Evakuierung aus der Rotunde
Seit vielen Jahren erfolgen in regelmäßigen Abständen Begehungen des Leipziger Hauses durch die Berufsfeuerwehr. Anlässlich einer solchen Begehung in den 90er Jahren im Bereich des damaligen Multimedialesesaales der DNB (Deutsche Nationalbibliothek) Leipzig, kam auch die Idee einer Evakuierungsübung auf. Der Lesesaal befand sich damals in der Rotunde, welche den einfachen rechteckigen Nachkriegsbau an dieser Stelle ab 1997/98 ersetzte
Die ursprüngliche kleinere Rotunde besaß keine Fenster und eine zur Philipp-Rosenthal-Straße zeigende Uhr. Sie wurde bei dem Luftangriff auf Leipzig am 4.12.1943 zerstört. Damals fiel den Bomben der gesamte Mittelteil des Dachgeschosses im zentralen Gebäudeteil zum Opfer.
In der neuen Rotunde gab es viel Tageslicht. Hier wurde ab 1998 der erste Multimedialesesaal der DNBL mit 12 Arbeitsplätzen eingerichtet, welcher an dieser Stelle bis 2007 bestand. Der Lesesaal war von 8.00 Uhr bis 16.00 Uhr geöffnet und für die Leser*innen über den Aufzug oder die Neben-Treppe erreichbar. Theoretisch bestand auch eine Fluchtmöglichkeit durch die Magazine zu den jeweiligen Treppenhäusern im Ost- oder Westflügel des Gebäudes.
Die Feuerwehr unterstellte nun aber für die Übung die Blockierung aller drei Treppenhäuser durch Rauch.
Natürlich war die abgeschiedene Lage des Lesesaales problematisch, beliebt bei den Leser*innen war sie allemal und zur Museumsnacht konnte sie beleuchtet durch Ausstellungen, wie ein Krone über dem Bau mit atemberaubender Aussicht bei Nacht erscheinen.
Brandschutztechnisch wurde die Evakuierung in den 1990er Jahren durch eine Übung der Leipziger Berufsfeuerwehr überprüft. Dazu habe ich nach der Öffnungszeit gegen 19.00 Uhr mittels Rauchimitation in die Rauchmelder ein Feueralarm ausgelöst. Die Schwierigkeit der Übung bestand ja in der Grundannahme, ein Evakuierung von ungefähr 14 Menschen über die Treppen sei nicht möglich. Also musste von außen evakuiert werden.
Da ein Drehleiterfahrzeug wegen der niedrigen Durchfahrt nicht im Innenhof des heutigen DMA (Deutsches Musikarchiv) – Lesesaales operieren konnte, musste die Feuerwehr die Aufgaben damals mit Steckleitern und Hakenleitern lösen. Es war unheimlich spannend kurz nach dem Alarm, die Signalhörner der an der Bücherei eintreffenden Feuerwehrfahrzeuge zu hören, zu sehen waren sie nicht, da der Deutsche Platz von der Rotunde aus nicht einsehbar ist.
Wenige Minuten nach Ankunft hatten sich einige Feuerwehrleute mit Atemschutzgeräten schon die Nebentreppe ein Stück rauf gekämpft. Das entscheidende aber war der Innenhof in dem heute der Musiklesesaal steht. Hier waren Kollegen der Feuerwehr mit dem Aufbau von mehreren Steckleitern und Hakenleitern beschäftigt, welche über eine Gesamtdistanz von fast zwanzig Metern geführt werden mussten.
Nun, sie erfüllten den Auftrag mit Bravour, der erste Feuerwehrmann erklomm ca. sieben Minuten nach Rauchauslösung den Balkon der Rotunde. Damit war der Beweis erbracht, dass die Leipziger Feuerwehr in der Lage ist, den Lesesaal von außen über die Dächer des Zeitschriftenlagers und der Lesesäle zu evakuieren.
111-Geschichten-Redaktion
Zum 111. Jubiläum haben wir, die Beschäftigten der Deutschen Nationalbibliothek, in Erinnerungen und Archiven gestöbert. Von März bis November präsentieren wir hier 111 Geschichten aus der Deutschen Nationalbibliothek.