Das Bundesarchiv on Tour
Er fällt einem sofort auf, der quadratische Kubus, der derzeit in der Rotunde der Deutschen Nationalbibliothek in Frankfurt am Main präsentiert wird. In dem Würfel verbirgt sich die Tourneeausstellung „Geschichte und Erinnerung – Das Bundesarchiv“. Doch bevor Neugierige den eher dunkel anmutenden Innenraum erkunden, sollten sie zunächst eine Runde um den Kubus gehen. Denn an den Wänden befinden sich sechs kleine Gucklöcher, aus denen Besucherinnen erfahren, was ein Roboter im Archiv macht oder was Archivare kassieren – das ist spannend und unterhaltsam zugleich.
Ab in den Kubus
Im Innern des Kubus befinden sich ein Großbildschirm und vier inhaltlich aufeinander abgestimmte Medienstationen mit modernen Touchbildschirmen und Kopfhörern, die natürlich Corona-konform mit Touchpen und Kopfhörerüberzügen benutzt werden sollten. Die Entdeckungsreise in das größte Archiv der Bundesrepublik beginnt mit dem 20-minütigen Einführungsfilm, der einen berührenden, ersten Zugang zur Tätigkeit des Bundesarchivs bietet und durch eine geschickte Bildsprache und kurzweilige Erzählweise auf die Ausstellungsinhalte neugierig macht.
Danach können sich die Besucher*innen den Texten, Bildern, Interviewbeiträgen und Filmsequenzen in den vier Medienstationen widmen. Diese vermitteln anschaulich, welche Grundwerte die Arbeit und das Selbstverständnis des Bundesarchivs maßgeblich bestimmen: Verantwortung, Vertrauen, Verlässlichkeit und Offenheit.
Vier Grundwerte – was bedeutet das?
Durch die im Bundesarchiv überlieferten und dauerhaft gesicherten historischen Quellen eröffnet sich die Chance, die Geschichte zu befragen und Vergangenes wie Gewordenes einzuordnen. Denn um dem Selbstverständnis als demokratische und rechtsstaatliche Gesellschaft gerecht zu werden, muss die eigene Position reflektiert, vergangenes Handeln nachvollzogen und müssen Deutungen überprüft werden können. In der beständigen und verlässlichen Erfüllung des Auftrags der Sicherung und Zugänglichmachung historischer Dokumente bietet das Bundesarchiv Orientierung und schafft Vertrauen.
Ausstellungsinhalte: Was ist denn drin, im Kubus?
Wie vielfältig, speziell oder auch routiniert die Aufgaben im Bundesarchiv sind, erfahren Besucher*innen ebenfalls in der multimedialen, interaktiven Ausstellung. Da gibt es kurze Filmclips, die viele unerwartete „Blicke hinter die Kulissen“ ermöglichen – es ist faszinierend, auf diese Weise in Magazine, Werkstätten oder Arbeitsräume zu schauen. Oder Interviews mit Beschäftigten verschiedener Abteilungen des Bundesarchivs, die ihre tägliche Arbeit anschaulich erläutern. Es macht Freude, ihnen zuzuhören und zuzusehen, denn die Begeisterung für ihre Arbeit ist deutlich spürbar.
Natürlich kommen nicht nur die Beschäftigten zu Wort. Auch die sorgsam aufbereiteten und kommentierten Quellen „sprechen“ und berichten zum Beispiel von den dramatischen Ereignissen im „Deutschen Herbst“ 1977, vom mutigen Weg vom Mauerfall 1989 bis zur Deutschen Einheit 1990, von leidvollen persönlichen Schicksalen in der DDR-Diktatur oder vom Wandel des Frauenbildes in der Weimarer Republik. Das Eintauchen in die Geschichte(n) erfordert zwar etwas Zeit, diese sollte man sich aber unbedingt nehmen.
Das gilt auch für die interaktiven und unterhaltsamen Spielangebote. So gibt es Angebote für alle, die ihr Verständnis archivfachlicher Begriffe testen, Handschriften bekannter Personen erraten oder sich im Puzzeln von historischen Dokumenten üben wollen. Wer lieber entspannen mag, genießt spannende und unterhaltsame Fotos in der „Galerie der Fundstücke“.
Neue Wege?!
Multimedial und interaktiv – mit dieser Tourneeausstellung hat das Bundesarchiv gewohnte Ausstellungspfade verlassen und sich bewusst auf die Besuchenden zubewegt. Mit Erfolg, denn die Tourneeausstellung wird vom 17. Juni 2021 bis 10. Oktober 2022 an 25 verschiedenen Standorten bundesweit gezeigt.
Anlass für diese Tourneeausstellung war der Übergang des Stasi-Unterlagen-Archivs in den Zuständigkeitsbereich des Bundesarchivs am 17. Juni 2021. An diesem Abend wurde die Tourneeausstellung auch zeitgleich in den Städten Cottbus, München, Rostock und Koblenz – dem Hauptdienstsitz des Bundesarchivs – via Live-Stream eröffnet.
Die Tourneeausstellung ist in Zusammenarbeit mit den Kolleg*innen des Stasi-Unterlagen-Archivs entstanden. Die Firma musealis GmbH hat die Tourneeausstellung kuratiert, umgesetzt und gestaltet. Sie betreut auch den Auf- und Abbau an den Ausstellungsstandorten.
Die Ausstellung wird in Frankfurt in Kooperation mit dem Deutschen Exilarchiv 1933–1945 der Deutschen Nationalbibliothek bis zum 21. April 2022 gezeigt. Eine schöne Kooperation, denn auch für das Exilarchiv ist die Frage zentral, wie Archivalien – in diesem Fall Zeugnisse des Exils 1933–1945 – für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht und in der Erinnerungskultur verankert werden können.