Die Nachhaltige Bibliothek

5. August 2024
Das Interview führteElke Jost-Zell

Interview mit Generaldirektor Frank Scholze

Nachhaltigkeit ist viel mehr als eine Aufgabe, sie ist eine Haltung, die wir einnehmen und der wir uns verpflichtet fühlen.“

Im Wertekanon des Strategischen Kompasses der Deutschen Nationalbibliothek nimmt das Thema Nachhaltigkeit neben der Informations- und Meinungsfreiheit, Vielfalt und Diversität, Verantwortung und Kompetenz eine wichtige Rolle für unser tägliches Handeln und Planen ein.

Nachhaltigkeit ist also auch, aber nicht nur „Chefsache“ in der DNB. Jeder und jede Einzelne ist aufgerufen, sein oder ihr Teil beizusteuern, damit unsere Bibliothek nach wie vor und mehr denn je das erfüllt, was die Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen vorgeben. Und so zu ermöglichen, dass das Leben auf unserem Planeten für uns und alle Lesewesen lebenswert ist.

Frank Scholze studierte Kunstgeschichte, Anglistik und Wissenschaftliches Bibliothekswesen und ist seit 2020 Generaldirektor der Deutschen Nationalbibliothek in Frankfurt am Main und Leipzig. Auch als Fachjournalist ist er unterwegs, als korrespondierender Mitarbeiter von B.I.T. online und Mitherausgeber der Zeitschrift für Bibliothekswesen und Bibliographie, ZfBB. Die Conference of European National Librarians, CENL hat ihn 2021 und 2024 zu ihrem Vorsitzenden gewählt.

Generaldirektor Frank Scholze auf dem begrünten Dach der DNB Frankfurt, vor der Skyline der Stadt
Generaldirektor Frank Scholze vor der bibliotheksgrünen Kulisse der Frankfurter Skyline
Foto: Elke Jost-Zell, Deutsche Nationalbibliothek

Frage:

Nachhaltigkeit ist eines der wichtigsten Themen unserer Zeit. Uns Beschäftigten ist es ein Anliegen, dass die DNB eine nachhaltige Bibliothek ist und bleibt. Wie können wir dies erreichen?

Antwort:

Die Deutsche Nationalbibliothek (DNB) hat sich im Rahmen ihres Strategischen Kompasses 2035 der Nachhaltigkeit verpflichtet und setzt diesen Anspruch auf vielfältige Weise in die Tat um. Hier sind einige konkrete Maßnahmen und Initiativen, mit denen die DNB ihre Rolle als nachhaltige Bibliothek lebt:

  1. Energieeffizienz und Umweltfreundlichkeit:
    • Gebäudemanagement: Die DNB achtet auf umweltfreundliche und energieeffiziente Bau- und Renovierungsmaßnahmen. Dazu gehören die Nutzung von nachhaltigen Materialien, energieeffiziente Leuchtmittel und Klimaanlagen sowie die Implementierung von intelligenten Gebäudemanagementsystemen.
    • Energieverbrauch: Reduktion des Energieverbrauchs durch optimierte Betriebszeiten, automatischer Steuerung (z.B. Dämmerungsschalter in Kombination mit Schaltuhr am Bücherturm in Leipzig) und Einsatz erneuerbarer Energien.
  2. Ressourcenschonung:
    • Papierverbrauch: Reduzierung des Papierverbrauchs durch verstärkten Einsatz digitaler Medien und Prozesse. Wo Papier unvermeidbar ist, wird Recyclingpapier verwendet.
    • Abfallmanagement: Einführung von Recycling- und Abfallvermeidungsstrategien. Ordnungsgemäße Entsorgung von Sondermüll ist standardisiert.
  3. Mobilität:
    • Förderung umweltfreundlicher Verkehrsmittel: Bereitstellung von Fahrradabstellplätzen und Ladestationen für E-Bikes und Elektroautos. Anreize für Mitarbeiter*innen zur Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel (z.B. Jobticket).
    • Dienstreisen: Bevorzugung von Bahnreisen und anderen umweltfreundlichen Transportmitteln für Dienstreisen. Verringerung der Notwendigkeit von Reisen durch den Einsatz von Videokonferenzen.
  4. Umweltbildung und Bewusstseinsförderung:
    • Bildungsangebote: Organisation von Veranstaltungen, Workshops und Vorträgen zu Umweltthemen und Nachhaltigkeit. Bereitstellung von Informationsmaterialien und Ressourcen zu diesen Themen.
  5. Kooperationen und Netzwerke:
    • Partnerschaften: Zusammenarbeit mit anderen Institutionen und Organisationen, die sich ebenfalls für Nachhaltigkeit einsetzen. Teilnahme an nationalen und internationalen Netzwerken, die sich mit Umweltschutz und Nachhaltigkeit befassen.
    • Forschung und Innovation: Unterstützung von Forschungsprojekten im Bereich Nachhaltigkeit und Entwicklung innovativer Lösungen zur Förderung umweltfreundlicher Praktiken.
  6. Kulturelle und gesellschaftliche Verantwortung:
    • Förderung von Vielfalt und Inklusion: Sicherstellung eines inklusiven Arbeitsumfelds und Förderung von Diversität in allen Bereichen der Bibliothek.
    • Soziale Verantwortung: Unterstützung von Projekten und Initiativen, die das Wohl der Gemeinschaft fördern und zur sozialen Gerechtigkeit beitragen.

Durch diese Maßnahmen stellt die Deutsche Nationalbibliothek sicher, dass Nachhaltigkeit nicht nur ein theoretisches Konzept bleibt, sondern aktiv gelebt wird. Alle Kolleg*innen sind aufgerufen, im täglichen Handeln ihren Beitrag zu einer nachhaltigen Bibliothek zu leisten.

Frage:

Welches Buch bzw. welchen Text, dessen Inhalt das Thema Nachhaltigkeit im weitesten Sinn berührt, haben Sie in jüngster Zeit gelesen?

Antwort:

Ein Buch, das ich schon vor einiger Zeit gelesen habe, das sich aber aus meiner Sicht in besonderer Weise mit Nachhaltigkeit aus einer Bewusstseinsperspektive auseinandersetzt ist Factfulness von Hans Rosling. „Factfulness“ untersucht die oft pessimistische Wahrnehmung der Welt und zeigt anhand von Daten und Fakten, dass sich viele Dinge in den letzten Jahrzehnten deutlich verbessert haben, insbesondere in Bezug auf globale Gesundheit, Armut und Bildung. Rosling argumentiert, dass eine faktenbasierte Weltsicht zu einem besseren Verständnis der aktuellen Herausforderungen und zu effektiveren Lösungen führen kann. Während das Buch sich nicht ausschließlich mit Nachhaltigkeit beschäftigt, legt es doch einen wichtigen Grundstein für eine fundierte Auseinandersetzung mit globalen Themen und der Notwendigkeit nachhaltiger Entwicklungen. Das Buch dient als Erinnerung daran, wie wichtig es ist, den Fokus auf positive Entwicklungen zu legen und auf diese Weise Motivation und Engagement für nachhaltige Initiativen zu stärken.

Frage:

Im Bibliothekswesen arbeiten wir mit normierten Schlagwörtern, eines davon ist Nachhaltigkeit. Welche Schlagwörter – sie müssen nicht unbedingt normiert und in unserer Gemeinsamen Normdatei, GND enthalten sein – fallen Ihnen spontan zum Thema Nachhaltigkeit ein?

Antwort:

Hier sind einige Schlagwörter und Begriffe, die für mich in Verbindung mit dem Thema Nachhaltigkeit stehen.

Frage:

Welche Aktionen, die die Deutsche Nationalbibliothek noch nachhaltiger machen können, planen Sie in absehbarer Zukunft?

Antwort:

Ein wichtiger Motor für zukünftige Aktivitäten in diesem Feld ist die AG Nachhaltigkeit. Sie setzt sich aus Mitgliedern aller Fachbereiche zusammen und erarbeitet selbstorganisiert Vorschläge für die Entwicklung der DNB zu einer nachhaltigen Institution. Neben dem Weg zu einer Klimabilanz der DNB beschäftigt sich die AG mit folgenden Themen: Energieeffizienz, Mobilität, Produkte für Besucher*innen, Materialien und Abfall, Bildung und Kommunikation.

Im Intranet berichtet die AG regelmäßig über ihre Arbeit und steht als Ansprechpartnerin für alle Mitarbeitenden zur Verfügung.

Frage:

Welche Ratschläge würden Sie unseren Nutzer*innen vor Ort in den Lesesälen oder hinter Bildschirmen vor der Website und dem Katalog der DNB gerne mitgeben?

Antwort:

Hier sind einige Ratschläge, die den Nutzer*innen der Deutschen Nationalbibliothek (DNB) helfen können, nachhaltiger zu agieren:

Vor Ort in den Lesesälen:

  1. Papier sparen:
    • Notizen digitalisieren: Verwenden Sie Laptops, Tablets oder Smartphones, um Notizen zu machen, anstatt Papier zu benutzen.
    • Doppelseitiges Drucken: Wenn Drucken unvermeidbar ist, nutzen Sie die Funktion für beidseitigen Druck, um Papier zu sparen.
  2. Energie sparen:
    • Geräte ausschalten: Schalten Sie Ihre elektronischen Geräte aus, wenn Sie sie nicht benutzen, um Energie zu sparen.
  3. Müllvermeidung und Recycling:
    • Abfall trennen: Nutzen Sie die vorhandenen Recycling-Stationen und trennen Sie Ihren Müll.
    • Mehrwegprodukte: Bringen Sie wiederverwendbare Wasserflaschen mit, um Einwegplastik zu vermeiden.
  4. Nachhaltige Mobilität:
    • Öffentliche Verkehrsmittel: Nutzen Sie öffentliche Verkehrsmittel, das Fahrrad oder gehen Sie zu Fuß, um zur Bibliothek zu gelangen.
    • Fahrradparkplätze: Nutzen Sie die angebotenen Fahrradabstellplätze der Bibliothek.
  5. Ressourcenschonende Nutzung:
    • Schonender Umgang mit Materialien: Behandeln Sie Bücher und andere Materialien sorgfältig, um ihre Lebensdauer zu verlängern.
    • Bedarfsgerechte Ausleihe: Leihen Sie nur die Materialien aus, die Sie wirklich benötigen, um unnötige Transporte und Belastungen des Bestands zu vermeiden.

Website und Katalog der DNB:

  1. Digitale Ressourcen nutzen:
    • E-Books und digitale Archive: Nutzen Sie die umfangreichen digitalen Ressourcen der DNB, um Papier und Transportwege zu sparen.
    • Online-Recherche: Verwenden Sie die Online-Kataloge und Datenbanken, um gezielt nach den benötigten Informationen zu suchen.
  2. Effiziente Nutzung der Website:
    • Zielgerichtete Suche: Verwenden Sie Filter und erweiterte Suchfunktionen, um effizienter zu recherchieren und unnötigen Datenverkehr zu vermeiden.
    • Download statt Ausdruck: Laden Sie Dokumente und Artikel herunter, anstatt sie auszudrucken, um Papier zu sparen.
  3. Bewusstsein für Nachhaltigkeit:
    • Informieren und Weitergeben: Informieren Sie sich über nachhaltige Praktiken und teilen Sie dieses Wissen mit anderen Nutzer*innen der Bibliothek.
    • Feedback geben: Geben Sie der Bibliothek Rückmeldungen zu nachhaltigen Initiativen und machen Sie Vorschläge, wie die DNB noch umweltfreundlicher werden kann.
Generaldirektor Frank Schulze unter einem Ginkgo-Baum vor dem Backstein-Kunstwerk von Per Kerkeby, das vor dem Eingang der DNB Frankfurt steht
Lebendes Grün und lebendige Kunst – Frank Scholze vor der Deutschen Nationalbibliothek in Frankfurt am Main
Foto: Elke Jost-Zell, Deutsche Nationalbibliothek

Frage:

Was bedeutet „Nachhaltigkeit“ im Leben des privaten Frank Scholze?

Antwort:

Ich finde den Begriff „Enkeltauglichkeit“ ganz passend, denn er macht für mich deutlich, dass mein heutiges Handeln Auswirkungen auf zukünftige Generationen hat. Eng verbunden ist damit eine weniger egozentrische Haltung, denn es geht nicht nur um meine eigenen Enkel (ich habe noch keine), sondern auch um die nachfolgenden Generationen. Und er bedeutet für mich, dass ich so viel tue wie ich kann, aber ganz sicher nicht perfekt darin bin, in Kreisläufen zu handeln oder in jeder Situation, die ressourcenschonendste Entscheidung zu treffen.

Herzlichen Dank für das Interview, lieber Herr Scholze!

Elke Jost-Zell

Elke Jost-Zell ist als Bibliothekarin, GND-Redakteurin und Autorin in der Abteilung Inhaltserschließung sowie für die AG Nachhaltigkeit der Deutschen Nationalbibliothek tätig.

*Nachweis Beitragsbild auf der Startseite:Elke Jost-Zell, Deutsche Nationalbibliothek

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  • ISSN 2751-3238