Übersetzen: Eine Frage des Zeitgeistes

22. Oktober 2021
von Maja Hetmank

Was ist das meistübersetzte deutsche Buch?

Bücherstapel mit Übersetzungen von Cornelia Funkes „Tintenherz“
Cornelia Funkes mehrfach ausgezeichnetes Jugendbuch „Tintenherz“ ist auch durch die Verfilmung inzwischen weltweit bekannt. Foto: DNB, Julia Rinck, CC BY SA 3.0 DE

Das Ausstellungsteam von „ÜberSetzen“ ist der Frage nachgegangen und hat festgestellt, dass eine Antwort hierauf doch differenzierter ausfällt als zunächst angenommen. Meist hat man bei der Frage sofort die großen Klassiker im Kopf: Goethes „Faust“ vielleicht oder ein Werk von Thomas Mann. Als Bibliothekar*innen kommen wir vielleicht besonders schnell auf die Werke, die man klassischerweise als unser kulturelles Erbe ansehen würde. Wenn man als Quelle den Index translationum der UNESCO heranzieht, ist dieses Gefühl auch gar nicht so falsch: Hier stehen „Grimms Märchen“ auf Platz eins der meistübersetzen deutschen Werke. Weitere Spitzenreiter unter den deutschen Autor*innen sind Rudolf Steiner, Karl Marx und auch Johann Wolfgang von Goethe.

Übersetzungen spiegeln den Zeitgeist wider

Obwohl das Gefühl hinsichtlich der Klassiker also durchaus nicht trügt, irritiert auch manches. Hilfreich ist es, wenn man sich bewusst macht, dass auch das Übersetzungsgeschehen Zeitgeist und ‑themen aufgreift und widerspiegelt. Datenanalysen des Bestandes an Übersetzungen aus der Deutschen Nationalbibliothek aus dem Jahr 2019 belegen dies: In den Jahren vor 1945 waren „Im Westen nichts Neues“ von Erich Maria Remarque, „Gespräche mit Hitler“ von Hermann Rauschning oder Karl Mays „Winnetou“ besonders populär und wurden häufig übersetzt. Seit 1946 dominiert Karl Marx die Sammlung, wie auch ein kurzer Blick auf den täglichen Neuzugang an Medienwerken belegt – Marx wird noch heute in aller Welt gelesen. Aktuell hoch im Kurs liegen beispielsweise die Jugendbücher von Cornelia Funke aus der Tintenwelt-Trilogie und das ökologische Sachbuch „Das geheime Leben der Bäume“.

Neue Wege für Übersetzungen

Unsere zunehmend globalisierte Welt und neue technische Möglichkeiten schaffen auch die Voraussetzungen für Übersetzungsprojekte wie zum Beispiel Philipp Winterbergs Weltkinderbuch-Projekt. Der Kinderbuchautor will das von ihm verfasste und verlegte Bilderbuch „Bin ich klein?“ in über 500 Sprachen übersetzen lassen. Bereits zu diesem Zeitpunkt liegt es in über 200 Sprachen und Dialekten vor. Damit ist es bereits jetzt in jedem Land der Erde in zumindest einer Landessprache verfügbar. Dass Projekte wie dieses die Klassiker in nur wenigen Jahren in der Zahl der übersetzten Sprachen überholen können, zeigt, wie dynamisch und schnelllebig das Übersetzungsgeschehen inzwischen geworden ist. Der digitale Wandel vereinfacht sowohl den Datenaustausch als auch Distribution und Rezeption – und nicht zuletzt auch die Kommunikation zwischen Autor*innen und ihren Übersetzer*innen.

Ausstellung „Übersetzen“

Mit den Auswirkungen der digitalen Transformation auf das Übersetzen beschäftigt sich auch unsere Kabinettausstellung „ÜberSetzen – von Babylon nach DeepL. Das Europa der Sprachen“ im Leipziger Tresorraum. Hier können Sie auch unsere Top 7 der meistübersetzten deutschsprachigen Werke sehen. Da hängen beziehungsweise stehen die Gebrüder Grimm, Karl Marx und Philipp Winterberg einträchtig beieinander.

Vitrine mit ausgestellten Buchcovern von Erich Kästners „Emil und die Detektive“ und Christa Wolfs „Der geteilte Himmel“
Die Ausstellung „ÜberSetzen – Von Babylon nach Deepl. Das Europa der Sprachen“ zeigt eine bunt gemischte Auswahl von Übersetzungen deutschsprachiger Werke aus den letzten 100 Jahren. Foto: DNB, Christine Hartmann, CC BY SA 3.0 DE
*Nachweis Beitragsbild auf der Startseite:Foto: DNB, Christine Hartmann, CC BY SA 3.0. DE

2 Kommentare zu „Übersetzen: Eine Frage des Zeitgeistes“

  1. P. sagt:

    Man fragt sich nach dem Lesen Ihres Beitrags…

    1. Warum zeigen Sie kein Foto des meistübersetzten deutschen Buches?

    2. Warum sprechen Sie von den „Top 7 der meistübersetzten deutschen Werke“ wenn doch tatsächlich die „Top 7 der meistübersetzten deutschSPRACHIGEN Werke“ in der Ausstellung zu sehen ist?

    3. Warum führen Sie den völlig veralteten Index Translationum als Quelle an, ohne deutlich darauf hinzuweisen, dass dessen Daten für Deutschland seit über einem Jahrzehnt nicht mehr aktualisiert wurden?

    4. Warum erwähnen Sie hauptsächlich Autor*innen, die gar nicht in der Top 7 sind (Erich Maria Remarque, Karl May, Cornelia Funke, Johann Wolfgang von Goethe, Rudolf Steiner, Thomas Mann etc.) und verschweigen Autor*innen wie Johanna Spyri und Ulrich Renz, die dort vertreten sind?

    5. Warum zeigen Sie kein Foto der „Top 7“-Vitrine oder listen die Top 7 im Text? Wäre es nicht sinnvoll, wenn Sie wenigstens eine klare Antwort auf die eingangs selbst gestellte Frage nach dem meistübersetzten deutschen Buch geben würden?

    Vielen Dank im Voraus für Ihre Antwort.

    1. Maja Hetmank sagt:

      Liebe*r P.,
      vielen Dank für Ihre Anmerkungen. Auf Ihre Fragen gehe ich gern ein:

      1. Welches das meistübersetzte deutsche Buch ist, lässt sich nicht so einfach sagen. Es ist von mehreren Faktoren (Was genau wird gezählt? Sprachen? Übersetzte Werke? Wie bewertet man bspw. Neuübersetzungen?) abhängig, die jeweils verschiedene Ergebnisse zutage fördern. Genau wie seinerzeit in der Ausstellung war hier keine amtliche Rangfolge beabsichtigt, sondern eine Darstellung populärer Werke der Übersetzungsgeschichte im Vergleich historischer und gegenwärtiger Möglichkeiten.

      2. Danke für den Hinweis. Wir haben die Stelle korrigiert.

      3. Sie haben Recht, dass der Index Translationum nicht mehr aktuell ist. Wenn man aber dessen Angaben mit unseren Beständen im Katalog vergleicht, ist vieles immer noch treffend.

      4. Im Kern geht es in dem Beitrag darum zu zeigen, wie dynamisch das Übersetzungsgeschehen im Laufe der Zeit ist – sowohl im Hinblick auf die bevorzugten Themen als auch auf die technischen Möglichkeiten und die veränderten Produktions- und Distributionsbedingungen. Die Auswahl der Autor*innen soll das illustrieren.

      5. Der Beitrag sollte natürlich anregen, die Ausstellung zu besuchen und möchte nicht im Voraus alles „verraten“. Es werden mehrere Antworten gegeben. Eine klare Antwort kann es allerdings, aus den bereits genannten Gründen, nicht geben.

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