Stählerne Zeitzeugen
Die historische Maschinensammlung
Die historische Maschinensammlung des Kombinates Polygraph bekommt nach 1990 eine neue, dauerhafte Heimstatt im Deutschen Buch- und Schriftmuseum. Seitdem übernimmt das Museum wiederholt Zeugnisse der Industriekultur, die Aufschluss geben über die Buchherstellung.

Im Deutschen Buch- und Schriftmuseum sind wir bemüht, komplizierte technische Prozesse anhand von Werkzeugen, Geräten und Maschinen deutlich zu machen. Wir bewahren historische Techniken für spätere Generationen, weil nur so begreifbar bleibt, wie die Schriften, Drucke und Papiere hergestellt wurden, die sich in unseren Beständen befinden. Den Maschinen kommt dabei eine besondere Bedeutung zu, da sie genau diese Herstellungsprozesse sichtbar und erlebbar machen. Im Museum werden seit der Gründung im Jahr 1884 immer wieder Objekte für die Schausammlung und die Technischen Sammlungen angeschafft. Teilweise sind diese Maschinen im Laufe der letzten einhundert Jahren wieder verloren gegangen, aber auch ausgesondert oder zerstört worden, beispielsweise während der Bombardierung Leipzigs im Dezember 1943. Als das Museum zuerst interimistisch und später dann als Abteilung in die Deutsche Bücherei integriert wird, gibt es keine Möglichkeit, die Technischen Sammlungen sowie viele große Objekte der Schausammlung aufzubewahren. Nur ein kleiner Teil wie die hölzerne Druckerpresse aus dem 18. Jahrhundert und einige wenige technische Objekte verbleiben im Museum.1



In den 1970er Jahren beginnt das Kombinat VEB Polygraph Leipzig eine historische Maschinensammlung aufzubauen. 1984 kommt der Plan auf, auch mithilfe des Buchmuseums diese Maschinensammlung im „Bugra-Messehaus“ (dem alten Buchgewerbehaus und bis 1943 Sitz des Museums) am Gutenbergplatz in Leipzig auszustellen. Mit den wirtschaftlichen Umbrüchen, die in den 1990er Jahren erfolgen, steht auch diese Sammlung, wie viele andere historische grafische Maschinen, zur Disposition. In komplizierten Verhandlungen mit der Treuhand kann ein großer Teil der Maschinensammlung in das Museum übernommen werden. Dazu zählen solche wichtigen und aussagekräftigen Objekte wie die Handpresse von Christian Dingler, eine Schnellpresse von König & Bauer, Maschinen von den Firmen Karl Krause, Gebrüder Brehmer, Schelter & Giesecke, Hogenforst, den Maschinenfabriken Mergenthaler, Rockstroh, Heidelberger und Gebrüder Heidsieck. Besondere Verdienste erwerben sich dabei Gottfried Rost, der Direktor der Deutschen Bücherei, sowie Lothar Poethe und Rudolf Wengemuth vom Museum. In der „wilden Wendezeit“ kann so eine einmalige historische Maschinensammlung vor ihrer Auflösung bewahrt bleiben. Eine wichtige Funktion übernimmt später auch die Firma SID (Sächsisches Institut für die Druckindustrie), eine Nachfolgegründung von ehemaligen Mitarbeitern des Kombinates Polygraph. Anfang der 1990er Jahre restauriert sie viele dieser Maschinen und macht sie wieder gangbar.
Auch später gelangen durch den Modernisierungsprozess in der Branche wichtige Zeugnisse der Industriekultur in das Museum. Betriebsschließungen zu begleiten, gehört deshalb auch zu unseren musealen Aufgaben. So übernimmt das Museum bei der Schließung der Leipziger Firmen der Gebrüder Brehmer, von Brockhaus, C. G. Röder, Offizin Andersen Nexö und auch der Zeitungsdruckerei der Leipziger Volkszeitung zahlreiche Objekte aus deren Vergangenheit. Damit leistet das Deutsche Buch- und Schriftmuseum einen Beitrag zur Bewahrung der Geschichte der Buchstadt Leipzig.
Dieser Beitrag ist ein Kapitel aus der Publikation „Tiefenbohrung. Eine andere Provenienzgeschichte“. Infos zum Gesamtprojekt zur Provenienzgeschichte des Deutschen Buch- und Schriftmuseums sind hier zu finden: dnb.de/tiefenbohrung
Wolfgang Hohensee
Wolfgang Hohensee ist Leiter der Kulturhistorischen Sammlung im Deutschen Buch- und Schriftmuseum.
- Funke, Fritz: Originales Sammelgut im Deutschen Buch- und Schriftmuseum. In Festschrift der Deutschen Bücherei, Leipzig 1962, S. 241. ↩︎







