Zwischen Bewahren und Bewegen
25 Jahre Arbeitsstelle für Standardisierung (AfS)
In diesem Jahr jährt sich die Gründung der Arbeitsstelle für Standardisierung (AfS) zum 25. Mal. Dies ist ein guter Anlass Revue passieren zu lassen, zu betrachten, welche Schwerpunkte die Arbeit prägten und zu sehen, was in dieser Zeitspanne erreicht wurde.

Gründung
Die Arbeitsstelle für Standardisierung wurde am 01. Juni 2000 gegründet. Vorausgegangen war die Abwicklung des Deutschen Bibliotheksinstituts (DBI). Die damalige Deutsche Bibliothek (heute Deutsche Nationalbibliothek) war bereits zuständig für den Arbeitsbereich Formate und für die bestehenden Normdateien (SWD, GKD und PND). Der Sacharbeit der Arbeitsstelle für Regelwerksarbeit, bisher beim DBI angesiedelt, ging dann mit Stichtag 01. Juni 2000 an die Deutsche Bibliothek über.
Im Zusammenhang mit der Aufgabenübertragung wurde eine Konzept zur Standardisierungsarbeit für Bibliotheken erarbeitet, das die Fortführung der Arbeit in den Kernbereichen und Aufgabenfelder zu Regelwerke für Formal- und Sacherschließung, Regeln zur Erschließung Elektronischer Ressourcen, überregionale Normdateien, Datenformate und Kommunikationsschnittstellen, sowie Archivierung und Langzeitsicherung elektronischer Publikationen vorsah. Ein wesentlicher Bestandteil dieses Konzept war auch die Einrichtung eines Ausschusses als Entscheidungsgremium über Grundsatzfragen für alle Bereiche der Standardisierung, dem Standardisierungsausschuss (STA).
Die Deutsche Bibliothek hat zum 01. Juni 2000 die Arbeitsstelle für Standardisierung eingerichtet, die die Arbeit der verschiedenen Teilbereiche steuern und koordinieren sollte. In der AfS ist ebenfalls seit dieser Zeit die Geschäftsstelle des Standardisierungsausschusses angesiedelt.
Die Aufgaben der ersten Stunde waren eher formale Aufgaben: die Begleitung der Gründung des Standardisierungsausschusses bis zur konstituierenden Sitzung am 17.11.2000 und die Formulierung einer Geschäftsordnung. Die AfS ist 2001 mit nur 2 Personalstellen gestartet. Parallel mit der Zunahme der Bedeutung von Standardisierung wurde die Personalausstattung im Laufe der Zeit dann erhöht.
Internationalisierung
Doch schnell waren inhaltliche Themen ein Schwerpunkt der Arbeit in der AfS. Die Ausrichtung der Standardisierungsarbeit im deutschsprachigen Raum veränderte sich hin zu einem größeren internationalen Rahmen. Der Standardisierungsausschuss beschloss 2001, dass grundsätzlich ein Umstieg von den deutschen auf internationale Regelwerke und Formate (AACR und MARC) anzustreben sei. Ein Beschluss, der heute unter dem Namen „Nikolaus-Beschluss“ bekannt ist. Diese Entscheidung hat in der deutschen Bibliothekslandschaft viele, auch emotionale, Diskussionen hervorgerufen. In der AfS waren die Kolleg*innen sehr bemüht diese Diskussionen auf die fachlich, sachliche Ebene zu holen und Wege für die Umsetzung des Beschlusses zu finden. Die Überzeugung der Bibliothekscommunity erfolgte u. a. auf der „Tour durch die Verbünde“. 2 Wochen lang reisten die Kolleg*innen der AfS zu verschiedenen Treffen mit Vertreter*innen der Bibliotheksverbünde, führten viele persönlichen Gespräche, warben für diese Entscheidung und versuchten mit Fakten und sachlichen Argumenten zu überzeugen.
Der Umstieg auf das Austauschformat MARC-21 wurde mit Unterstützung der DFG und der Mellon Foundation in einem mehrjährigen Prozess bewältigt. Bei diesem Projekt waren neben der AfS und der Deutschen Bibliothek auch das HBZ beteiligt. MARC-21 wurde schließlich 2009 eingeführt.
Auch der geplante Umstieg auf ein internationales Regelwerk der Erschließung und damit verbunden die Verabschiedung von RAK dauerte lange und benötigte viel Überzeugungsarbeit. 2001, zum Zeitpunkt des Nikolaus-Beschlusses, war von Ressource Description und Access (RDA) noch nichts bekannt. Die Diskussionen drehten sich zu Beginn um einen Umstieg auf eine deutschsprachige Version von AACR. Sie erreichten u. a. die Kultusministerkonferenz und hatten somit auch eine politische Dimension. In der AfS war man bestrebt, Kontakte auch auf internationaler Ebene zu knüpfen, sei es mit Kolleg*innen aus der US-amerikanischen Library of Congress (LoC) oder auch im Rahmen der IFLA aus weiteren Ländern. Diese Vernetzung sollte gestärkt werden und auf informeller Ebene ging es auch um den Aufbau von Vertrauen. In dieser Zeit sind zwischen den (ehemaligen) Kolleg*innen der AfS und den internationalen Kolleg*innen auch Freundschaften entstanden, die heute noch bestehen und eine sehr große Bereicherung des privaten und beruflichen Lebens sind.
Die Gemeinsame Normdatei

2012 wurde die Gemeinsame Normdatei (GND) als deutsch-sprachige Normdatei eingeführt. Bis zu diesem Zeitpunkt wurden die Normdaten in den Vorgängerdateien Personennormdatei, Gemeinsame Körperschaftsdatei, Schlagwortnormdatei und die Einheitssachtitel-Datei des Deutschen Musikarchivs getrennt nach Entitätstypen gehalten. Inhalt des GND-Projekts war einerseits die Realisierung eines gemeinsamen Normdatenformat, in das die vorhandenen Normdatensätze der getrennten Normdateien migriert werden konnten und andererseits die Harmonisierung vorhandener Regelwerksunterschiede (RAK und RSWK). Bei der Zusammenführung der vorhandenen Dateien wurde auch die z. T. redundante Datenhaltung aufgelöst.
Aus den Diskussionen um eine Einführung von AACR sind mit der Zeit Pläne zum Umstieg auf den internationalen Standard Ressource Description und Access (RDA) geworden. Der Prozess der Einführung eines neuen Regelwerks zur Ressourcenerschließung startete 2008 und wurde von AfS geplant, koordiniert, begleitet und unterstützt. Die Übersetzung aus dem Englischen wurde von AfS erstellt, die Inhalte des neuen Regelwerks wurden von der AG RDA erarbeitet. Der neue Standard RDA wurde dann 2015 für den deutschsprachigen Raum eingeführt.
Und heute?
Standardisierung ist auch heute noch die Kernaufgabe in der Arbeitsstelle für Standardisierung. Standardisierung trägt dazu bei, die digitale Transformation zu unterstützen und Kulturgut sichtbarer zu machen. Mit diesem Gedanken wurde 2017 beschlossen, die GND als Normdatei neben der Verwendung in Bibliotheksdaten auch für andere Einrichtungen aus dem Kultur- und Wissenschaftsbereich zu öffnen. Es wurde eine Veränderung angestoßen, die bis heute andauert. GND-Normdaten finden Verwendung in Archiven, Museen und Sammlung, in NFDI- und FID-Kontexten. Gleichzeitig wird die GND durch Daten aus diesen Communities bereichert und wächst auf 10.050.608 Datensätzen heute (Stand: 23.05.2025). Diese Öffnung bedeutet, dass die AfS die Communities aus den GLAM-Bereichen berät und unterstützt, von Community-Building-Initiativen bis zu technischen Fragen. Die GND wird inzwischen von der GND-Kooperative gepflegt und weiterentwickelt. Das Service-Angebot rund um die GND wurde ausgebaut u. a. mit der Homepage zur GND. Hier sind viele grundlegende Informationen rund um die GND und zu den Wegen der Beteiligung öffentlich zugänglich. Weitere wichtige Meilensteine waren die Produktivnahme des GND Explorers 2021 und die Intergration des GND Reconciliationservice 2024.
Ein weiterer Schwerpunkt in der AfS, neben der Weiterentwicklung der GND, war und ist die Entwicklung der STA-Dokumentationsplattform. Ziel war eine moderne, datenbankbasierte Plattform, die einen zentralen Zugriffspunkt für alle Standards, Empfehlungen und Verabredungen der Gremien und Arbeitsgruppen des Standardisierungsausschusses anbietet. Die Plattform ist der Ort, an dem verschiedene Perspektiven zusammenkommen und Inhalte aufeinander abgestimmt werden müssen. Dazu bedarf es einer konsensualen Arbeitsweise. Damit alle Gruppen, die die Standards erarbeiten, weiterentwickeln und pflegen, gut zusammenarbeiten können, wurde die Geschäftsordnung der Arbeitsgruppen des Standardisierungsausschusses erarbeitet und vom STA verabschiedet. So wurde ein Rahmen für die STA-Community geschaffen, in dem die Arbeitsgruppen zusammen mit Expert*innen aus weiteren Kultur- und Wissenschaftsbereichen erfolgreich miteinander arbeiten und gemeinsame Ziele verfolgen.
Die Teilbereichen Regelwerke, Normateien und Datenformate innerhalb der Arbeitsstelle für Standardisierung verantworten die Facharbeit und die Weiterentwicklung der Standardisierung. Dazu werden weiterhin die Kontakte zu den fachlichen Gremien auf nationaler und internationaler Ebene gepflegt und die Expertise aus dem DACH-Raum eingebracht.
Arbeiten in der Arbeitsstelle für Standardisierung bedeutet Impulse der Veränderung zu initiieren oder aufzunehmen, über den Tellerrand hinaus zu blicken und sich den unterschiedlichen Ansichten innerhalb einer bzw. mehrerer Community(s) zu stellen. Das wichtigste Mittel zur Veränderung war damals und ist auch heute noch das Gespräch und der Austausch.
Andrea Hemmer
leitet den Bereich Gremienmanagement in der Arbeitsstelle für Standardisierung an der Deutschen Nationalbibliothek