Von Faszination bis Skepsis

20. September 2024
von Noelle Lesinski

Gepresste Blütenblätter, Einkaufslisten oder vergessene Lesezeichen – solche Fundstücke würde man eher in einer öffentlichen Bibliothek erwarten als in der Deutschen Nationalbibliothek. Immerhin dürfen unsere Bestände als Präsenzbibliothek nur in den Lesesälen benutzt werden, wo die Gefahr, persönliche Sachen zu verlieren oder die Bücher zweckzuentfremden, doch eher gering ist. Warum den Mitarbeiter*innen des Medieneingangs trotzdem manchmal solche Schätze über den Weg laufen, erfahren Sie in diesem Beitrag.

Im Medieneingang der DNB treffen tagtäglich etliche physische Medienwerke ein (circa 2.000 pro Standort). In der Regel sind das Neuerscheinungen, die von Verlagen und anderen Ablieferungspflichtigen im Rahmen der Pflichtablieferung geschickt werden. Vereinzelt befinden sich darunter aber auch Sendungen mit älteren Medienwerken, die vom Bestandsaufbau recherchiert und von Antiquariaten oder anderen Bibliotheken angeboten werden.

Zum Teil sind diese Bücher schon im Bestand eines Standorts der DNB, zum Beispiel, wenn es sich um Verlage aus der ehemaligen DDR handelt. Teilweise sind sie aber auch komplett neu für uns – es ist immer wieder überraschend, wie viele Medienwerke weder im Katalog der DNB noch in den Fremddaten der Bibliotheksverbünde aufzufinden sind! Vor allem Literatur außerhalb des Verlagsbuchhandels, also Veröffentlichungen von Vereinen, Firmen oder Privatpersonen ist schwierig zu recherchieren und noch schwerer Jahrzehnte später aufzutreiben.

Natürlich gibt es diese retrospektiven Zugänge nicht nur im Bereich des gedruckten Worts. Ab und zu befinden sich auch Tonträger oder Noten darunter.

Bevor die Medien aber dankbar in den Bestand aufgenommen werden, müssen sie einer kritischen Zustandsprüfung unterzogen werden. Alters- und nutzungsbedingte Schäden können unter Umständen dafür sorgen, dass die Bücher nicht unbedenklich archiviert werden können. Von Wasserschäden über Insektenfraß bis hin zum gefürchteten Schimmel gibt es eine große Brandbreite an Schadensbildern, die beachtet werden muss.

Minimale Mängel, beispielsweise kleine Risse im Papier, können in der hauseigenen Konservierungswerkstatt behoben werden. Je nachdem, wie vergilbt und flexibel das Papier ist, kann gegebenenfalls noch eine Entsäuerung durchgeführt werden, die den Alterungsprozess verlangsamt. Ist es jedoch zu brüchig und zerbröselt schon beim Anfassen, besteht kaum die Chance, es konservatorisch sinnvoll zu behandeln und zur Benutzung zuzulassen.

Ein weiteres, oft gesehenes Ärgernis sind Reparaturen mit Klebeband. Als schnelle Lösung im Privatgebrauch mag es hilfreich sein, doch langfristig hat das Klebeband chemische Auswirkungen auf das Papier darunter. Die Entfernung des Klebstoffs und nachfolgende Reparatur des Mediums sind äußerst aufwändig.

Auch das Alter des Buchs ist ein Faktor. Handelt es sich um einen seltenen, jahrzehntealten Fund oder besteht die Möglichkeit, es in einem besseren Zustand zu beschaffen? All diese verschiedenen Umstände müssen vor einer eventuellen Inventarisierung abgewogen werden.

Es gibt allerdings nicht nur böse Überraschungen beim Blick ins betagte Buch. Wie eingangs erwähnt, verbergen sich im Inneren des Öfteren kleine Schätze. Alte schwarz-weiß-Fotografien, Konzerttickets und Geburtstagswünsche haben unter den Mitarbeitenden schon oft für Erheiterung und Staunen gesorgt.

Man sieht vier verschiedene Fundstücke: ein Gedicht namens "Die Libelle", eine Eintrittskarte des Agrarhistorischen Museums Kloster Veßra, ein Ticket des Schiller-Theaters Berlin vom 27. November 1990 und eine Geburtstagskarte, unterzeichnet am 18. Mai [19]40.
Fundstücke aus verschiedenen Jahrzehnten. Foto: Noelle Lesinski CC BY-SA 4.0

Noelle Lesinski

Noelle Lesinski ist als Fachangestellte für Medien- und Informationsdienste im Medieneingang der Deutschen Nationalbibliothek am Standort Leipzig tätig.

*Nachweis Beitragsbild auf der Startseite:DNB / Noelle Lesinski

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