Die ganze Welt im Detail – Ein Blick in die Kartensammlung
Peter Kühne im Gespräch mit Nikola Offermann
Die Kartensammlung der Deutschen Nationalbibliothek ist eine der größten Sammlungen ihrer Art. Eine solche Sammlung stellt besondere Anforderungen an die Aufbewahrung und die Nutzung der Materialien. Seit wann sammeln wir Kartenwerke und ähnliche Medien, und welchen Umfang hat die Sammlung ungefähr bis zur Gegenwart?
Wir sammeln seit 1913 Karten. Kartenwerke, die vor 1913 mit Erscheinen begonnen hatten (z.B. die geologischen Karten von Sachsen und Preußen) wurden rückwärtig ergänzt. Der Bestand beträgt aktuell 280.000 Karten und Atlanten, davon 4.581 Schulwandkarten.
Karten sind oft nicht in klassischer Buchform zu finden, was für eine Vielfalt von Medien und Objekten haben wir in der Kartensammlung?
Manche Karten erscheinen gefaltet (wie man es von Wanderkarten und Stadtplänen kennt). Andere sind nicht gefaltet (sogenannte „plano“ Ausgaben). Von besonderer Form sind unsere Schulwandkarten. Hier ist die eigentliche Karte auf Leinwand oder Papier aufgezogen und an Stäben zum Aufhängen befestigt.
Außerdem haben wir noch Karten in Form von plastischen Reliefs. Davon will ich zwei Karten zeigen. Die erste ist groß wie eine Schultafel. Das Material ist Karton. Sie zeigt das Land Sachsen. Die andere Reliefkarte ist aus Plastik und zeigt die Schweizer Alpen.
Diese unterschiedlichen Formate setzen sicher auch ganz verschiedene Formen der Aufstellung im Magazin voraus.
Gefaltete Karten werden von uns ins Regal gestellt wie Bücher. Nicht gefaltete Karten bewahren wir liegend auf. Die Archivierung erfolgt in Zeichnungs- oder Planschränken. Schulwandkarten werden zusammengerollt und stehend aufbewahrt.
Was bedeutet das für den Benutzungsprozess?
Bei der Bereitstellung von planliegenden Karten müssen wir beachten, dass es nicht mit einem Handgriff am Regal getan ist, sondern dass wir einen ganzen Kartenstapel bewegen müssen. Pro Fach eines Zeichnungsschrankes haben wir unter Umständen 200 Kartenblätter zu bewegen. Die Schulwandkarten werden in speziellen Schränken archiviert. Die Aushebung aus dem Magazin ist mit nur einem Handgriff getan. Aber um die Karte betrachten zu können, müssen wir sie in einen Kartenständer wie in der Schule aufhängen. Vorher prüfen wir aber, ob der Erhaltungszustand, das Alter oder Material der Wandkarte ein Aufrollen zulässt.
Werden nur geographische Materialien gesammelt?
Bis 1992 haben wir formatbedingt auch liegend aufzubewahrende, nichtgeographische Objekte im Magazin der Kartensammlung untergebracht. Dabei handelt es sich überwiegend um Lehrmaterialien wie Schulwandbilder und Anschauungstafeln, aber auch Stammbäume und überhaupt recht große Bücher oder Mappen, welche liegend archiviert werden müssen.
Erde, Mond, Mars und Sterne, auch Globen gibt es in Auswahl.
Nikola, kannst Du uns ganz besondere Objekte zeigen?
Ganz besonders beliebt sind die beiden großen Erdgloben. Der kleinere (links im Bild) ist ein Geschenk zum 50jährigen Jubiläum der Deutschen Bücherei 1962 vom Verlag VEB Hermann Haack Geographisch-Kartographische Anstalt Gotha (früher: Perthes Verlag Gotha). Der Globus hat einen Durchmesser von 64 cm und ist über den Standfuß frei drehbar in alle Richtungen. Der Globus (rechts im Bild) ist ein aktueller 75cm-Durchmesser-Stand-Globus vom Verlag Räthgloben 2017. Er ist durch einen schwenkbaren Meridian ebenfalls sehr schön in alle Richtungen beweglich.
Ein weiteres sehenswertes Objekt haben wir mit der verkleinerten Faksimileausgabe des „Atlas des Großen Kurfürsten“. Der Atlas ist mitnichten ein Minibuch, wie der Ausdruck „verkleinert“ nahelegen könnte, sondern es ist trotz der verkleinerten Ausführung immer noch ein sehr großer, schwerer Atlas in hölzernen Buchdeckeln und Ledereinband mit der stattlichen Größe von 80 x 50 cm (aufgeklappt 80 x 100 cm) und dem Gewicht von 20 kg.
Vielen Dank, liebe Nikola für das Interview.
Peter Kühne
Peter Kühne arbeitet seit 1977 in der Deutschen Nationalbibliothek. Er ist Mitarbeiter in der Abteilung Benutzung und im Dt. Buch- und Schriftmuseum.