Italienische Reise

19. Oktober 2024
von Elke Jost-Zell

Über die Frankfurter Buchmesse 2024

Ein Blick auf die Frankfurter Buchmesse mit Messeturm und Halle 3
Frankfurter Bücherherbst
Foto: Elke Jost-Zell, Deutsche Nationalbibliothek

Diesmal ist es nicht Johann Wolfgang von Goethe, der nach Italien reist, sondern Italien, das die Goethestadt Frankfurt am Main besucht.

Unter wechselhaftem Himmel und in goldenem Herbstlicht, das von den rot-, gelb- und orangegefärbten Ahornbäumen untermalt wird, präsentiert sich das Gastland der Buchmesse 2024 unter dem Motto „Verwurzelt in der Zukunft“. Ein Land, dessen „kreative Tradition sich mit der Aufbruchsstimmung vereint“, wie es auf der Buchmessen-Website heißt.

Auch Goethe brach 1786 auf, um aus einer Schaffenskrise auszubrechen, die man heute „writer’s block“ oder Schreibblockade nennen würde. Seine Staatsdienertätigkeit zermürbte den Künstler in ihm, seine Freundschaft mit Charlotte von Stein kriselte, er hatte die „Urpflanze“ noch immer nicht gefunden und vier begonnene Werke, Wilhelm Meister, Torquato Tasso, Egmont und Faust, bestanden bisher nur aus Fragmenten. Er kam nicht weiter. Zeit, die Südlichter zu suchen – in der Hoffnung, Inspiration und Muße zu finden. Seine Hoffnung erfüllte sich – sowohl der Dichter als auch der Wissenschaftler und Künstler in ihm gewann unter Italiens goldener Sonne neue kreative Kraft. Er vollendete den Egmont, stellte geologische, mineralogische, meteorologische Studien an und kam, wie er hoffte, dem „Geheimnis der Pflanzenzeugung und Organisation“ ganz nah (hier irrte er).

Unter dem Namen The Great Excape Room – eine inspirierende Auszeit auf den Spuren Goethes Italienischer Reise lädt die Frankfurter Buchmesse bis zum 20. Oktober 2024 am Frankfurter Paulsplatz dazu ein, den Spuren von Goethes Italienreise zu folgen. Der Eintritt ist frei.

Plakat mit der Aufschrift Das Leben lesen auf der Frankfurter Buchmesse
Lesen ist auch Leben …
Foto: Elke Jost-Zell, Deutsche Nationalbibliothek

Gastland Bella Italia

Der italienische Pavillon ist abgedunkelt und elegant von weißen Säulen umsäumt, die an die antike Architektur erinnern. Umrahmt werden sie von kleineren Nischen, die Themen der italienischen Kunst und Kultur beleuchten. Eine dieser Nischen ist Aldo Manutio oder Aldus Manutius (1449-1515) gewidmet, dem berühmten venezianischen Buchdrucker und Verleger des 15./16. Jahrhunderts. Ihm verdanken wir wunderbare Bücher, die nach ihm „Aldinen“ genannt werden. Das „Laboratorio di Aldo“ stellt die Druckwerkzeuge vor, eine weitere Tafel berichtet davon, dass in Manutios Druckerei erstmals Titelblätter in die Kodizes (gebundene Bücher mit Buchblock und Einband) mit dem Namen der Autoren, dem Titel des Werks und einem Redaktionszeichen verwendet wurden. Also Titelseiten voller schöner bibliografischer Metadaten, frisch aus der Renaissance! Außerdem entwickelte er 1495 mit dem Graveur Francesco Griffo ein Rundschreiben, das Bembo, das Claude Garamond 1540 zu seinen Schriften und Stanley Morrison 1932 zu seiner Times inspirierte – also den beiden Schriftarten, die heute überwiegend für den Zeitungsdruck verwendet werden. Der Grund für diese Innovationen war schlicht: Lesen sollte angenehm sein, Lesen sollte Spaß machen. Lesen als Freizeitvergnügen, in Ruhe und in der Stille. Als hätte der berühmte Bücherfreund geahnt, dass 2024 das Motto der Frankfurter Buchmesse „FBM24 is Read!ing“ lauten würde. Doch eigentlich könnte dies das Motto einer jeden Buchmesse sein.

Aldine - ein Buch aus der Buchdruckerwerkstatt des venezianischen Druckers Aldo Manutio
Eine Aldine – Ausdruck von Schönheit und Handwerk aus der venezianischen Druckerei von Aldo Manutio
Foto: Elke Jost-Zell, Deutsche Nationalbibliothek

Weniger ruhig und still als beim vertieften Lesen oder in Aldo Manutios Werkstatt und Druckerei, doch ebenso rund um Bücher und das Lesen, geht es in den immer quirligen Messehallen zu.

Preisgekröntes Lesen

Da ist der Literaturnobelpreis, der in diesem Herbst an die südkoreanische Schriftstellerin Han Kang ging (und den Aufbau-Verlag damit glücklich machte), und der Deutsche Buchpreis, den die Schriftstellerin Martina Hefter für ihren Roman Hey, guten Morgen, wie geht es dir? (Verlag Klett-Cotta) gewann. Als Gast saß die frisch gebackene Buchpreisträgerin auf dem Blauen Sofa, das im Rahmen des traditionellen Lesefests OPEN BOOKS aufgebaut wurde. Generaldirektor Frank Scholze eröffnete die Veranstaltungen im Vortragssaal der Deutschen Nationalbibliothek in Frankfurt am Main.

Reichlich Gesprächsstoff in den geschäftig wispernden Messehallen boten der Verkauf des angesehenen Suhrkamp-Verlages in Berlin, Frank Schätzings neues Buch Helden, das prominent beworben wurde und die Plakate des Kohlhammer-Verlages, die darüber aufklärten, das „Wissen sexy ist“ oder zumindest macht.

Italienische Reise - über die Frankfurter Buchmesse 2024
Bücher laden zum Träumen ein …
Foto: Elke Jost-Zell, Deutsche Nationalbibliothek

Verträumtes Lesen

Und natürlich gab es etwas Neues: eine Halle eigens für die jungen Freundinnen und Freunde der Romantasy- und New Adult-Bücher, die sich im vergangenen Jahr mit turmhohen farbenfrohen Bücherstapeln in langen Warteschlangen um die Verlagsstände wanden. In ihrer eigenen Halle finden sie nun ein luftiges, für geduldiges Warten geeignetes Reich des verträumten Lesens. Während sich die F.A.Z. auf ihrer Hauptseite vom 15.10.2024 mit der Frage beschäftigte, ob sich die „Hoffnung, aus Leserinnen solcher Bücher werde sich ein Publikum für ‚Hochliteratur‘ rekrutieren“, erfüllt – mit Blick auf ein anderes Lese-Phänomen, Manga und den klassischen Comic, dem „dieses Massenphänomen keine neuen Leser zugetrieben hat“.

Das muss ja auch nicht sein, man darf auch aus Spaß und Freude lesen und sollte es sogar tun. Wobei sich der Kreis schließt und wir wieder bei Aldo Manutio und Goethe angekommen sind.

„Lesen macht vielseitig, verhandeln geistesgegenwärtig, schreiben genau“, schrieb der Dichterfürst. Dinge, die wir in der malerischen Herbstblüte der größten Buchmesse der Welt erleben können.

Elke Jost-Zell

Elke Jost-Zell ist als Bibliothekarin, GND-Redakteurin und Autorin in der Abteilung Inhaltserschließung sowie für die AG Nachhaltigkeit der Deutschen Nationalbibliothek tätig.

*Nachweis Beitragsbild auf der Startseite:Elke Jost-Zell

Schreibe einen Kommentar

Kommentare werden erst veröffentlicht, nachdem sie von uns geprüft wurden.
Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.

Über uns

Die Deutsche Nationalbibliothek ist die zentrale Archivbibliothek Deutschlands.

Wir sammeln, dokumentieren und archivieren alle Medienwerke, die seit 1913 in und über Deutschland oder in deutscher Sprache veröffentlicht werden.

Ob Bücher, Zeitschriften, CDs, Schallplatten, Karten oder Online-Publikationen – wir sammeln ohne Wertung, im Original und lückenlos.

Mehr auf dnb.de

Schlagwörter

Blog-Newsletter

In regelmäßigen Abständen erhalten Sie von uns ausgewählte Beiträge per E-Mail.

Mit dem Bestellen unseres Blog-Newsletters erkennen Sie unsere Datenschutzerklärung an.

  • ISSN 2751-3238