Eine kurze Geschichte … des Schutzumschlags
Als der Buchhandel noch in den Kinderschuhen steckte, sahen Bücher, wenn man sie kaufen wollte, anders aus als heute. Bis zur Industrialisierung erwarben Käufer*innen in Buchhandlungen grundsätzlich nur bedruckte Bögen und ließen diese danach ganz nach ihren Wünschen einbinden – erst dann hielt man ein fertiges Buch in den Händen. Den sogenannten Verlagseinband, der heute geläufig ist und bei dem jedes Buch einer Auflage identisch ist, gibt es erst seit dem 19. Jahrhundert. Damals waren diese festen Einbände in der Regel hochwertiger als heute, beispielsweise aus Leinen oder Seide hergestellt, und oft künstlerisch gestaltet. Und hier kommt er ins Spiel: der Schutzumschlag.
Schutzumschläge finden sich in erster Linie an fest gebundenen Büchern, da diese in ihrer Herstellung sowie später im Verkauf teurer sind als ihre broschierten Gegenstücke. Sie haben, wie ihre englische Bezeichnung dust jacket verrät, vor allem den Zweck, das Buch vor Verschmutzungen und Abnutzungserscheinungen zu schützen. Staub, Fingerabdrücke oder das Verbleichen durch Sonneneinstrahlung treffen so nicht auf den oftmals empfindlicheren Bucheinband.
Die frühen Schutzumschläge des 19. Jahrhunderts sahen allerdings anders aus als heute: wie eine schützende Hülle umschlossen sie das Buch wie ein Paket und waren oft mit Wachssiegeln verschlossen. Doch auch schon damals hatten Schutzumschläge nicht nur einen protektiven, sondern auch einen werbenden Charakter. Mindestens der Buchtitel und Autor*in wurden auf der Papierhülle vermerkt, damit man von außen direkt sah, um welches Werk es sich handelt.
Der älteste erhaltene Schutzumschlag befindet sich übrigens in der Bodleian Library in Oxford und gehört zum Buch Friendship’s Offering von 1830.


Nun könnte man sich trotzdem fragen, ob Schutzumschläge überhaupt noch zeitgemäß sind.
Und es stimmt: heutzutage liegt die Hauptaufgabe eines solchen Umschlags nicht mehr im Schutz des Buchs, sondern darin, die Aufmerksamkeit potentieller Käufer*innen auf sich zu ziehen. Eine farbenfrohe Gestaltung, Prägungen oder Aussparungen, durch die man einen Blick auf den Einband darunter erhaschen kann, machen natürlich mehr her als ein simpler Buchdeckel. Bei antiquarischen Büchern sorgt ein intakter Schutzumschlag sogar für eine erhebliche Wertsteigerung. Besonders bibliophile Leseratten entfernen den Umschlag häufig zum Lesen, damit er nicht beschädigt wird und das Buch nach der Lektüre wie neu im Regal stehen kann. Mittlerweile gibt es sogar spezielle Anbieter für exklusiv gestaltete Schutzumschläge, die das Erscheinungsbild eines geliebten Buchs noch mehr aufwerten.
In der DNB werden Schutzumschläge selbstverständlich mit archiviert – schließlich sollen die Medienwerke laut gesetzlichem Auftrag im Originalzustand und vollständig bewahrt werden. Da ein loser Umschlag aber unter Umständen im Geschäftsgang der Bibliothek verloren gehen könnte, wird hier, anders als bei anderen Medienwerken, die Akzessionsnummer nicht vorn auf den Buchdeckel geklebt, sondern innen auf den Vorsatz. Sollte das Buch nun doch einmal aus dem Schutzumschlag rutschen, kann es dennoch zugeordnet werden. Ein Signaturschild erhalten sowohl der Umschlag als auch der Buchrücken. Die ehemals geläufige Handhabe, den Schutzumschlag hinten ins Buch einzukleben, wird nicht mehr praktiziert.
Übrigens wird im Buchhandel mitunter diskutiert, ob Schutzumschläge überhaupt noch notwendig sind. Beim Transport seien diese nämlich besonders anfällig für Schäden, weshalb solche Bücher meist einfoliert geliefert werden. Dies ist allerdings im Hinblick auf die Nachhaltigkeit umstritten und dort, wo es möglich ist, wird bereits auf eine Einschweißfolie verzichtet.

Noelle Lesinski
Noelle Lesinski ist als Fachangestellte für Medien- und Informationsdienste im Medieneingang der Deutschen Nationalbibliothek am Standort Leipzig tätig.