand sich in einem Bürogebäude in einer Seitenstraße der Leipziger Straße mit dem schönen Namen „Am Weingarten“. Dort waren im Erdgeschoss die Großrechner des Bibliothekssystems untergebracht, in den beiden darüber liegenden Stockwerken lagen die Büros der Bereiche Softwareentwicklung und Rechenzentrumsadministration.

Symbolbild: Optisches Richtfunksystem RONJA
Foto: pvfree.net, CC BY-SA 3.0

Das Hauptgebäude und das Rechenzentrum waren durch ca. 550 Meter Luftlinie getrennt. Zur datenübertragungstechnischen Überbrückung dieser Distanz kam eine Laserverbindung zum Einsatz. Dafür hatte die DNB auf den Dächern beider Gebäude entsprechende Übertragungskomponenten eigenhändig installiert. Der Datendurchsatz lag bei ca. einem Megabyte pro Sekunde, deutlich mehr und kostengünstiger als eine Standleitung.

Als wesentliche Vorteile dieser Datenübertragungstechnik werden im Wikipedia-Beitrag „Optischer Richtfunk“1 u.a. lizenzfreier Betrieb, Datensicherheit, hoher Datendurchsatz und gute elektromagnetische Verträglichkeit angegeben. Es wird aber auch darauf hingewiesen, dass „die Freiraum-Datenübertragung mit Licht […] freie Sicht zwischen Sender und Empfänger“ erfordert.

Anwendungsbeispiel für optischen Richtfunk
Anwendungsbeispiel für optischen Richtfunk, Bild: Webmaster_2010 (Klaus Lischewski), CC BY SA 3.0 DE

Diese freie Sicht wurde an einem Tag jäh unterbrochen, als auf einer Baustelle ein Baukran seinen Kranausleger direkt in die Laserverbindung schwenkte. Die Baustelle lag ungefähr in der Mitte der Strecke, so dass die Fehlersuche einige Zeit benötigte und erst ein Besuch auf dem Dach den wahren Grund offenbarte.

Der anstehende Besuch der Baustelle musste entsprechend vorbereitet werden. Der Zusammenhang zwischen einem Kranausleger und einer unsichtbaren Datenübertragungsstrecke war zu Beginn der 1990er Jahre sicherlich nicht einfach zu vermitteln („Laser… was?“). Vorschläge, einfach die Leistung des Lasers zu erhöhen und den Kranausleger dadurch abzuschmelzen, wurden verworfen. Letztendlich traf einer der Autoren dieser Zeilen mit einem Stadtplan bewaffnet auf einen verständnisvollen Polier, der pragmatisch mit einem „Ach dann fahre mer den Kran ebbe en bissi runner“ das Problem schnell aus der Welt schaffte.

Neben Baukränen waren noch Nebel, Schnee und starker Regen weitere Herausforderungen dieser Lösung. Mit den fallenden Preisen für Standleitungen und dem Umzug in den Neubau wurde das Thema allerdings bald Geschichte.

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1 https://de.wikipedia.org/wiki/Optischer_Richtfunk

*Nachweis Beitragsbild auf der Startseite:Webmaster_2010 (Klaus Lischewski), CC BY Sa 3.0 DE

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