„Ihr glattes Laub, wie eine weise Hand“

24. Dezember 2024
von Elke Jost-Zell & Kathrin Wilhelm

Die blühende Bibliothek zur Weihnachtszeit

Stechpalmenzweig im Garten der DNB Frankfurt am Main
Fast wie ein Kreuz geformt – Stechpalme in weihnachtlichem Gewand
Foto: Kathrin Wilhelm, DNB

In Deutschland ist die Tanne DER weihnachtliche Sehnsuchtsbaum, oft nur als Baumskulptur unter flauschigem Schnee erkennbar oder lichterfunkelnd als Christbaum. Bei unseren Nachbarn Großbritannien und Frankreich und über dem großen Teich in Nordamerika ist es gemeinsam mit der Mistel die Stechpalme (lat. Ilex aquifolium) mit ihren stacheligen Zweigen und roten Beeren, die weihnachtliche Gefühle weckt. Davon spricht das britische Christmal Carol (Weihnachtslied) Deck the Halls (Schmückt die Säle):

„Deck the halls with boughs of Holly,

T’is the season to be jolly ….“

(„Schmückt den Saal mit Stechpalmzweigen,

schließt den Bund zu frohem Reigen […]“

Wikipedia erklärt uns, dass „Bäume mit immergrünem Laub in Mitteleuropa sehr selten und von den Germanen und Kelten verehrt worden sind. Schon vor der Eroberung Britanniens durch die Römer war es Sitte, den Wohnraum mit beerentragenden Ilex-Ästen und Efeu (männliches und weibliches Prinzip) zu schmücken. Auch Plinius der Ältere erwähnt bereits die Verwendung als Hausschmuck.“

Ein Zweig der Stechpalme im Garten der DNB in Frankfurt am Main
Ein Stechpalmenzweig grüßt aus dem Garten der DNB in Frankfurt am Main
Foto: Kathrin Wilhelm, DNB

Wie aber kommt die Stechpalme zu ihrem deutschen Namen? Dass sie sich mit stacheligen Blättern schützt, merkt man spätestens, wenn man einen Zweig für den Weihnachtskranz pflücken will, aber an die Wuchs- oder Blattform einer Palme erinnert sie eher nicht. Die Antwort finden wir in dem christlichen Brauch des Palmsonntags, an dem traditionell an den Einzug Jesu in Jerusalem erinnert wird. Da in unseren Breiten keine echten Palmenzweige zur Hand waren, weihte man kurzerhand Weiden, Buchsbaum oder Stechpalmen und streute sie auf den Boden.

Spazieren wir in diesem Winter in den Garten des Frankfurter Hauses der Deutschen Nationalbibliothek, finden wir nahe der Feuerwehrausfahrt zur Schlosserstrasse drei Stechpalmenbüsche in einem Beet, geschützt von der Mauer des Nachbarhauses. Wie schön, solch einen alten heiligen Baum bei uns zu haben!

Ilex mit Frucht
Foto: Kathrin Wilhelm, DNB

Fotografiert haben wir sie mit ihren Beeren, die eine hochwertige Winternahrung für unsere gefiederten Freunde, die Amseln, Drosseln und Rotkehlchen sind. Menschen sollten sie allerdings nicht essen – Blätter und Früchte sind leicht giftig, aber als Räucherwerk in den Rauhnächten verwendbar.

In der Folklore wird die Stechpalme (engl.: Holly) Frau Holle zugeordnet und in zahlreichen Ortsnamen verewigt. Da auch die Namen Hülse, Hölse und Hustbaum für sie im Deutschen gebräuchlich sind, erscheint sie in Hülsede, Hüls, Hüllhorst, Hülsenbusch und Hülscheid im Ortsschild. Nicht zu vergessen Burg Hülshoff, dem die Dichterin und Komponistin Annette von Droste-Hülshoff ihren Namen verdankt. Und woher kommt wohl der Ortsname Hollywood, dem glamourösen Stadtteil von Los Angeles in California, USA?

Auch in literarischen Geschichten spielt die Stechpalme eine Rolle – das Land Hollin (dt. Hulsten) ist die Heimat der Elbenringe in J.R.R. Tolkiens Lord of the Rings (Der Herr der Ringe) – ausführlich erfahren wir darüber im Silmarillion, das die mythologische Vorgeschichte der Ring-Saga erzählt. Als Philologe war Tolkien vom Ursprung und Spiel mit Worten fasziniert und erfand während des Schreibens zwei elbische Sprachen, Quenya und Sindarin (sowie zahlreiche Fragmente anderer fiktiver Sprachen wie Entisch oder die Schwarze Sprache Saurons).

Interessant ist auch, dass J.K. Rowling sich dafür entschied, Harry Potters Zauberstab von Mr Olivander aus Stechpalmenholz (und einer ganz besonderen Phoenix-Feder) anfertigen zu lassen. Es symbolisiert Glück, Wohlstand und Schutz vor dem Bösen – Dinge, die Harry im Kampf gegen seinen Widersacher Lord Voldemort gut brauchen kann und zu nutzen weiß.

Natürlich haben sich auch die Dichter – der unermüdliche Goethe! – mit der Stechpalme beschäftigt. In seinem Gedicht The Holly Tree (Die Stechpalme) spricht der bekannte englische Poet Robert Southey (1774-1843), dessen Schriften auch ins Deutsche übersetzt wurden, die Leser*innen direkt an:

O Reader! hast thou ever stood to see

The holly-tree?

The eye that contemplates it well perceives

Its glossy leaves

Ordered by an intelligence so wise […]

„Oh Leser, hast du je betrachtet die

Stechpalme? – Sieh

Ihr glattes Laub, wie eine weise Hand […]“

Und mit diesem grünen Gruß aus dem Frankfurter Bibliotheksgarten wünschen wir gesegnete Festtage und eine friedliche, glückliche Weihnachtszeit.

Stacheln, Frucht und Zweig der Stechpalme
Foto: Kathrin Wilhelm, DNB
*Nachweis Beitragsbild auf der Startseite:Kathrin Wilhelm, Deutsche Nationalbibliothek

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  • ISSN 2751-3238