RDA und kein Ende?

17. März 2022
von Renate Behrens

Einleitung

In den letzten Jahren wurde immer wieder die Frage gestellt, wann der Standard Resource Description and Access (RDA) nun fertig sei und man von einer stabilen Lage ausgehen könne. Die Antwort darauf ist einfach. Jeder Standard muss sich weiterentwickeln und das bedeutet Veränderung. Regelungen, die sich den aktuellen Gegebenheiten nicht mehr anpassen, sind tot und nicht mehr praxistauglich. Dass dies in den vergangenen Jahren immer schneller erfolgen musste, liegt an der schnelllebigen Umgebung in der wir uns auch im Bereich der Kulturerbeinstitutionen bewegen. Diese Veränderungen in der Praxis nachzuvollziehen und in die bestehenden Regelungen einzupflegen ist aufwändig und erfordert einen hohen Einsatz von Personalressourcen. Bereits die Entscheidung, welche Anpassungen zum jeweiligen Zeitpunkt für die tägliche Arbeit notwendig sind, erfordert ein hohes Maß an Expertise. Anwendergemeinschaften, die auf eine stabile Organisation mit entsprechenden Personalressourcen zurückgreifen können, sind an dieser Stelle im Vorteil.

Hinzu kommt, dass aktuelle Standards in der Regel nicht nur für sich alleine stehen, sondern auf gemeinsamen Modellen aufbauen, deren Veränderungen ebenfalls überprüft und gegebenenfalls nachvollzogen werden müssen. Die Auswirkungen auf Formate und Systeme kommen dann als Folge noch hinzu und müssen ebenfalls abgestimmt und in die entsprechenden Gremien eingebracht werden. Dies führt zu einem Kreislauf von Veränderungsprozessen, der unter dem Aspekt der Innovation jedoch positiv zu bewertet ist.

Im Folgenden sollen die aktuellen Prozesse in verschiedenen Standards in Bezug auf RDA dargestellt werden.

RDA in DACH

Der Standard RDA erhielt mit dem neuen RDA Toolkit (seit Dezember 2020) eine neue technische Plattform, eine völlig andere Dokumentationsstruktur und veränderte inhaltliche Konzepte. Dies hat weitreichende Auswirkungen auf die Benutzung des Toolkit und die Festlegungen im DACH-Raum. Da die RDA auch in Zukunft die Basis für die Erschließung im deutschsprachigen Raum sein soll, sind umfassende Anpassungsarbeiten notwendig. Um diese durchzuführen, hat der Standardisierungsausschuss die Fachgruppe Erschließung beauftragt, ein gemeinsames Erschließungshandbuch für die Bibliotheken des DACH-Raums zu erstellen.

Das Projekt „3R für DACH-Bibliotheken“ wird im Zeitraum März 2020 bis Dezember 2022 von der Fachgruppe Erschließung kooperativ mit den Institutionen des Standardisierungsausschusses unter Leitung der Deutschen Nationalbibliothek durchgeführt. Zahlreiche Expert*innen aus den drei beteiligten Ländern erarbeiten hier zusammen ein gemeinsames Erschließungshandbuch, das für alle Institutionen in der Praxis eingesetzt werden kann. Hierbei liegt der Schwerpunkt auf der praktischen Umsetzung in der Katalogisierung mit einem möglichst geringen Änderungsbedarf.

In einem ersten Arbeitspaket wurde bis Mitte September 2020 ein Konzept für das Erschließungshandbuch ausgearbeitet, welches drei Teile enthält. Zwei dieser Teile bieten einen Einstieg für die Katalogisierung, zum einen über die Beschreibung der Elemente (zum Beispiel Verlag und Verlagsort) und zum anderen über die Beschreibung spezifischer Ressourcentypen (beispielsweise Hochschulschrift, fortlaufendes Sammelwerk). Ergänzt werden diese Teile durch einen allgemeinen Teil, der sich mit grundsätzlichen Fragen beschäftigt. Bis zum Ende des Jahres 2021 konnten bereits fast alle Elemente für die Formalerschließung und ein Teil der allgemeinen Texte fertiggestellt werden. Im ersten Halbjahr 2022 folgen die Elementbeschreibungen für die Normdaten und die Ressourcenbeschreibungen.

Parallel zu den Elementbeschreibungen wird ein Application Profile für den deutschsprachigen Raum erstellt, welches auf das bisherige Standardelemente-Set aufbaut und verbindliche Elemente mit ihren Kerneigenschaften definiert. Ebenso konnten bereits die Arbeiten für die Spezialmaterialien, hier vor allem die Bereiche Musik und Alte Drucke, begonnen und in die Elementbeschreibungen aufgenommen werden. Grundsätzlich werden alle Spezialmaterialien im DACH-Erschließungshandbuch repräsentiert sein.

In der laufenden Projektphase werden alle Arbeitsergebnisse in einem Wiki der DNB dokumentiert. Ein eigenes DACH-Dokumentationsprojekt beschäftigt sich gleichzeitig mit der Dokumentation aller Regelungen auf Basis von Wikibase. Die Dokumentation soll gleichzeitig für Expert*innen als auch für Einsteiger*innen und für Anwender*innen aus nicht-bibliothekarischen Bereichen ausgerichtet sein. Gleichzeitig soll sie eine ausreichende Grundlage für Schulungen bilden und durch Arbeitsgruppen modular um eigene Regelergänzungen und Verfeinerungen erweitert werden können. Durch die vollständige Ablage an einer zentralen Stelle soll die bisher verteilte Dokumentation abgelöst werden.

Bereits in der ersten Jahreshälfte 2022 werden sich alle Partnerinstitutionen im Projekt über ein Schulungskonzept der neuen Inhalte verständigen, und voraussichtlich zum Jahreswechsel 2022/2023 können die ersten Anpassungsschulungen durchgeführt werden.

RDA in Europa

Die sehr heterogene Situation in Europa und die Vielfalt der Sprachen und Traditionen erlaubt es nicht, eine einheitliche Lösung für die Umsetzung der neuen RDA wie im anglo-amerikanischen Raum zu finden. Trotzdem versuchen die europäischen Anwendergemeinschaften, gemeinsame Absprachen zu finden, Erfahrungen auszutauschen und sich gegenseitig zu unterstützen. Die European RDA Interest Group (EURIG) hat sich hier als beständiges Bindeglied bewiesen. Durch Veranstaltungen wie „RDA in Europe“, aber auch durch Mailinglisten und Wiki-Bereiche stellt sie eine Plattform für die Zusammenarbeit her, die über die Sprachgrenzen hinweg genutzt wird. Darüber hinaus gibt sie wichtige Impulse an die für die RDA verantwortlichen Gremien, um den begonnenen Prozess der Internationalisierung zu unterstützen.

RDA international

Nachdem das neue RDA Toolkit Ende Dezember 2020 veröffentlicht wurde, konnten sich RDA Board und RDA Steering Committee, RSC mit den Nacharbeiten und der Planung der Weiterentwicklung des Standards beschäftigen.

Naturgemäß nahm in den ersten Monaten die Bereinigung von Fehlern, Anpassungen an den Texten und die Beschäftigung mit den aus dem eigentlichen Regelwerkskorpus ausgegliederten alten Regelungen einen breiten Raum ein. So wurden zum Beispiel alle Regelungen zu Spezialmaterialien, wie Musik, oder nur für spezielle Communitys zutreffende Texte, wie Bücher der Bibel, ausgegliedert und in einem speziellen Bereich des RDA Toolkit abgelegt. Diese müssen künftig an einem geeigneten Platz untergebracht werden. Hierfür gibt es bereits jetzt die sogenannten Community Zones. Diese sollen aber eine weit darüberhinausgehende Aufgabe wahrnehmen. Spezialcommunitys, Sprachcommunitys oder weitere Anwendergemeinschaften sollen hier ihre Dokumente speichern und zugänglich machen können. Die Planungen dazu dauern noch an, da an dieser Stelle auch Vereinbarungen zur Zugänglichkeit, zu Zuständigkeiten, Art der Inhalte und vieles mehr geregelt werden müssen.

Neben diesen mehr inhaltlichen Aufgaben stehen auch strategische Fragen auf der Tagesordnung der RDA-Gremien. Ein ganz wichtiger Aspekt ist die seit langem geforderte Internationalisierung der RDA. In diesem Zusammenhang sind auch die Bemühungen des RDA Board um den weiteren Aufbau von regionalen RDA-Organisationen zu sehen. Die Regionen Afrika und Asien haben bislang keine offiziellen Vertretungen, in Südamerika steht der Aufbau einer Repräsentanz bevor. Diese Entwicklungen sollen aktiv unterstützt werden.

Um einige wichtige Aspekte voranzutreiben, hat das RSC zu Beginn dieses Jahres vier neue Arbeitsgruppen gegründet. Es sind dies eine Arbeitsgruppe zu Ausmaßen und Abmessungen im weitesten Sinne, zu mehreren offiziellen Sprachen in einem Anwendungsgebiet, eine AG zu Orten und Gebietskörperschaften und nicht zuletzt die Working Group für religiöse Werke. Die Regelungen zu religiösen Werke wurden zu Recht seit vielen Jahren als zu anglo-amerikanisch und christlich orientiert kritisiert. Hier soll nun eine Veränderung erfolgen. Erfreulicherweise konnte in jede der neuen RSC Working Groups mindestens eine Vertretung aus der EURIG entsandt werden.

Ein weiterer Schwerpunkt in der Arbeit der vergangenen Monate war die Beschäftigung mit dem Thema Sammlungen in RDA. Hier gibt es in den verschiedenen Communitys wie Archiven und Bibliotheken unterschiedliche Bedarfe beziehungsweise unterschiedliche Ausgangslagen. Aber auch in den Bibliotheken selbst werden Sammlungen verschieden erschlossen (zum Beispiel analytisch oder hierarchisch). Die Technical Working Group des RSC hat im Herbst 2021 ein Dokument ausgearbeitet, das verschiedene Ansätze für die Erschließung von Sammlungen in RDA ermöglicht. Hierbei sind maßgebliche Ebenen des Library Reference Model (Werk, Expression, Manifestation und Exemplar) betroffen. Darüber hinaus müssen auch die Konzepte „Aggregates“ und „Diachronic“ berücksichtigt werden. Die erste Analyse ergab, dass die RDA bereits jetzt in der Lage ist, Metadaten für Kulturerbe-Sammlungen zu beschreiben. Es mussten hierfür keine neuen Entitäten eingeführt werden und nur wenige Anpassungen an bestehenden Elementen vorgenommen werden, die mit dem Release des Toolkit im Frühjahr 2022 eingefügt werden.

RDA und Formate

Die Umstrukturierung des RDA Toolkit und die neuen Konzepte aus dem 3R-Projekt haben auch Auswirkungen auf die Formate zur Folge. Zuständig im Bereich MARC 21 ist die MARC/RDA Working Group, die aus Mitgliedern des RSC und des MARC Advisory Committee (MAC) besteht. In einem ersten Schritt werden die Abbildung der neuen Konzepte „Representative expression“ und „Data provenance“ umgesetzt. Mit der BIBFRAME Community ist das RSC seit einiger Zeit in regelmäßigem Kontakt, um auch hier eine Kompatibilität mit RDA zu erzeugen.

Ein weiteres internationales Format hat sich in den letzten Jahren ebenfalls mit der Umsetzung der aus den RDA kommenden Anforderungen beschäftigt. Das bei der International Federation for Library Associations and Institutions (IFLA) angesiedelte Permanent UNIMARC Committee (PUC) hat zunächst die Änderungen für die Werk- und Expressionsebene eingeführt. Die Manifestationsebene wird im nächsten Schritt folgen.

RDA und IFLA

Die IFLA entwickelt seit vielen Jahren Standards in zahlreichen Bereichen des Bibliothekswesens. Diese offiziellen IFLA-Standards sind international, frei zugänglich und unterliegen einem Prüfungs- und Genehmigungsverfahren. Davon beschäftigen sich zahlreiche mit der Erschließung von Beständen und orientieren sich deshalb auch an den Weiterentwicklungen anderer internationaler Standards.

Das aus dem Jahr 1961 stammende Grundlagenmodell International Cataloguing Principles (ICP), auf dem auch die RDA basieren, wird in naher Zukunft überarbeitet und an das IFLA Library Reference Model (IFLA LRM) angepasst. Diese Arbeit wird von einer Teilgruppe der IFLA Cataloguing Section durchgeführt. Auch hier werden die Erfahrungen aus den RDA miteinfließen, sodass in diesem Fall ein Standard rückwirkend auch ein Modell beeinflussen könnte.

Ein weiterer internationaler Standard, die International Standard Bibliographic Description (ISBD) ist weltweit seit vielen Jahren verbreitet. Im Gegensatz zu RDA ist er stark praxisorientiert und einfach einzusetzen. Dies wird vor allem von Anwendergemeinschaften geschätzt, die über wenig finanzielle Möglichkeiten verfügen und/oder keinen stabilen Internetzugang gewährleisten können. Die ISBD unterziehen sich derzeit einem aufwändigen Aktualisierungsverfahren. Eine Arbeitsgruppe erarbeitet als ersten Schritt eine Anpassung an das IFLA LRM auf Manifestationsebene. Ein enger Austausch mit den Regelungen und Prinzipien der RDA ist hier gegeben und eine möglichst effiziente Austauschbarkeit zwischen diesen beiden internationalen und weit verbreiteten Standards wird angestrebt.

Interessant dürfte auch die Weiterentwicklung des LRM sein, die vor ein paar Jahren begonnen hat. Bereits das Vorgängermodell Functional Requirements for Bibliographic Records (FRBR) hatte ein Modell für die objektorientierte Erschließung entwickelt, das FRBRoo (oo steht für object-oriented). Folgerichtig wird von der in der IFLA zuständigen Arbeitsgruppe ein LRMoo ausgearbeitet. Diese Gruppe arbeitet eng mit der CIDOC CRM Special Interest Group aus der Museumscommunity zusammen. Im Herbst letzten Jahres konnte die Arbeitsgruppe einen Entwurf vorlegen, der sich zurzeit im Abstimmungsverfahren befindet.

Der Multilingual Dictionary of cataloguing terms (MulDiCat) enthält Begriffe aus internationalen Katalogisierungs- und Klassifikationskonzepten und soll vornehmlich dazu dienen, maßgebliche Übersetzungen von Standards und Dokumenten der IFLA zu vereinheitlichen. Auch hier ist Vokabular und Definitionen aus den RDA eingeflossen, bislang allerdings erst in einem noch nicht vom RSC verifizierten Stand. Das RSC wird sich hierzu mit der zuständigen IFLA-Arbeitsgruppe verständigen.

RDA und Spezialmaterialien

Die Rare Books and Manuscripts Section (RBMS) innerhalb der American Library Association (ALA) hat mit den Descriptive Cataloging of Rare Materials (RDA Edition), DRMR einen aktualisierten und an RDA angepassten Standard für Spezialmaterialien vorgelegt. Diese Aktivität zeigt ebenfalls auf, wie vielfältig die Möglichkeiten der RDA nach dem 3R-Projekt sind. Die offene, mehr modellhafte Struktur ermöglicht es auch Spezialcommunitys, sich hier anzudocken und gleichzeitig die eigenen Regelungen einzubringen.

Im deutschsprachigen Raum arbeiten seit geraumer Zeit Arbeitsgruppen an Festlegungen für Spezialmaterialien in Übereinstimmung mit RDA. Hierbei werden verschiedene, an die betreffende Anwendergemeinschaft angepasste, Vorgehensweisen verfolgt. Einige dieser Gruppen bringen Regelungen für ihre Materialarten direkt in das aktuell entstehende Erschließungshandbuch ein, andere setzen auf einem bereits bestehenden Standard auf. Ein sehr erfolgreiches Beispiel für letzteres sind die „Ressourcenerschließung mit Normdaten in Archiven und Bibliotheken (RNAB)“. Dieser Erschließungsstandard, der vorwiegend in Literaturarchiven Anwendung findet, stellt Regeln bereit, um Bestände (Personen-, Familien- und Körperschaftsarchive sowie Sammlungen) in ihrer Gesamtheit und ihren Teilen sowie ihren Inhalten zu beschreiben. Alle aktuellen Entwicklungen wie RDA und Records in Context (RiC) der Expert Group on Archival Description (EGAD) wurden in den Standard eingearbeitet. Eine Aktualisierung der RNAB wird im Frühjahr 2022 veröffentlicht.

Fazit

Diese Ansätze machen Mut, mit weiteren Standards für Kulturerbeeinrichtungen zusammenzuarbeiten. Dabei muss jedoch beachtet werden, dass spartenübergreifende Zusammenarbeit Veränderungen mit sich bringen, die wiederum in den eigenen Kontext eingebracht werden müssen. Gleichzeitig stellt diese Art der Weiterentwicklung von Standards durch gegenseitige Befruchtung einen hohen Mehrwert dar und kann langfristig die Normierung im Bereich der Kulturerbeeinrichtungen deutlich voranbringen, auch wenn der Aufwand dafür auf den ersten Blick sehr hoch erscheint. Für die Nutzenden der Bestände ist eine solche vernetzte Bereitstellung bereits selbstverständlich.

*Nachweis Beitragsbild auf der Startseite:DNB

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