Besuch aus Schweden

21. Februar 2023
von Barbara Trettner
Die Übersetzerin Cäcilie Heinig (1882-1951), Datum unbekannt. Privatbesitz

Wer kennt sie nicht, die Pippi Langstrumpf? Und wer wollte nicht einmal so sein wie Pippi! Zahlreiche Generationen sind mit ihr aufgewachsen. Und auch heute noch werden ihre Geschichten viel gelesen. Doch kaum jemandem ist bekannt, dass Astrid Lindgrens berühmte Kinderbücher von einer Emigrantin ins Deutsche übersetzt wurden. Ihr Name: Cäcilie Heinig.

1933 mussten sie mit ihrem Mann Kurt und den Kindern Peter, Johannes und Marianne Deutschland verlassen. Kurt Heinig war SPD-Politiker und Mitglied der Parteifraktion im Deutschen Reichstag. Am 23. März 1933 stimmte er gemeinsam mit anderen Sozialdemokraten gegen das Ermächtigungsgesetz, mit dessen Beschluss am Folgetag die gesetzgebende Gewalt de facto an den Reichskanzler Adolf Hitler überging. Die Heinigs gingen ins Exil: Erst nach Dänemark, später nach Schweden. 1941 wurde die Familie von den deutschen Behörden ausgebürgert. Die fünf Karteikarten der Familienmitglieder aus der Reichsausbürgerungskartei, einem Verzeichnis der Personen, denen die deutsche Staatsangehörigkeit aberkannt worden ist, befinden sich heute im Bestand des Deutschen Exilarchivs 1933-1945.

Das Ehepaar Cäcilie und Kurt Heinig, Datum unbekannt. Privatbesitz

Es war einem Zufall zu verdanken, dass Cäcilie Heinig nach dem Krieg die Bücher von Astrid Lindgren übersetzen sollte. 1948 lud ihr Mann einen alten Freund, den Verleger Friedrich Oetinger, nach Stockholm ein. Aufgrund der Besatzungssituation in Deutschland waren die bürokratischen Hürden für eine Ausreise jedoch sehr hoch, weshalb sich die Reise Oetingers nach Schweden verzögerte. Erst im Februar 1949 lagen die erforderlichen Dokumente vor. In Stockholm besuchte der Gast aus Deutschland Buchhandlungen, Bibliotheken und Verlage, traf sich mit Autor*innen und anderen Verleger*innen. Von einem schwedischen Buchhändler bekam er eines Tages ein kleines Buch in die Hand gedrückt, das ihn sofort einnahm: Astrid Lindgrens Pippi Långstrump. Oetinger war selbst Buchhändler und Antiquar. Während des Krieges hatte er in Hamburg den Heinrich Ellermann Verlag geleitet, der unter anderem Kinderbücher verlegte. Der Kollege bemerkte Oetingers Faszination für das Buch und vermittelte ihm den Kontakt zur Autorin.

Friedrich Oetinger nahm den kleinen Band am Abend mit zu den Heinigs und ließ sich von Cäcilie die ersten Kapitel mündlich übersetzen. Nach der Lektüre beschloss er noch am selben Abend, das Buch auf den deutschen Markt zu bringen. Er fragte Cäcilie Heinig, ob sie die drei zwischen 1945 und 1948 erschienenen Pippi-Romane übersetzen würde, sollte es zu einem Vertrag mit Astrid Lindgren kommen. Cäcilie bejahte sofort, denn ihr gefiel das Gelesene ebenfalls sehr gut. So fuhr Friedrich Oetinger mit dem ersten Band der Trilogie im Gepäck wieder zurück nach Hamburg. Cäcilie Heinig begann, die Texte ins Deutsche zu übersetzen. Friedrich Oetinger kümmerte sich derweil um die Gestaltung der Ausgaben.

Karin Heinig (l., mit Barbara Trettner) besuchte die DNB und das Deutsche Exilarchiv 1933-1945 in Leipzig.
Foto: Peter Moureau

Der Verleger hatte das richtige Gespür, als er sich für den Rechteankauf der Pippi-Langstrumpf-Bücher entschied, denn sie sollten auch in Deutschland ein großer Erfolg werden. Aufgrund dessen beschloss er, auch die drei Kalle-Blomquist-Bücher von Astrid Lindgren in sein Verlagsprogramm aufzunehmen. Als Übersetzerin beauftragte Oetinger erneut Cäcilie Heinig, die aber nur noch den ersten Band der Trilogie übertragen konnte. Sie verstarb unerwartet im Juni 1951. 

Heute kümmert sich die Enkelin Karin Heinig um das Erbe ihrer Großeltern. Sie ist in der Astrid Lindgren-Gesellschaft engagiert und macht Führungen durch Astrid Lindgrens Haus in Stockholm. Bei einem Besuch in der Deutschen Nationalbibliothek in Leipzig besuchte Karin Heinig mit ihrem Begleiter und guten Freund Peter Moureau auch das Deutsche Exilarchiv. Beide waren sehr interessiert an der Arbeit des DEA und von der DNB, dem historischen Gebäude als auch vom Deutschen Buch- und Schriftmuseum sehr beeindruckt. Wir wollen auf jeden Fall in Kontakt bleiben um noch mehr von Familie Heinig zu erfahren.

*Nachweis Beitragsbild auf der Startseite:Peter Moureau

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