D 45 1 – Meine Hunde im Nordland

1. November 2023
von Ellen Kipple
Signaturschild D 45 1

Das erste Buch, das 1946 in der nach dem Zweiten Weltkrieg und der Teilung Deutschlands neu eröffneten Deutschen Bibliothek in Frankfurt am Main inventarisiert, also in den  Bestand aufgenommen, bearbeitet, archiviert und zur Benutzung zur Verfügung gestellt wurde, war Meine Hunde im Nordland aus dem Jahr 1945 von Egerton Ryerson Young und erhielt die Signatur: D 45 1, wobei das „D“ für Deutsche Bibliothek steht. Es ist eine Übersetzung aus dem amerikanischen Englisch, der Originaltitel der Erstveröffentlichung von 1902 lautete: My Dogs in the Northland. Die erste deutsche Übersetzung erschien übrigens auch bereits viel früher, ebenfalls 1902, danach kamen immer wieder Neuauflagen und –ausgaben.

Ich möchte im Folgenden ein wenig von Autor und Inhalt erzählen und – damit Sie es näher kennenlernen können – vor allem aus diesem interessanten, wenn auch aus heutiger Sicht durchaus teilweise kritisch zu lesenden, Werk zitieren, das laut Lutheran Publishing Library Ministry (www.lutheranlibrary.org unter My Dogs in the Northland) Jack London zu seinem Roman Ruf der Wildnis (englischer Originaltitel: The Call of the Wild) inspiriert hat.

Doch zunächst einige biografische Informationen zum Autor, die dem englischen Wikipediaeintrag über ihn entnommen sind: Egerton Ryerson Young wurde am 7. April 1840 in Crosby, Kanada, geboren und starb am 5. Oktober 1909 in Bradford, Ontario, also ebenfalls Kanada. Er war ein kanadischer methodistischer Missionar, Lehrer und Schriftsteller. 1868 wurde er eingeladen, ein Missionar für die First Nations in Rupert’s Land zu werden. Mit seiner Frau entschloss er sich, die lange Reise nach Red River, Manitoba, auf sich zunehmen. Im selben Jahr wurde sein erster Sohn Egerton Ryerson Junior, genannt Eddie, der auch im Buch erwähnt wird, geboren. Egerton Ryerson Young besuchte auch die First Nations von Berens River und wurde 1873 ausgewählt, dort eine Mission zu entwickeln. Im Sommer 1876 zogen die Youngs zurück nach Ontario, nach Port Perry, wo Young daraufhin ein Pastorenamt innehatte. Nachdem 1887 ein bekannter methodistischer Redner und Autor Young ermutigt hatte, über seine Zeit als Missionar zu erzählen und zu schreiben, gab Young 1888 Vorlesungen über das Missionsleben im Osten der USA, auf den Britischen Inseln und in wichtigen Städten Nordamerikas. 1890 veröffentlichte er sein erstes Buch, dem danach viele weitere folgten, von denen einige in deutscher Übersetzung bei uns in der Deutschen Nationalbibliothek zu finden sind. 1904-1905 begaben sich Young und seine Frau auf eine Weltreise, mit einem verlängerten Aufenthalt in Australien für Lesungen und den Verkauf seiner Bücher. Indem Young in seinen Veröffentlichungen über seine Reisen und seine Arbeit als Missionar schrieb, machte er die Methodistische Mission bekannt und verbreitete das Wissen über die Region.

Auch so in diesem Buch Meine Hunde im Nordland, wobei hier – wie der Titel andeutet – seine Schlittenhunde im Mittelpunkt stehen. 

Schon in der Einleitung von Meine Hunde im Nordland erläutert der Autor seine enge Verbindung zu Hunden: 

Zeichnung eines Mischlingshundes im Lauf von schräg vorne gesehen
Zeichnung: Ellen Kipple

Die Hunde, von denen ich erzählen will, leben alle nicht mehr. Ich durfte als Kind niemals einen Hund halten […]. Aber ich liebte die Hunde und oft lieh ich einem Nachbarjungen mein Taschenmesser oder meine Schlittschuhe, damit er mich ein bißchen mit seinem Hund spielen ließ.

Nun trat ich hinaus in das wilde, abenteuerliche Leben Nord-Kanadas. Was man in der Jugend wünscht, hat man im Alter. Das erste, was mein Amtsvorgänger mir mitteilte, war, daß draußen ein Dutzend alte und junge Schlittenhunde darauf warteten, meine Bekanntschaft zu machen. Das war eine Bande von schlauen Spitzbuben, ganz dazu angetan, meine Geduld auf die Probe zu stellen und meinen Verstand zu schärfen.

Wenn in dem weiten Reich der Natur alles seine bestimmte Stelle hat, so muß ich sagen: Die natürliche Heimat für den großen Hund ist der kalte Norden. Hier, in den langen Wintern, kann er arbeiten und sein Daseinsrecht erweisen. In den fürchterlichen Schneestürmen der Polargegenden, unter Beschwerden und Entbehrungen, die außer dem Menschen und dem Hund kein Geschöpf aushalten kann, gedeiht er und duldet und siegt mit seinem Herrn.

Jahrelang habe ich mit großen Hunden gearbeitet und oft mit ihnen ernste Gefahren bestanden. Oft konnte ich nur mit ihrer Hilfe meinem Beruf nachgehen. Darum habe ich einen Glauben an Hunde und will in diesem Buch etwas von ihnen und ihren Taten erzählen. (Meine Hunde im Nordland, 1945, 28. – 31. Tsd. in Neuausg., S. 5)

Bereits hier in der Einleitung der deutschen Übersetzung ist der gut lesbare Erzählstil zu erkennen, natürlich in der Sprach- und Schreibweise sowie mit dem kulturellen Hintergrund der damaligen Zeit und aus der Sicht des Erzählers geschrieben. Wegen der relativ einfachen Sprache kann der Erlebnisbericht über Schlittenhunde im Einsatz für einen kanadischen Missionar im Gebiet der First Nations im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts auch der Jugendliteratur zugeordnet werden.

Das erste Kapitel der deutschen Übersetzung mit der Überschrift Meine Eskimohunde beginnt mit folgenden Worten: Diese Tiere kommen mir jetzt noch manchmal im Traum. Ich fahre oft plötzlich aus dem Schlaf auf, denn es träumt mir, die streitsüchtigen, neidischen Burschen kämpften um die Ehre, auf meinem Kopf zu schlafen.

Er fährt fort: Und doch waren es gute Hunde für ihren Beruf und sie haben vielleicht, im ganzen genommen, geleistet, was keinen andern Hunden der Welt möglich gewesen wäre. Sie bekommen meistens mehr Schläge und Flüche als freundliche Behandlung und gute Worte. Sie leben in den Polarländern, wo für alle Bewohner der Hunger der regelmäßige Zustand ist, und bei Mensch und Tier Macht vor Recht geht […]. Das hat mich schließlich bewogen, soweit möglich, die Eskimohunde abzuschaffen und mir Gespanne von Neufundländer- und Bernhardinerhunden heranzuziehen. (Meine Hunde im Nordland, 1945, 28. – 31. Tsd. in Neuausg., S. 6)

Die folgenden 15 Kapitel handeln dann oft von seinen besonderen Erlebnissen mit jeweils einem bestimmten Hund, wie zum Beispiel die Kapitel 4-7 von Jack, dem riesigen Bernhardinerhund, das Kapitel 8 von Kuffy, der schönen Neufundländer Hündin; die Kapitel 9 und 10 erzählen von Voyageur, dem unvergleichliche Leithund; im Kapitel 14 wird dann zum Beispiel Cäsar, der listige Schelm, ein Mischlingshund, beschrieben und im Kapitel 15 der weiße Kuna, der Eskimo-Leithund. Young schrieb den Hunden gern menschliche Eigenschaften zu, gute und weniger gute …

Zum Schluss beschäftigt sich Young mit der Frage: Wozu?

Wozu diente all das Reisen mit Hunden? Was kam heraus bei all den Beschwerden und Gefahren und auch den beträchtlichen Kosten, die damit verbunden waren? Solche Fragen sind gewiß berechtigt.

Wir machten diese Reisen nicht zu wissenschaftlichen Zwecken, wenn auch die Missionare oft merkwürdige Entdeckungen gemacht und die Wissenschaft sehr gefördert haben. Wir reisten auch nicht, um die kostbaren Metalle zu suchen, die die Natur in entlegenen, noch unerforschten Gegenden verborgen hat, obgleich die Kunde von einigen der besten Erzgruben durch Missionare gebracht worden ist. Diese Menschen waren keine Glücksritter. Ihr Los war, unter Leuten zu leben, die so arm waren, daß die reichsten unter ihnen alle ihre Habe, mit Ausnahme der Hunde, auf dem Rücken tragen konnten. […] Ich brauche nicht mehr zu erzählen. Diese wunderbaren Verwandlungen […] das ist ein reichlicher Lohn für alles, was wir Missionare auch bei den kältesten, schwersten und leidensvollsten Reisen im Schlitten mit unsern treuen Hunden durchgemacht haben. (Meine Hunde im Nordland, 1945, 28. – 31. Tsd. in Neuausg., S. 124-127)

Wenn Sie nun selbst das Buch lesen und anschauen möchten – die vorliegende deutsche Ausgabe ist durch zahlreiche Kreidezeichnungen von Theo Walz illustriert – können Sie dies im Original oder in digitaler Form bei uns in den Lesesälen tun. Die Signatur für die Bestellung haben Sie nun ja bereits.

111-Geschichten-Redaktion

Zum 111. Jubiläum haben wir, die Beschäftigten der Deutschen Nationalbibliothek, in Erinnerungen und Archiven gestöbert. Von März bis November präsentieren wir hier 111 Geschichten aus der Deutschen Nationalbibliothek.

*Nachweis Beitragsbild auf der Startseite:Katalog der Deutschen Nationalbibliothek

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  • ISSN 2751-3238