„Es grünt so grün …“
Die blühende Bibliothek … im August in Frankfurt am Main
„Es grünt so grün, wenn Spaniens Blüten blühen“ – singt die Blumenverkäuferin Eliza Doolittle in der deutschen Übersetzung einer Textzeile des berühmten Musicals My Fair Lady (1956), dem George Bernard Shaws nicht minder bekanntes Theaterstück Pygmalion zugrunde liegt. Dieses wiederum lehnt sich an den antiken Mythos des Bildhauer-Königs Pygmalion an. Doch bei diesem Satz geht es weniger um die Vegetation Spaniens oder seine Wetterlaunen („The Rain in Spain stays mainly in the Plain“ im englischen Original) als um eine Sprachübung, mit der der Sprachforscher Henry Higgins der Sprachschülerin Eliza den Cockney-Regiolekt abgewöhnen und sie ein akzentfrei geschliffenes Englisch lehren will.
George Bernard Shaw war Ire, Schriftsteller und Nobelpreisträger für Literatur. Und so stapfen wir auf grünen Pfaden fort von Spaniens Blüten in den Norden, nach Irland. Dort grünt es in so vielfältigem Grün, dass die Insel auch „Smaragdinsel“ (Emerald Isle) genannt wird, nach dem tiefgrün funkelnden Edelstein. Ein irisches Volkslied besingt vierzig verschiedene Schattierungen von Grün, „The forty shades of Green“, wie wir aus dem Kinderbuch Eine Tüte grüner Wind der Schriftstellerin und Irland-Freundin Gesine Schulz erfahren. In dieser Geschichte soll die zwölfjährige Lucy die Sommerferien in dem irischen Cottage ihrer Tante verbringen und nach anfänglichem Frust freundet sie sich mit dem Leben auf der atlantikumtosten und golfstromverwöhnten Insel an. Von ihrer kreativen Tante erfährt sie, dass man grüne Pflanzen auch zum Färben von Wolle nutzen kann und dass Brennnessel, Ginster, Holunderblätter, Heide- und Birnenlaub nach alten Rezepturen schöne Grüntöne für irische Schafwollknäuel ergeben.
Und obwohl wir weder mit Pflanzen färben noch Schäfchen hüten, weht grüner Wind auch durch den spätsommerlichen Garten der Deutschen Nationalbibliothek in Frankfurt. Nach ereignisreicher Blüte mit reichlich Regenfällen von März bis Juli ruht der Blick aus den Lesesälen und einem Teil der Büroräume auf vielen, wenn nicht gar vierzig spätsommerlichen Nuancen der beruhigenden und inspirierenden Farbe Grün. Bei unserem Spaziergang durch den Bibliotheksgarten finden wir sattes Grüngras in der Mittelfläche, an den Rändern die helleren Grüntöne der Weißbuchen, der Trompetenbäume und Farne und das tiefe Dunkelgrün des Efeus, der Wildrosen und Stechpalmen.
Die Natur ist ein sprichwörtlicher Evergreen – zu Jahresbeginn leuchten Flechten und Moos inmitten schlafender Bäume, im Frühjahr erwacht der Garten in zarten Grüntönen, das Sommergrün spricht von kräftigem Wachstum, selbst der Entzug des Chlorophylls für das Herbstfarbengewitter ist von immergrünen Pflanzen begleitet. Im nördlichen Winter tragen die Nadelbäume den herabrieselnden Schnee, und ein Tannenbaum füllt Haus und Räume mit weihnachtlichem Duft.
Doch noch leuchtet der Bibliotheksgarten smaragdfarben im Sommerlicht und signalisiert uns, dass in diesem Jahr genug Regen fiel und die Versorgung der Vegetation hoffentlich wieder auf einen grüneren Zweig gekommen ist.