E. Berliner’s Grammophon

16. März 2022
von Ruprecht Langer

Historische Tonträger im Deutschen Musikarchiv – Teil 1

Das Deutsche Musikarchiv der Deutschen Nationalbibliothek sammelt nicht nur sämtliche aktuell in Deutschland veröffentlichten Medien, es verfügt auch über eine beeindruckende Sammlung historischer Tonträger. Einige der wichtigsten, interessantesten und zum Teil kuriosesten Exemplare sollen in dieser Reihe näher beleuchtet werden.

Mit der Erfindung von Wachswalzen wird das Zeitalter der Schallaufzeichnung und -wiedergabe eingeläutet. Thomas Alva Edison (1847–1931) hat dabei viel Pionierarbeit geleistet. Doch bereits kurze Zeit nach der Veröffentlichung des Patents seines Phonographen 1877 beginnen Denker und Tüftler, das Verfahren zu optimieren. Einfacher soll das Aufzeichnen und Abspielen werden, haltbarer die Tonträger, länger die Spieldauer, billiger der Aufnahmeprozess und besser das Hörerlebnis. Während Edison bis nach der Jahrhundertwende weiter an seinen Tonwalzen arbeitete, patentierte der Hannoveraner Industrielle Emil1 Berliner (1851–1929) 1887 – also zehn Jahre nach Edison – ein Verfahren, welches das spiralförmige Eingravieren einer Tonspur in eine runde Scheibe beschreibt: Die Geburtsstunde der Schallplatte.

Portrait Emil Berliner (1851-1929)
Emil Berliner (1851–1929); CC0

Wie Edison für seine Tonwalzen, so betrieb auch Berliner umfangreiche materialkundliche Studien, um einen Tonträger herstellen zu können, der einfach zu bespielen und gut zu reproduzieren war, und gleichzeitig bei hoher Beständigkeit ein gutes Klangergebnis lieferte.

Berliners erste wiedergabefähigen Schallplatten entstanden um 1888 und bestehen aus Zink. Seitdem wurde über Jahrzehnte hinweg mit verschiedenen Materialien experimentiert, um Tonträger haltbar und nicht zu schwer werden zu lassen. Was in welchen Kombinationen für Kern und Beschichtung getestet und wieder verworfen wurden, darüber ist wenig bekannt. Aber die Bandbreite der tatsächlich in der Produktion verwendeten Materialien gibt einen Eindruck von der Kreativität und dem Pragmatismus der vielen großen und kleinen Labels, die im frühen 20. Jahrhundert auftauchten und wieder verschwanden: Zu Beginn der Ära finden sich Beschichtungen aus Stanniolfolie und Zelluloid, später auch aus Kunststoff, Hartwachs und bekanntermaßen Schellack. Als Kern wurden unter anderem Pferdehaare, Beton, Wachs, Pappe, Gesteinsmehl, Ruß und Metall genutzt.

Doch bevor die Materialvielfalt der Schallplatten solch bunte Blüten trieb, traf Emil Berliner 1889 zunächst die Entscheidung, dass Hartgummi günstige Eigenschaften aufweise, um seine Anforderungen an eine Schallplatte zu erfüllen. Mit diesen Schallplatten leitete Berliner die erste Serienproduktion ein.

Der älteste Tonträger in der Sammlung des Deutschen Musikarchivs ist eine dieser Hartgummi-Schallplatten. Sie misst 13 Zentimeter und trägt die Aufschrift „E. Berliner’s Grammophon“.2 Im Katalog ist sie hier zu finden: https://d-nb.info/38039734X. Aufgenommen wurde sie mit 92 Umdrehungen pro Minute. Wie bei allen Tonträgern aus der Frühzeit der Schallplatten-Ära bleiben auch hier viele Fragen zur Entstehung und Provenienz offen und etwaige Antworten vage. Es scheint sich um die Erstpressung einer Sprechplatte zu handeln, auf der (vermutlich) Emil Berliner selbst mit dem Gedicht „Thou knowst my pretty damsel“ zu hören ist. Der Text ist auf der Rückseite der einseitig gepressten Platte aufgeklebt. Größe und Material der Tonträger-Inkunabel lassen den Schluss zu, dass Berliner sie vor 1898 gepresst hat. Vermutlich entstand sie um 1895, zwei Jahre nachdem Berliner erstmals eine Lösung entwickelt hatte, Schallplatten mit Hilfe von Matrizen reproduzierbar zu machen. Die Aufnahme selbst ist vermutlich bereits 1890 entstanden.

Vorder- und Rückseite einer historischen Schallplatte aus Hartgummi
„Thou knowst my pretty damsel“: Vorder- und Rückseite der ältesten Schallplatte im Deutschen Musikarchiv (E. Berliner’s Grammophon, ca. 1895). Foto: DNB; CC-BY-SA 3.0 DE

Der Tonmeister des Deutschen Musikarchivs hat diese Schallplatte digitalisiert. Aufgrund ihres Alters ist es uns möglich, das Digitalisat über unseren Katalog online frei zugänglich zu machen. Hier können Sie die 43 Sekunden lange Aufnahme anhören.

1898 gründete Emil Berliner gemeinsam mit seinem Bruder Josef in Hannover die Deutsche Grammophon-Gesellschaft, die 1900 in eine Aktiengesellschaft (Deutsche Grammophon AG) umgewandelt wurde. Über Umwege fusionierte die Deutsche Grammophon 1972 zum Tonträgerproduzenten PolyGram, das 1998 in der Universal Music Group aufging.

Universal führt die Marke „Deutsche Grammophon“ bis heute. Und so genießt Emil Berliner den Ruf, das älteste existierende sowie – abhängig von den angelegten Kriterien – das erfolgreichste Musiklabel der Welt geschaffen zu haben.


1 Ebenfalls verbreitete Schreibweise: Emile

2 Sehr viel gebräuchlicher ist die englische Schreibweise „E. Berliner’s Gramophone“

*Nachweis Beitragsbild auf der Startseite:Foto: DNB; CC-BY-SA 3.0 DE

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