Umweltbewusstsein in Publikationen

4. Februar 2025
von Can-Elliot Sachs

Das Umweltbewusstsein bildet einen zentralen Punkt in der Kulturlandschaft Deutschlands. Es geht nicht nur darum, wie die deutsche Bevölkerung zu der Problemlage der Klimakrise oder umweltbelastenden Schadstoffemissionen steht, sondern auch, in welcher Ausprägung das Wissen um eine gefährdete Umwelt, letztlich einen gefährdeten Planeten, vorhanden ist. Seit den 1980er Jahren werden in Deutschland soziologische Studien (Bevölkerungsumfragen) betreffend des Umweltbewusstseins der Bevölkerung durchgeführt, mit dem Ergebnis, dass Umweltbelange ein Kernanliegen der deutschen Bevölkerung darstellen. Die Entwicklung des Umweltbewusstseins vor dem Einsetzen der Studien ist quantitativ wenig erforscht worden. Dieses Projekt hat sich der Frage gewidmet, wie sich das Umweltbewusstsein in Deutschland seit dem beginnenden 20. Jahrhundert entwickelt hat.

Dafür wurde die Annahme getroffen, dass das Umweltbewusstsein maßgeblich auf das Umweltwissen – also die Informiertheit einer Bevölkerung zu Umweltthemen – zurückzuführen ist. Dieses Wissen ist selbstverständlich im Diskurs über die Umwelt gegenständlich. Diskurse wiederum betreffen die Gesamtheit an Wissensbeständen, die man auch quantitativ untersuchen kann. Die Deutsche Nationalbibliothek sammelt systematisch seit dem Jahr 1913 Medienwerke und archiviert diese an den Standorten Leipzig und Frankfurt. Die Medienwerke wurden durch die DNB mit formalen und inhaltlichen Metadaten erschlossen. Metadaten entsprechen hierbei den Daten über das Werk (Titel der Publikation, Erscheinungsjahr, Verlag etc.). Der genutzte Datenabzug umfasst die Metadaten von ca. 31 Millionen Werken der Publikationslandschaft in Deutschland, also Informationen über Bücher und andere Medienwerke, die in den letzten 110 Jahren in Deutschland veröffentlicht wurden. Dieser Datensatz wurde in dem Projekt empirisch untersucht.

Um zu ermitteln, wann der Diskurs über Umweltthemen in Deutschland eingesetzt hat, wurde ein Wortfeld erstellt, welches Lexeme (Bedeutungseinheiten) enthält, die mit dem Umweltbewusstsein in Verbindung stehen. Das Wortfeld wurde unter sorgfältiger theoretischer Vorüberlegung konzipiert, es enthält 1533 verbundene Lexeme zum Umweltbewusstsein. Jedes einzelne Lexem wurde schließlich auf den gesamten Titeldatensatz der DNB, also ca. 31 Millionen Publikationen, angewendet, um zu überprüfen, ob das Lexem in einem Titel oder Untertitel einer Publikation vorkommt. Wenn dies der Fall war, wurde durch einen Algorithmus die entsprechende Publikation markiert und herausgefiltert. Die gefilterten Publikationen wurden schließlich nach Datum der Veröffentlichung sortiert. Durch dieses Verfahren wurden 76.335 relevante Publikationen ermittelt, die für das deutsche Umweltbewusstsein auf der Ebene des Umweltwissens prägend waren.

Die Ergebnisse zeigen, dass das Umweltbewusstsein bereits in den 1910er Jahren in Deutschland gegenständlich war, sich dieses aufgrund historischer Ereignisse wie den beiden Weltkriegen und dem Wiederaufbau in der Nachkriegszeit im Verhältnis zur gesamten Publikationslandschaft unterschwellig verhält. Erst Mitte der 1970er Jahre steigt das Umweltbewusstsein rasant an und wird zum breiten gesellschaftlichen Anliegen. Für einen detaillierten Überblick empfiehlt sich die Lektüre des Forschungsberichts dieses Projekts.

Can-Elliot Sachs

Can-Elliot Sachs arbeitet als Wissenschaftler an der LMU-München. Seine Forschungsschwerpunkte umfassen den Anthropozän-Diskurs aus transdisziplinärer Perspektive, Methoden und Anwendungen der Digital-Humanities sowie komparatistische literaturwissenschaftliche Untersuchungen phantastischer Literatur des 20. Jahrhunderts.

*Nachweis Beitragsbild auf der Startseite:Can-Elliot Sachs

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