Notfallmanagement, eine Fortbildung mit Wert
Am 26. 7. und 27.7. 2023 trafen sich ungefähr 30 Kolleg*innen aus verschiedenen Abteilungen in Leipzig mit Stephanie Preuss zur Fortbildung:
„Notfallmanagement – Bergung und Erstversorgung von durch Wasser geschädigte Medienwerke“
Diese Fortbildung gab es im August 2023 auch am Frankfurter Standort.


Theorie zur Rettung von Kulturgut
Angesichts schon eingetretener Katastrophen wie der Brand der Anna-Amalia-Bibliothek oder der Einsturz des Kölner Stadtarchives eine eigentlich für große Teile der Belegschaft von Kulturinstitutionen, notwendige Weiterbildung. So war die Schulung auch schnell ausgebucht. Dank der flexiblen Reaktion auf den großen Trainingsbedarf, konnten aber alle Interessenten teilnehmen.
Zu Beginn ging es um die Theorie, ausgehend von dem tatsächlichen Notfall in der DNB Leipzig, als es 2010 zu einem Wasserschaden im Tiefkeller der Bibliothek kam, erläuterte Frau Preuss zunächst das Szenario eines solchen Falles. Sie betreute damals die Aktion von Seiten des Dienstleisters, Zentrum für Bucherhaltung.
In Notfällen dieser Art ist ein zielgerichtetes und fachgerechtes Handeln notwendig, dabei müssen sich wenige ausgebildete Fachleute auf die Unterstützung von mehrheitlich ungeschulten Helfer*innen stützen. In der Schulung ging es genau darum, den Laien die notwendigen Handlungsfelder und Abläufe zu erläutern. Dabei lernten wir auch scheinbar völlig abwegige Maßnahmen kennen.
Der Theorietag erstreckte sich von der Einweisung in die Notfallboxen bis zu Schutzbekleidung und Hilfsmittel. Der Informationsfluss an Vorgesetzte, Dienstleister usw. sollte bekannt sein.


Der Aufbau und die Mittel der Erstversorgung nach der Bergung des geschädigten Kulturgutes mit den entsprechenden Hinweisen zur Sicherheit von Objekt und „Retter“, Besonderheiten von der Behandlung und Reinigung verschiedener Materialien wie Bücher, Schallplatten, Magnetbänder, Fotos wurden ebenfalls angesprochen, wie das Vorgehen bei Reinigung und Lagerung des geschädigten Kulturgutes. Weiter ging es mit den verschiedenen Möglichkeiten zu Verpackung, deren Beschriftung und Dokumentation. Schließlich die Verpackung und Beschriftung in die Transportbehälter und auf Europaletten. Das Alles sollte in sich bildenden Teams ablaufen, die idealerweise durch die wenigen Fachleute vor Ort koordiniert werden.
Im zweiten Teil der Theorie zeigte Stephanie Preuss Fotos typischer Schadensbilder in Kulturgut. Insbesondere Kolleg*innen der Benutzung kann ein solches Wissen von großem Nutzen sein. Im Falle einer solchen Entdeckung bei den täglichen Ausleihprozessen kann schnell eine Information an die Bestandserhaltung gegeben werden. Das kann helfen z. B. akute Wasserschädigungen zu lokalisieren. Außerdem wurden die weiteren möglichen Schritte wie das Einfrieren beim Dienstleister sowie einige physikalische und chemische Grundlagen erläutert. Zusätzlich wurden die in Köln entwickelten Notfallcontainer vorgestellt.
Übung für den Ernstfall
Am Tag Zwei der Fortbildung ging es nach dem gemeinsamen Treff und einer kurzen Einleitung zur Notfallübung in die „Bibliothek am Torbogen“
Der durch einen Wasserschaden geschädigte Test-Bestand umfasste moderne Materialien, alte Zeitungsbände, Karten, Tonträger, Spiele, Ordner und Fotos. Die Fortbildungsgruppe war dabei in 2 Notfallteams geteilt worden.
In der „Bibliothek am Torbogen“ (dem Südwestlichen Tordurchgang des Gründungsbaus der DNB Leipzig) angekommen, wurden die Notfallgruppen von den Profis des Referates Bestandserhaltung empfangen. Die Kolleg*innen hatten etliche Wagen erheblich beeinträchtigten Testbestandes bereitgestellt. Auch Materialien, Werkzeuge, Schutzbekleidung, Tische und Transportbehälter sowie ein Wasseranschluss standen bereit. Da hatten wir nun den Ernstfall der so hoffentlich nicht mehr eintritt.



Zunächst verschafften sich die Teams einen Überblick über das geschädigte Kulturgut. Dann galt es zum Teil Schutzausrüstung wie Handschuhe oder Einmalanzüge anzulegen und die Arbeitsstrecken und Tische mit den Materialien aus den improvisierten Notfallboxen auszustatten. Auch ein Wasseranschluss stand zur Verfügung. Aufmerksam vom Team der Bestandserhaltung beobachtet, begann die Gruppe parallel zum Aufbau der Verpackungstische, mit der Reinigung von Einbänden geschädigter Zeitungen vorsichtig mit Wasserbrause. Schon das war ungewöhnlich für uns Laien. Wassergeschädigtes Kulturgut wird weiter mit Wasser behandelt.
Dabei geht es darum, grobe Verschmutzung durch Erde, Dreck, Putz usw. vor dem Verpacken von den Einbänden zu spülen. Keinesfalls sollte aber in den Schnitt hineingespült werden. Dann sollte man versuchen den Einband formbewahrend (rechte Winkel) mittels Stretchfolie zu verpacken. Dabei machte sich die Arbeit zu zweit gut. Vorsicht ist mit den teilweise glitschigen und durch Nässe auch schweren Bänden gefordert. Die Zeitungen waren dann verpackt flach auf der Palette abzulegen und nicht zu hoch zu stapeln.



Monografien können in kleinen Stapeln nach der Reinigung im Leporelloverfahren in die Folie geschlagen werden. Dabei mussten wir auf ungefähr gleiche Größe der Objekte achten. Anschließend sind sie zu beschriften und in die Transportboxen flachliegend einzustapeln.
Nicht durchfeuchtete Medien brauchen nicht in Folie verpackt werden. Vorsicht ist in jedem Fall beim Verdacht giftiger Substanzen gegeben. In unserem Falle gab es keine ätzenden Materialien wie Kalk, aber Kosmetika. Eventuell vorhandener Schimmelstaub ist nicht einfach in den Raum zu blasen.
Auch den Tonträgern wiederfuhr eine Reinigung mittels Dusche. CD´s sind dabei von der dünnen Papierhülle zu befreien. Mitunter müssen diese Medien denn auch neu beschriftet werden. Bei den stark verschmutzen Tonträgern war auch mehrmals das Wasser der Reinigungsbäder zu wechseln. Zusammengeklebte Materialien soll man nicht gewaltsam aufschlagen, nach der Reinigung versuchen zu verpacken und zu stabilisieren. Fotos waren möglichst einzeln zu trocknen.



Auch Kartenmaterial war durch Nässe geschädigt. Hier war darauf zu achten, nach der Reinigung die feuchten Karten nicht aufschlagen sondern in gefaltetem Zustand zu verpacken. Schließlich arbeiteten sich beide Teams im Laufe der Übung immer besser ein. Richtige Teamleiter hatten sich nicht gefunden, im Ernstfall haben da eventuell auch immer einige Kolleg*innen der Bestandserhaltung koordinierend den Hut auf.
Zum Ende der Übung fanden wir uns noch einmal im Vortragsaal zur Auswertung mit Stephanie Preuss ein. Einhellig war die Ansicht, dass die Fortbildung viele Erkenntnisse gebracht hat, die in der Zukunft einem möglichst breiten Spektrum der Belegschaft vertraut gemacht werden sollte. Da solcherart geschädigte Medien nach der Erstversorgung in der Regel bei externen Dienstleistern eingefroren und anschließend weiterbehandelt werden, ist eine eindeutige Beschriftung wichtig. Abgeweichte Signaturschilder oder AKZ-Nummern sind da wenig hilfreich.
Gerade bei der Betrachtung von Tonträgern fiel auf, dass die vor einigen Jahren eingeführte „Einsparung“ der Signatur auf CD uns im Notfall viel wertvolle Zeit kostet, da nachbeschriftet werden muss. Auch der Verzicht auf Eigentumsvermerke (Stempel) in gedruckten Medien kann bei einem Massenanfall von geschädigten Medien mit Verteilung auf unterschiedlichste Dienstleister zu Schwierigkeiten bei der späteren Zuordnung führen. An dieser Stelle wurde sehr deutlich, das einseitige Rationalisierungen in einzelnen Fachbereichen zu viel Nacharbeit bei den Kolleg*innen der anderen Abteilungen führen. Ein weiterer Punkt war die Erkenntnis, dass es sinnvoll wäre in größeren Zentren Notfallcontainer zur Verfügung zu haben.
Ein großer Dank von Seite der Fortbildungsteilnehmer an Kolleg*innen der Bestandserhaltung für die Vorbereitung und Durchführung dieser Schulung. Bleibt noch zu sagen, bei den Übungsmaterialien handelte es sich um Testbestand.
Alle Fotos: DNB / Bestandserhaltung CC BY SA 3.0 DE