Ein Jahr Stiftung Orte der dt. Demokratiegeschichte

8. November 2024
von David Barth und Pia Herzan

Vor etwa einem Jahr hat die Stiftung Orte der deutschen Demokratiegeschichte ihre Räume in der Deutschen Nationalbibliothek in Frankfurt am Main bezogen. Es ist zugleich auch das erste Jahr, in dem die Stiftung operativ und fördernd tätig war.

Unser vorrangiges Ziel ist es, die Auseinandersetzung in Gesellschaft, Bildungseinrichtungen sowie Wissenschaft und dadurch des Einzelnen mit der wechselvollen deutschen Demokratiegeschichte seit dem ausgehenden 18. Jahrhundert bis in die Gegenwart zu fördern. Auf diese Weise vermitteln wir sowohl die Bedeutung als auch den Wert dieser vielfältigen historischen, demokratischen Traditionen für eine freiheitlich-demokratische Grundordnung und tragen so zu einem funktionierenden, stabilen und gerechten Gemeinwesen breitenwirksam bei, das fest in der Zivilgesellschaft verankert ist. Dies tun wir mit der festen Überzeugung, dass die Beschäftigung mit den Prozessen, Personen und Ereignissen unserer Freiheits-, Parlaments- und Verfassungsgeschichte einen wichtigen Beitrag zur aktuellen Demokratiebildung und -vermittlung leisten.

Pressegespräch der Stiftung Orte der deutschen Demokratiegeschichte an einem zentralen Ort der deutschen Demokratiegeschichte: Der Deutschen Nationalbibliothek

Am Montag, den 28. Oktober 2024, hat sich die Stiftung bei ihrem ersten Pressegespräch der Öffentlichkeit präsentiert, Bilanz gezogen und vor allem gezeigt, was und mit wem sie alles im vergangenen Jahr etwas auf die Beine gestellt hat.

Im Förderzeitraum 2024/2025 unterstützt die Stiftung insgesamt 88 Projekte und Kooperationen mit rund 3,9 Millionen Euro, darunter rund 60 Förderprojekte der historisch-politischen und kulturellen Bildungs- und Vermittlungsarbeit aus nahezu allen Bundesländern in vielfältigen Formaten: von analogen und virtuellen Ausstellungen, Podcasts, Podiumsdiskussionen, Serious Games über Thementouren, Theaterstücke, Festivals bis hin zu künstlerischen Projekten.

Spitzenreiter bei der Projektförderung war Sachsen mit 11 Projekten, von denen sich im 35. Jubiläumsjahr des Mauerfalls ein großer Teil mit den Themen Widerstand in der DDR und Friedliche Revolution befassen. Danach folgen Rheinland-Pfalz (8), Hessen und Berlin (je 7), Baden-Württemberg und Thüringen (je 5). Die Stiftung bereitet derzeit ihren zweiten Förderaufruf für das Jahr 2025 vor, der voraussichtlich Ende des Jahres veröffentlicht wird.

FÖRDERN. VERMITTELN. VERNETZEN in herausfordernden Zeiten – Stimmen des Pressegesprächs

Dr. Kai-Michael Sprenger, Direktor der Stiftung Orte der deutschen Demokratiegeschichte, Foto: Alexander Paul Englert

„Die aktuellen Herausforderungen für die Demokratie sind gewaltig. Wir sind konfrontiert mit einem erstarkenden Nationalismus, Populismus, zunehmender sozialer Spaltung und Polarisierung, globalen Krisen, einem großen gesellschaftspolitischen Wandel und der Umdeutung und Vereinnahmung der Demokratiegeschichte von Rechtspopulisten und Autokraten. Demokratie bleibt deshalb eine dauerhafte Aufgabe. Sie ist nicht selbstverständlich und braucht eine aktive Zivilgesellschaft“, sagte Dr. Kai-Michael Sprenger, Direktor der Stiftung Orte der deutschen Demokratiegeschichte, während des Pressegesprächs. Menschen und Initiativen, die sich der Demokratiebildung widmen, benötigten dafür angemessene finanzielle Unterstützung und verlässliche Strukturen. Dazu habe die erst seit diesem Jahr fördernd tätige Stiftung schon jetzt einen herausragenden Beitrag geleistet, so Sprenger.

Ute Schwens, Direktorin der Deutschen Nationalbibliothek, Foto: Alexander Paul Englert

Ute Schwens, Direktorin der Deutschen Nationalbibliothek in Frankfurt am Main, eröffnete das Pressegespräch, das im Vortragssaal der Deutschen Nationalbibliothek in Frankfurt am Main stattfand. Direktorin Schwens betonte, dass die Stiftung Orte der deutschen Demokratiegeschichte sehr gut in der DNB angesiedelt ist, da eine Bibliothek im richtigen Verständnis ihrer Arbeit, „einer der demokratischsten Orte der Welt“ ist. „Wir sind das Archiv für die Vergangenheit, die Gegenwart und die Zukunft“, definiert Schwens den Auftrag der DNB, ein Gedanke, der sich auch im Auftrag der Stiftung wiederfindet. Sowohl DNB als auch Stiftung sehen es als ihre Aufgabe, „die Vergangenheit zu würdigen und auf das Heute zu projizieren, um in ein gutes Morgen zu gehen“.

Volker Bouffier, Hessischer Ministerpräsident a.D. und stellv. Vorsitzender des Stiftungsrats der SODG, Foto: Alexander Paul Englert

Über die Vielfalt und Wichtigkeit der Demokratiegeschichte sprach Volker Bouffier, Hessischer Ministerpräsident a. D. und stellvertretender Vorsitzender des Stiftungsrats der Stiftung Orte der deutschen Demokratiegeschichte, der die Rolle der Stiftung als die eines Gärtners auf der „vielfältigen, bunten Wiese der Demokratie“ und als „der Coach, der Möglichmacher, Förderer und Insbildsetzer“ einschätzt. Orte der deutschen Demokratiegeschichte seien „Vor-Ort-Mutmacher, Vorbild-Manifeste, Beispielgeber, Motivationsorte, sich für die Demokratie und die Freiheit zu engagieren“, so Bouffier.

Foto: Kai Mehn

„Überall auf der Welt werden Demokratien angegriffen, und auch bei uns gerät die Demokratie immer stärker unter Druck. In einer Zeit, in der Demokratiefeinde und Rechtsextremismus erstarken, dürfen wir uns nicht in falscher Sicherheit wiegen. Denn unsere Demokratie ist zwar stark, aber nicht immun. Daher brauchen wir in unserer Gesellschaft gerade jetzt ein stärkeres Bewusstsein für den Wert der Demokratie. Dafür hat die Stiftung Orte der deutschen Demokratiegeschichte schon in ihrem ersten Jahr einen wertvollen Beitrag geleistet. Mit ihren vielfältigen Aktivitäten hat sie die Zivilgesellschaft und damit die Wehrhaftigkeit unserer Demokratie gestärkt. Dafür bin ich den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Stiftung sehr dankbar. Die Bundesregierung wird die immens wichtige Arbeit der Stiftung Orte der deutschen Demokratiegeschichte auch in Zukunft gerne unterstützen.“

 Vertreterinnen und Vertreter der von der Stiftung geförderten Projekte gewährten Einblicke in ihre Arbeit. Die Projektauswahl vor Ort dokumentierte eindrucksvoll die Vielfalt der demokratischen Bewegungen und Traditionen der deutschen Demokratiegeschichte und auch die Diversität der Vermittlung der deutschen Demokratiegeschichte.

Das Musiktheaterstück „Baha und die wilden Siebziger“ stellten Dr. Lale Akgün, Vorständin des Globale Musik Köln e.V. und Nedim Hazar, künstlerischer Leiter des Sanat Ensembles vor. Das Stück befasst sich mit den Streikwellen von Gastarbeiterinnen und Gastarbeitern in den 1970er Jahren.

Über das Kooperationsprojekt „1832. Das Fest der Demokratie“ zwischen der Stiftung Orte der deutschen Demokratiegeschichte, der Stadt Neustadt an der Weinstraße und der Stiftung Hambacher Schloss berichtete Dr. Kristian Buchna, Wissenschaftlicher Mitarbeiter der Stiftung Hambacher Schloss.

Dr. Susanne Kitschun, Leiterin des Ausstellungs- und Gedenkorts Friedhof der Märzgefallenen sprach über das Vermittlungsprojekt „Revolution – Menschenrechte – Demokratie“, das sich insbesondere mit der Revolution 1848/1849 sowohl analog als auch digital auseinandersetzt und vor allem die Bedeutung des Individuums im Gemeinschaftsprojekt der Demokratie aufzeigt.

Das partizipative Theaterformat „Passionsspiele der Demokratie“ stellte Peter Michalzik, Geschäftsführer der Passionsspiele der Demokratie gUG, vor. Die neu inszenierten Passionsspiele beleuchten die Paulskirche als Ort der deutschen Demokratiegeschichte, indem sie sich mit den Ereignissen rund um die Entstehung und Aushandlung der ersten demokratischen deutschen Verfassung in 1848/1849 auseinandersetzen.

Über das Projekt „Sonderzug Plauen-Leipzig: Demokratie erfahren“ berichtete Oberbürgermeister Steffen Zenner, Stadt Plauen, hinter dem sich ein innovatives Vermittlungsangebot zur Friedlichen Revolution 1989 verbirgt.

Schauen Sie sich gerne auch detailliert eine größere Auswahl der geförderten Projekte oder die Gesamtübersicht an.

Kooperationen, Outreach und Orte

Als weitere Säule unserer Arbeit initiierte die Stiftung in 2024 bisher 28 Kooperationen und war mit eigenen Veranstaltungen und Programmen aktiv. Hierzu zählt unter anderem die gemeinsam mit der Gesellschaft zur Erforschung der Demokratie-Geschichte e.V. (GEDG) durchgeführte „Tour de Demokratie“. Anlässlich des 75. Geburtstags des Grundgesetzes verband die Etappenfahrt die historischen Verfassungsstädte Weimar, Frankfurt am Main und Bonn. Auf dem Weg machte die Tour in über 20 weiteren Orten Station, wo Vertreterinnen und Vertreter der Zivilgesellschaft über die Entstehung des Grundgesetzes und seine Bedeutung in der Gegenwart ins Gespräch kamen.

Die Stiftung unterstützt Geschichtsfestivals an vielen Orten der Republik finanziell und inhaltlich, um Themen der Demokratiegeschichte breitenwirksam zu vermitteln und dabei mit Interessierten und Engagierten ins Gespräch zu kommen. Gemeinsam mit dem Förderverein Weimarer Rendez-vous mit der Geschichte e.V. veranstaltet die Stiftung vom 1. bis 3. November das gleichnamige Festival in Weimar.

Einen ästhetischen Zugang zum Thema Demokratie- und Verfassungsgeschichte bieten wir mit dem Bildband „Verfassungsorte: Stationen auf dem Weg zur deutschen Demokratie“, der im Kunth Verlag Ende dieses Jahres erscheint und dann ja auch bald in der DNB vorliegt. Der Band bietet tiefgehende Einblicke in die räumlichen und historischen Dimensionen von 26 bedeutenden historischen Stätten, die für die Entwicklung der deutschen Demokratie besonders prägend waren und sind und schafft damit einen niedrigschwelligen Zugang zu diesen komplexen Themen.

Eine kleine Kostprobe eines Kooperationsprojekts gab es auch beim Pressegespräch vor Ort. Schauspielerin Katja Straub performte einen Ausschnitt aus dem Ein-Personen-Theaterstück „Wir das Grundgesetz“, ein Kooperationsprojekt der Stiftung mit der Gesellschaft zur Erforschung der Demokratie-Geschichte.

Zudem erfasst die Stiftung digital auf ihrer Website 228 Orte der Demokratiegeschichte und vergibt die Plakette „Ort der Demokratiegeschichte“. In diesem Jahr wurden 16 Plaketten verliehen, darunter auch an die Deutsche Botschaft in Prag, den Bahnhof Hof oder das Kurhotel Schlangenbad.

Schon zuvor hat das Deutsche Exilarchiv 1933–1945, das sich mit den Themen Exil und Emigration während der Zeit des Nationalsozialismus auseinandersetzt und einen wichtigen Beitrag zur Vermittlungsarbeit im Bereich der demokratischen Bildung leistet, die Plakette „Ort der Demokratiegeschichte“ erhalten. Wir freuen uns daher besonders auf die gemeinsame Veranstaltung der Stiftung, der Deutschen Nationalbibliothek, des Deutschen Exilarchivs 1933–1945, dem Verband der Geschichtslehrerinnen und -lehrer Deutschlands, und des ZDF und der Claims Conference am 26. November im Veranstaltungssaal der Deutschen Nationalbibliothek Frankfurt/Main.

*Nachweis Beitragsbild auf der Startseite:Kai Mehn

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