Oktoberland
Die blühende Bibliothek im Herbstkleid

Foto: Kathrin Wilhelm, Deutsche Nationalbibliothek
Der Herbst hält goldenen Einzug in die Natur um die Deutsche Nationalbibliothek in Frankfurt am Main. Für die Liebhaber des Sommers wird er von leiser Wehmut begleitet, während sich die Liga der Herbstfreunde mit heißem Tee, Wolldecke und einem schönen Buch einkuschelt. In der Deutschen Nationalbibliothek würden wir Beschäftigte auch gern mit den Büchern kuscheln – doch hier, in dieser 50 Millionen Medieneinheiten umfassenden Bibliothek mit den 50 Millionen Dingen, die zu tun sind, gilt das Prinzip: So many books – so little time!

Foto: Kathrin Wilhelm, Deutsche Nationalbibliothek
In der Lyrik schwärmt der eine Dichter von goldenem Herbstlicht und süßen Apfelernten (August Heinrich Hoffmann von Fallersleben), beschreibt der andere seine Stürme, „[…] die Blätter fliegen, durch nackte Zweige fährt der Wind […]“ (Theodor Storm). Wieder andere, wie Johann Wolfgang von Goethe, fallen in düstere Gedanken „[…] Die Vögelein schweigen im Walde. Warte nur! Balde ruhest du auch“ oder gar morbide (Georg Trakl) „[…] Weit offen die Todeskammern sind, und schön bemalt vom Sonnenschein“ – viele, fast alle, beschwören Blätterfall, Raureif, Spinnweben und Nebel herauf.
Sehr zart schreibt Erich Kästner in seinem Gedicht Der Oktober:
„[…]
Nebel zaubern in der Lichtung
eine Welt des Ungefährs.
Raum wird Traum. Und Rausch wird Dichtung.
Folg der Zeit. Sie weiß die Richtung.
[…]“

Foto: Kathrin Wilhelm, Deutsche Nationalbibliothek
Der Herbst ist eine Zeit, von der F. Scott Fitzgerald in seinem berühmten Roman The Great Gatsby (Der große Gatsby) schwärmte: „Life starts all over when it gets crisp in the fall“ und Anne (with an E) schwärmt in Lucy Maud Montgomerys nicht minder bekanntem Jugendroman Anne of Green Gables (Anne auf Green Gables): „I’m so glad I live in a world where there are Octobers!“
Doch der Schriftsteller, der den Oktober wie kein anderer besingt, ist Ray Bradbury. Nicht nur in seinem Roman „Something wicked this way comes“ (Das Böse kommt auf leisen Sohlen) spielt die Oktoberzeit neben einem Zirkus voller schattenhafter Figuren, einem magischen Karussell, Blitzableitern, dem Ticken der Lebensuhr und zwei Jungen in einer Stadtbibliothek eine tragende Rolle. Auch der Kurzgeschichten-Band „The October Country“ (Familientreffen) und das Jugendbuch „The Halloween Tree“ (Halloween) bestehen ganz aus goldenem Licht, Kürbisgesichtern, tanzenden Herbstblättern um knorrige Bäume, uralten Häusern und – Geheimnissen.
Bradbury nannte es das „Oktoberland … das Land, in dem es immer spät im Jahr ist. Das Land, in dem die Hügel aus Nebel bestehen und die Flüsse aus Dampf, wo Nachmittage schnell vergehen, Dämmerung und Zwielicht verweilen und die Mitternacht bleibt. Das Land, das sich in Kellern bildet, Unterkellern, Kohleöfen, Nischen, Dachböden und Vorratskammern, der Sonne abgewandt. Das Land, in dem die Leute Herbstmenschen sind, und nur Herbstgedanken denken. In dem die Leute bei Nacht, auf den leeren Wegen wie Regentropfen klingen …“

Foto: Kathrin Wilhelm, Deutsche Nationalbibliothek
Das Oktober-Highlight der Bücherfreund*innen, die Frankfurter Internationale Buchmesse, ist vorüber, die Messebesucher sind wieder zuhause, ihre Regale voller Leseschätze. In der Deutschen Nationalbibliothek legen wir uns einen wärmenden Schal um den Hals und besuchen die Ginkgo-Allee, die die Ostseite des Gebäudes an der Eckenheimer Landstraße säumt. Im Sommer kühlte ihr frisches Grün so manchen stickigen Tag, nun leuchtet sie in tausend kleinen Sonnen auf Spaziergänger und Bibliotheksbesucher.

Foto: Kathrin Wilhelm, Deutsche Nationalbibliothek
Ich bin beeindruckt von dem herbstlichen Oktoberblog. Ein mit Leichtigkeit verfasster und mit Literaturkenntnis gespickter Beitrag, verziert mit Kathrins einfühlsamen Fotos. Man spürt die Kongenialität. Gratulation und weiter in so in diesem sympathischen Stil!
Herzlichen Dank für das schöne Kompliment!