Bücher und Camouflage

16. Februar 2024
von Jasper Otto Eisenecker und Christine Hartmann

Zensur findet ständig und überall statt. Wie mit visuellen Experimenten die Zensurmechanismen in digitalen Zeiten ausgetrickst werden können, wurde in einem studentischen Workshop im Dt. Buch- und Schriftmuseum ausprobiert.

„Camouflaged Books“

Im Zuge der Ausstellung „Schmuddelkind der Branche? Books on Demand“ widmet sich ein Themenkomplex dem Hacking und der Zensur. Der Künstler und Grafiker Jasper Otto Eisenecker ist hier mit seinem Projekt „Camouflaged Books“ (2014–2016) vertreten. Es ist ein subversives, experimentelles Verlagsprojekt, das die Mechanismen der Inhaltsmoderation und Zensur von Print-on-Demand-Plattformen untersucht.

Eisenecker produziert bewusst Bücher mit verbotenen Inhalten, während er zugleich Strategien der Camouflage entwickelt, mit denen sich die automatisierten Prüfinstanzen der Plattformen überlisten lassen. Verteilt man z.B. die Buchstaben eines Textes abwechselnd auf Vorder- und Rückseite einer Buchseite, ergibt sich der vollständige Text erst, wenn man das Blatt gegen das Licht hält und die Buchstaben von der Rückseite durchscheinen. Das gedruckte Buch ist für Menschen lesbar, im PDF hingegen ist der Text von den Algorithmen nicht auslesbar. Seine Erkenntnisse und Strategien teilt der Künstler in einem frei zugänglichen Manual.

Workshop im Rahmen der Ausstellung zu Books on Demand

Mitten im Workshop, Foto: Jasper Otto Eisenecker

Dieses Zensur-Experiment wurde in einem zweitägigen Workshop mit Studierenden der von der Burg Giebichenstein Halle/Saale in der Praxis weiter erforscht. Der Workshop, konzipiert und durchgeführt von Jasper Otto Eisenecker, fand am 11. und 12. Januar 2024 im Deutschen Buch- und Schriftmuseum statt. Sieben Studierende sowie Typografie-Professorin Andrea Tinnes und wissenschaftlicher Mitarbeiter Marcus Wachter nahmen daran teil. Das in der Ausstellung gezeigte Projekt „Camouflaged Books“ bildete den Ausgangspunkt. Hierfür hat Eisenecker bereits vor längerer Zeit die frei verfügbare Anleitung „How To Camouflage Books in Times of Internet-Censorship“ herausgegeben.

Innerhalb von nur zwei Tagen wurden typografische Camouflage-Techniken erfunden und Publikationen anhand von mitgebrachten Texten entwickelt. Ziel dabei war es mit visuellen Strategien zu experimentieren um Zensur zu umgehen und Kontrollmechanismen zu unterwandern in Zeiten von zunehmender Internet-Zensur.

Typografie subversiv

Die sehr unterschiedlichen Camouflage-Techniken reichen von Publikationen, die gefaltet werden müssen um Texte zu lesen, über sprachliche Transformationen, um den eigentlichen semantischen Wert zu verstehen, bis hin zu dem Verstecken von Texten in anderen. Die Studierenden haben auf eindrückliche Weise gezeigt, wie die Fähigkeiten von Grafik-Designer*innen genutzt werden können, um Haltung in der Gestaltung sichtbar zu machen durch einen subversiven Umgang mit Typografie.

Ergebnisse des Workshops, Foto: Jasper Otto Eisenecker

Folgende Texte kamen u.a. zum Einsatz: Margaret Atwood „The Handmaid’s Tale“, Kohei Saito „Systemsturz“ (Kapitel: Point of no Return & Wie die imperialistische Lebensweise Opfer fordert) von), George Orwell: „1984“, Michela Murgia: „Faschist werden – eine Anleitung“, „Die Bibel (Altes Testament)“ nach Martin Luther sowie Paul B. Preciado: „Can the Monster Speak?“.

Teilnehmende Studierende: Anni Billhardt, Helen Hausdorf, Constanze Kohlhaas, Lesya Kuranova, Ruben Lyon, Moritz Osterwold, Laura Schnieber

Ausstellung „Schmuddelkind der Branche?“

Mit „Schmuddelkind der Branche? Books on Demand“ zeigt das Deutsche Buch- und Schriftmuseum vom 3.11. 2023 bis 18. Februar 2024 erstmals einen systematischen Ausschnitt aus künstlerisch-experimentellen Books on Demand-Projekten. Grundlage für die Kabinettausstellung ist der Bestand des Forschungsprojekts Library of Artistic Print on Demand, in dem sich Andreas Bülhoff und Annette Gilbert mit dem Phänomen und seinen künstlerischen Subkulturen beschäftigen. Die beiden Kurator*innen der Ausstellung trafen eine Auswahl aus der mehr als 300 Exemplare umfassenden Sammlung, die sich mit den Auswirkungen und der künstlerischen Erforschung dieser Technologie befasst.

Schmuddelkind der Branche? Books on Demand / Ausstellung im Deutschen Buch- und Schriftmuseum, Grafik: Tecton

*Nachweis Beitragsbild auf der Startseite:Jasper Otto Eisenecker

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