„Wie eine Feenkugel …“
Die blühende Bibliothek … im Juli in Frankfurt
Die Schriftstellerin Emily Brontë ist uns vor allem als Teil des schreibenden Schwesterntrios Emily, Anne und Charlotte Brontë und Autorin ihres einzigen, aber berühmten Romans Sturmhöhe (Wuthering Heights) bekannt.
Doch sie schrieb auch Gedichte, und wie der Zufall es will – oder eine Form von Büchermagie, wie wir sie hier in der Bibliothek oft erleben – lag am Tag unseres Fotoshootings ein wunderschönes Buch des Künstlers Simon Morley im Regal der DDC-Sachgruppe 580, Botanik.
In diesem Buch mit dem lyrischen Titel Was uns Rose heißt (über die trefflichste aller Blumen) ist ein bezauberndes Rosen-Gedicht von Emily Brontë abgedruckt, und Morley schreibt, dass diese Rose (lat. Rosa) „in der Lage ist, unsere Aufmerksamkeit über all unsere Sinne zu wecken“.
Doch lesen wir selbst:
„Es war eine kleine knospende Rose,
rund wie eine Feenkugel,
Schüchtern öffneten sich die Blätter
Versteckt in ihrem moosigen Gewand,
Doch süß war der leichte, würzige Duft
Atmend aus unsichtbarem Herzen.“
Morley erklärt uns weiter: „Brontë vermenschlicht die Rose […] auf eine neue, intime Weise. [Sie] nennt Aussehen („rund wie eine Feenkugel“), Duft („süß war der leichte, würzige Duft“), Haptik (das „moosige Gewand“ lässt sich anfassen) und Geschmack. Wenn eine Rose für medizinische oder kulinarische Zwecke verwendet wird, ist der Geschmackssinn ebenfalls beteiligt. Hier aber wird ihr Duft mit metaphorischen Worten aus dem Vokabular des Schmeckens beschrieben. Und man könnte sagen, dass Brontë in ihrem Gedicht auch den Klang miteinbezieht. „Atmend aus unsichtbarem Herzen“ verweist auf ein hörbares Atmen; ja sogar auf Bewegung. Tatsächlich ist eine Rosenpflanze auch hörbar, etwa wenn ihre Blätter im Wind rascheln.
Brontë hat bei der Beschreibung ihrer Rosenerfahrung alle fünf Sinne einbezogen, vermutlich sollten wir auch noch den „sechsten“ Sinn ergänzen: die Seele, die nicht greifbare Dimension unserer Erfahrung, die unsere Emotionen anspricht. Brontës vielfältige Sprachfiguren machen originellen Gebrauch von der Tatsache, dass wir oft einen unserer Sinne einsetzen, um einen anderen besser zu beschreiben, und dass auf der Ebene der Metaphern Synästhesien üblich sind.“
Doch bei unserem kleinen Spaziergang durch den Juli-Garten der Deutschen Nationalbibliothek in Frankfurt haben wir nicht nur Rosen entdeckt, sondern auch die blühende Blauraute oder Silber-Perowskie (lat. Perovskia atriplicifolia), die ursprünglich aus Asien stammt und deren blaue Blüten sowohl duften als auch dekorativ sind. Nahezu malerisch wirkt sie auf dem Vulkangestein der Bibliotheksterrasse, ihren Duft verwässert heute allerdings ein leichter Sommerregen.
Es leuchtet sonnengelb in der Mitte des Beetes, und wir entdecken die Blüten der Gemeinen Nachtkerze (lat. Oenothera biennis). Diese Pflanze ist stattlich gewachsen und kann unter günstigen Bedingungen bis zu zwei Meter hoch werden. Im 17. Jahrhundert aus Amerika eingewandert, kann man sie sowohl als Nahrungsmittel im Bauerngarten als auch als Heilpflanze für den Kräutergarten nutzen. Auch in der Kosmetik entfaltet sie eine heilende und wohltuende Wirkung. Und wenn wir schon bei den essbaren Grünlingen sind – ganz nahe bei der Nachtkerze blüht ein Zweiglein Oregano oder Dost (lat. Origanum). Diese sehr aromatisch duftende Pflanze lebt in freier Natur in den lichten Wäldern Europas, Amerikas und Asiens und seine Blätter sind ein beliebtes Würzmittel in der mediterranen Küche. Man kann sie auch als Tee, in der Aromatherapie und als Heilmittel verwenden.
Und damit endet unser heutiger Spaziergang an die grünen Orte in und um das Frankfurter Haus der Deutschen Nationalbibliothek, denn die Bücherfeen im Lesesaal und der Medienausleihe rufen uns hinein – der Regen wächst an zu einem Schauer. Ein bisschen frustrierend für uns, aber erfrischend für die Natur.
Liebe Kathrin und Kollegin!
Eine wunderbare Idee, die Ihr ins Leben gerufen habt. Die Bibliothek erhält einen neuen Akzent durch Euren Blog, der Literatur, Botanik und Fotografie verbindet. Glückwunsch und weiter so!
Lieber Herr Wilhelm,
herzlichen Dank für Ihre freundlichen Worte! Gemeinsam mit unseren Kolleg*innen aus Leipzig berichten wir weiterhin und mit Freude über die nachhaltig grünenden und blühenden Orte in den beiden Häusern der DNB.