Geschichte einer Ehrung
Horvath-Pokal
Der Potsdamer Buchhändler und Verleger Carl Christian Horvath gehört zu den Wegbereitern des Börsenvereins der Deutschen Buchhändler zu Leipzig. Für seine Verdienste um die Einrichtung einer zentralen Abrechnungsstelle für den überregionalen Geschäftsverkehr der Buchhändler, eines sogenannten Abrechnungslokals, wird er im Jahr 1824 von seinen Berufskollegen mit einem Pokal geehrt. Dieser ist einer der wenigen und im wahrsten Sinne des Wortes glänzenden Prunkstücke im Bestand des Historischen Archivs der Börsenvereinsbibliothek Frankfurt.

Von Frankfurt am Main erreicht 2016 eine Umzugskiste mit besonderem Sammlungsgut das Buchmuseum in Leipzig. Sie birgt unter anderem ein Gemälde und einen knapp 30 Zentimeter hohen silbernen Pokal mit Deckelaufsatz. Beide Artefakte tragen keine Inventarnummer.
Das Gemälde ist das Bildnis eines unbekannten jungen Mannes aus dem 19. Jahrhundert, nach ersten Vermutungen ein Verleger. Doch weder Mitarbeiter der Frankfurter Börsenvereinsbibliothek noch Buchwissenschaftler können die abgebildete Person benennen.
Der Pokal hingegen kann schnell eingeordnet werden. Laut eingravierter Inschrift1 überreicht ihn der Nürnberger Buchhändler Friedrich Campe am 17. Mai 1824 beim Buchhändler-Mittagsmahl2 zum Abschluss der Buchmesse in Leipzig dem Buchhändler und Verleger Carl Christian Horvath (1752–1837). Auf einem zeitgenössischen, im Zweiten Weltkrieg zerstörten Gemälde, ist der Geehrte mit dem Pokal in seiner rechten Hand abgebildet. Glücklicherweise ist das Gemälde in zahlreichen Publikationen wie auch über eine Fotografie aus den 1920er-Jahren belegt.

Zur Sammlungserschließung von Objekten gehört nicht nur deren Beschreibung, sondern auch die möglichst lückenlose Rekonstruktion ihrer Herkunftsgeschichte. Im Falle des Horvath-Pokals gibt es einige, verstreut publizierte Aussagen über dessen Weg in das Deutsche Buch- und Schriftmuseum.
Als Carl Christian Horvath den Pokal empfängt, ist sein einziger Sohn bereits verstorben. Horvaths Schwiegertochter Wilhelmine, geborene Herbig und wieder verheiratete Legeler (1789–1877), wird Erbin seines Vermögens, einschließlich des Pokals. Diese wiederum schenkt ihn 1846 ihrem Bruder Friedrich August Herbig (1794–1849) anlässlich des 25-jährigen Jubiläums seiner Verlagsbuchhandlung F. A. Herbig in Berlin. Der Pokal bleibt zunächst im Besitz der dortigen Herbig-Familie, gerät aber in Vergessenheit. Zumindest wird er bei den nachfolgenden Jubiläen nicht mehr erwähnt. Mit dem Tod des letzten Verlagsinhabers aus der Familie Herbig wird die Verlagsbuchhandlung 1907 in eine GmbH umgewandelt und mehrfach verkauft. 1964 geht sie in den Besitz einer Hamburger Bankengruppe über, die den Berliner Verleger Hans-Karl Konheiser (1920–1985) zum Inhaber einsetzt. Konheiser entschließt sich 1981, den Ehrenpokal dem Vorstand des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels in Frankfurt zu schenken.3 Dieser übergibt ihn dem Historischen Archiv, das in die Sammlung Archivalien und Dokumente zur Buchgeschichte im Deutschen Buch- und Schriftmuseum integriert wird.
Recherchen über den letzten Inhaber des Pokals, Hans-Karl Konheiser, führen überraschend zu dem eingangs erwähnten Gemälde. In einem Teilbestand des Historischen Archivs der Frankfurter Börsenvereinsbibliothek sind Materialien zu einzelnen Verlegern zusammengetragen, unter dem Lemma Konheiser auch Briefe von ihm über Schenkungen an den Börsenverein. Eine beiliegende Fotografie eines Gemäldes deutet schließlich auf den unbekannten Mann hin. Es ist der Verleger Friedrich August Herbig. Damit kann sowohl die Schenkung des Pokals als auch des Gemäldes belegt werden. Die genealogischen Recherchen zur Herbig-Familie führen zu einer 1941 publizierten Familiengeschichte, die die Angaben zum Bildnis bestätigen.4


Dieser Beitrag ist ein Kapitel aus der Publikation „Tiefenbohrung. Eine andere Provenienzgeschichte“. Infos zum Gesamtprojekt zur Provenienzgeschichte des Deutschen Buch- und Schriftmuseums sind hier zu finden: dnb.de/tiefenbohrung

Carola Staniek
Carola Staniek ist Leiterin der Sammlung Archivalien und Dokumente zur Buchgeschichte im Deutschen Buch- und Schriftmuseum.
Mehr Spannendes über den Börsenverein können Sie bis zum 15. Dezember 2025 in unserer Ausstellung „Zwischen Zeilen und Zeiten. 200 Jahre Börsenverein des Deutschen Buchhandels“ erfahren
- »Montags den 17tn May 1824 wurde dem Stifter und Vorsteher der Leipziger Buchhändler | Börse, Carl Christian Horvath, einstimmig der Dank votirt und laut dar= | gebracht von allen versammelten Buchhändlern Deutschlands. Dann be= | schloss die Versammlung das verhallende Wort auf eine sichtbare | Weise zu verewigen; hierzu diene dieser Pocal.« ↩︎
- Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel, 104, Nr. 138, 1937, S. 528. ↩︎
- Gerd Schulz: »Aus Privatbesitz an den Börsenverein«. In: Börsenblatt, Frankfurter Ausgabe, 37, 1981, Nr. 47, S. 1510. ↩︎
- Hedwig Kreyenberg: Geschichte der Familie Herbig 1572–1939, Berlin 1940. ↩︎