Von Frauen über Frauen

4. März 2025
von Bettina Rüdiger

Elisabeth-Handschrift

Die Elisabeth-Handschrift ist die wertvollste und schönste Handschrift des Museums. Hergestellt in einem südwestdeutschen Frauenkloster und illuminiert von einer der besten Buchmalerinnen der Zeit, hat sie, wie auch die Heilige Elisabeth, von deren Leben Text und Bilder handeln, ein wechselvolles Schicksal erlitten.

Elisabeth-Handschrift, Doppelseite Fol. 108v und 190r, Miniatur von Sibilla von Bondorf (Elisabeth und die Kinder verlassen die Burg), Foto: DNB

Da der Fokus der Klemmschen Sammlung auf dem gedruckten Buch lag, ist der Bestand an mittelalterlichen Handschriften im Deutschen Buch- und Schriftmuseum von jeher nicht sehr groß. Das unter diesen etwas über 100 Handschriften und Fragmenten zweifellos wertvollste Stück ist die sogenannte Elisabeth-Handschrift.

Neben einer hagiografischen Lebensbeschreibung der Heiligen Elisabeth von Thüringen enthält der Band weitere handschriftliche Texte, die sich inhaltlich auf die Elisabeth-Legende beziehen. Geschrieben wurde der Text 1481 im Klarissenkloster Freiburg im Breisgau von Elisabeth Vogtin. 14 farbige Miniaturen, gemalt von Sibilla von Bondorf, illustrieren die Stationen des Heiligenlebens.

Nach der Aufhebung des Klosters im Zuge der Josephinischen Reformen 1782 verliert sich die Spur der Handschrift für die nächsten 50 Jahre. Der nächste Besitzereintrag stammt von Karl Wilhelm Justi und ist datiert auf den 2. August 1834. Für mehr als 140 Jahre verbleibt die Handschrift in der Gelehrtenfamilie, zuletzt bei Adelheid Justi, die als Vorerbin des 1957 verstorbenen Ludwig Justi eingesetzt ist.

Elisabeth-Handschrift, Fol. 13v und 14r, Miniatur (Elisabeth mit Kruzifix) von Sibilla von Bondorf und Textanfang der Heiligenlegende St. Elisabeth, Foto: DNB

Das Schicksal der Handschrift nach dem Tode von Adelheid Justi bleibt im Ungefähren. Von der Geschichte ihrer Überlieferung gibt es verschiedene Versionen, die von Eigentumsentzug bis zu Schenkung und späteren freiwilligen Verkauf durch die Beschenkte reichen. Letztendlich steht die Handschrift im Zentralantiquariat der DDR im Jahr 1976 für 70.000 DDR-Mark zum Verkauf. Das Museum erwirbt sie in gutem Glauben und ohne die Provenienzgeschichte zu hinterfragen. Nachdem sie bereits 1984 in einer Publikation zum 100-jährigen Bestehen des Museums1 als besonderer Schatz gewürdigt worden ist, stellt der Altphilologe Rainer Kößling 1997 die Handschrift einer breiteren Öffentlichkeit vor2.

Jetzt fordert die Familie Justi die Herausgabe der Handschrift und geht schließlich den gerichtlichen Weg. Nach langwierigen Verhandlungen kann 2003 die Deutsche Nationalbibliothek mit den Erben einen Vergleich erreichen. Zunächst Leihgabe der Erbengemeinschaft, geht die Handschrift nach zehn Jahren, nunmehr rechtlich abgesichert, als Schenkung in den Besitz des Museums über.

Seither wurde die Handschrift vollständig wissenschaftlich beschrieben, digitalisiert und in mehreren Ausstellungen gezeigt. Ein Nachweis mit Beschreibung und Digitalisat findet sich in der Handschriftenportal3. Auch über das Portal der Deutschen Nationalbibliothek ist ein Volldigitalisat4 abrufbar. Unverändert frisch zeigen sich hier die Miniaturen, die einst mit der Darstellung des heiligmäßigen Lebens der Elisabeth von Thüringen als Vorbild für die fromme Einkehr der Klarissen dienten und uns heute noch mit ihrer Schönheit und heiteren Glaubensgewissheit berühren.

Elisabeth-Handschrift, Fol. 13r, Miniatur von Sibilla von Bondorf (Heiliger Franziskus und Heilige Klara), darunter gestrichener Eignervermerk des Klarissenklosters Freiburg im Breisgau, Foto: DNB

Dieser Beitrag ist ein Kapitel aus der Publikation „Tiefenbohrung. Eine andere Provenienzgeschichte“. Infos zum Gesamtprojekt zur Provenienzgeschichte des Deutschen Buch- und Schriftmuseums sind hier zu finden: dnb.de/tiefenbohrung.

Bettina Rüdiger

Bettina Rüdiger ist Sammlungsleiterin für das Buch vor 1900 und Leiterin der Fachbibliothek im Deutschen Buch- und Schriftmuseum.


  1. Fritz Funke: Leben und Legende der Heiligen Elisabeth. In: Schätze aus dem Deutschen Buch- und Schriftmuseum. Leipzig 1984, S. 8–9. ↩︎
  2. Rainer Kößling (Hrsg.): Leben und Legende der heiligen Elisabeth nach Dietrich von Apolda. Frankfurt am Main; Leipzig: Insel-Verlag 1997 (Insel-Bücherei 1172). Alle Miniaturen werden mit farbigen Abbildungen vorgestellt. ↩︎
  3. Permalink: https://resolver.staatsbibliothek-berlin.de/HSP0003BE0700000000. ↩︎
  4. http://d-nb.info/1222562618. ↩︎
*Nachweis Beitragsbild auf der Startseite:Foto: DNB

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