Brasilien in der Deutschen Nationalbibliothek

4. September 2023
von Susanne Oehlschläger

Als ich zum ersten Mal das Glas mit dem braunen Inhalt gesehen hatte, dachte ich sofort an die mir aus früher Kindheit bekannten Gläser mit löslichem Kaffee und griff danach. Eine Warnung, dass das Glas schwer sein könnte, tat ich leichtfertig ab. Umso größer war meine Überraschung als ich spontan die große Erdanziehungskraft spürte, die darauf wirkte. Will sagen: im Gegensatz zum löslichen Kaffee, der ein echtes Leichtgewicht ist, wiegt der Inhalt dieses Glases deutlich mehr. Und das ist wenig verwunderlich, auch wenn ich es damals noch nicht wusste. Es handelt sich nämlich um brasilianisches Eisenerz, und das Glas ist nur ein Anschauungsobjekt, mit dem das Gewicht verdeutlicht werden soll, mit dem das Frankfurter Gebäude während des Baues daran gehindert wurde, abzudriften bzw. aufzusteigen.

Glas mit Bügelverschluss. Beinhaltet feines braunes Granulat. Auf dem Glas befindet sich seitlich ein weißes Ettikett mit der Beschriftung: "Neubau Deutsche Bibliothek. Ballastmaterial: Eisenerzgranulat aus der Grube Feijao/Brasilien". Das Glas steht auf einem Tisch auf einer Terasse der DNB. Im Hingergrund ist unscharf die Skyline Frankfurts an einem bewölkten Tag zu sehen.
Foto: DNB, S. Oehlschläger

Die Erklärung? Unterhalb des sichtbaren Teils des Bibliotheksgebäudes an der Adickesallee liegen tief in der Erde drei Untergeschosse, darin u.a. die Magazine mit insgesamt 30.800 Quadratmetern Fläche. Da diese Untergeschosse bis zu zwölf Meter unter dem Grundwasserspiegel liegen, bestehen die Außenwände des Gebäudes aus zwei Betonwannen, einer weißen und einer schwarzen. Damit sind sie doppelt gegen Wassereinbruch geschützt. Das ist wichtig, denn ein Wassereinbruch in der Bibliothek hätte schlimmere Folgen als ein Brand – wobei beide Szenarien hoffentlich immer nur Theorie bleiben mögen.

Das Frankfurter Haus schwamm im Rohbau also wie ein Schiff im Grundwasser. Um es am Auftrieb zu hindern, ist es mit rund 70.000 Tonnen brasilianischem Eisenerz – was damals noch nicht unter dem Umweltaspekt diskutiert wurde – als Ballast gesichert. Dieses Eisenerz hat ein spezifisches Gewicht von vier, also das vierfache Gewicht von Wasser. 4.500 Lastwagenladungen waren dafür notwendig. Nach dem Einzug der Bestände und der Haustechnik in die Untergeschosse wäre dieser Ballast im Fundament der Bibliothek eigentlich nicht länger nötig, aber wer wollte noch einmal 4.500 Lastwagen zum Abtransport bestellen …

Das Glas mit der Materialprobe, die wie löslicher Kaffee aussieht, ist weiterhin als Anschauungsobjekt im Einsatz. Es hat nach mir noch viele Kolleg*innen und Gäste der DNB zum Staunen gebracht und wird es sicherlich auch weiterhin tun.

111-Geschichten-Redaktion

Zum 111. Jubiläum haben wir, die Beschäftigten der Deutschen Nationalbibliothek, in Erinnerungen und Archiven gestöbert. Von März bis November präsentieren wir hier 111 Geschichten aus der Deutschen Nationalbibliothek.

*Nachweis Beitragsbild auf der Startseite:DNB, S. Oehlschläger

Ein Kommentar zu „Brasilien in der Deutschen Nationalbibliothek“

  1. Hans-Georg Thielepape sagt:

    Interessant. Als ehemaliger LURGI Mitarbeiter, der viele Eisenerz Pelletier Projekte u.a. in Brasilien begleitet hat, wäre es interessant zu wissen aus welcher Mine das Erz stammt? CVRD oder MBR oder Sanmarco?

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