Freie Statt für freies Wort

4. April 2023
von Michael Fernau und Susanne Oehlschlaeger

Wir schreiben das Jahr 2066. Alles ist weitgehend digital. Im Vorfeld der Neugründung des ABPQCCeVfdfZaFuKd[1] wurde eine KI zu Rate gezogen. Sie soll nach einer angemessenen und dauerhaften Würdigung für den Gründungsakt suchen. Dafür recherchiert sie nach früheren Zeugnissen und landet bei der Deutschen Nationalbibliothek.

Architektentafel historisches Gründungsgebäude Leipzig 1914-1916
Architektentafel historisches Gründungsgebäude Leipzig 1914-1916;
Foto: DNB

Sie stößt dabei auf harte Zeugnisse aus der Vergangenheit: Gedenktafeln in den Gebäuden der Deutschen Nationalbibliothek seit 1914/16 aus Stein, Metall und Glas.

Nach angemieteten Übergangsunterbringungen in ihren Gründungsjahren hatte die Deutsche Nationalbibliothek drei eigene Gebäude: Zwei davon in Frankfurt am Main und einen großen Komplex in Leipzig. Letzterer steht mittlerweile vor seiner fünften Erweiterung. Grundsteine, Architektur- und Widmungstafeln kündeten jeweils vom Baubeginn, dessen Vollendung und der Übergabe an die Öffentlichkeit.

Einweihungstafel 1959 Frankfurt am Main, Zeppelinallee
Einweihungstafel 1959 Frankfurt
am Main, Zeppelinallee;
Foto: DNB, Stephan Jockel

Der erste Frankfurter Bau wurde 1957-59 in der Zeppelinallee errichtet.

Davon zeugt die Einweihungstafel. Sie enthält einige Eckdaten, u.a. die Namen der Architekten: Alois Giefer und Hermann Mäckler.

1992-95 wurde ein Neubau an der Adickesallee errichtet. Mit dessen Einweihung durch Bundeskanzler Helmut Kohl wurde das bisherige Gebäude aufgegeben. Auch die Tafel in der Adickesallee nennt die Architekten: (Mete) Arat, (Hans-Dieter) Kaiser, (Gisela) Kaiser.


Leipzig hat bislang fünf Gebäudeteile. Dort ist für die zurzeit jüngste, die vierte Erweiterung die Zeitkapsel des Grundsteins ausgestellt. Auf ihr ist die Eröffnung durch Kulturstaatsminister Bernd Neumann 2011 verewigt. Die Tafel lässt zugleich erkennen, dass nicht alle darauf verzeichneten Daten in Stein gemeißelt, in Glas geätzt und damit unbezweifelbar wären. 2007 bis 2011 sei der Bau errichtet worden, steht dort geschrieben. Die Grundsteinlegung allerdings fand Ende 2006 statt. Bezogen wurde der 4. Erweiterungsbau mit den ersten Regalkilometern Musikalien und Tonträgern bereits 2010. Denn zu diesem Zeitpunkt siedelte das Deutsche Musikarchiv der DNB von Berlin nach Leipzig über.

Zutreffend ist die Angabe der Architektin Gabriele Glöckler, die in einer Arbeitsgemeinschaft den Entwurf plante und realisierte.

Nach Prüfung all dieser historischen Fakten entscheidet sich die selbstprogrammierende KI des Jahres 2066 nicht für einen vergänglichen Zeitimpuls. Stattdessen wählt sie den Widmungsspruch des Sächsischen Finanzministers Vitzthum Graf von Eckstädt:

„Freie Statt für freies Wort
Freier Forschung sichrer Port
Reiner Wahrheit Schutz und Hort“

Obwohl dieser Spruch von 1916 stammt, bewertet die KI ihn auch nach 150 Jahren noch als aktuell. Das sehen wir auch heute so.


[1] Advanced Biological Processing Quantum Computational Center des europäischen Verbundes für den freien Zugriff auf Forschungs- und Kommunikationsdaten

111-Geschichten-Redaktion

Zum 111. Jubiläum haben wir, die Beschäftigten der Deutschen Nationalbibliothek, in Erinnerungen und Archiven gestöbert. Von März bis November 2023 präsentieren wir hier 111 Geschichten aus der Deutschen Nationalbibliothek.

*Nachweis Beitragsbild auf der Startseite:DNB, Stephan Jockel

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