Die Normdaten und das Gemeinsame
Vorgenommen
Für die GNDCon 2.0 hatten wir uns einiges vorgenommen. Im Januar 2021 schrieben wir: „Die GNDCon wird anders. Sie wird so divers, dezentral und digital, wie sie tatsächlich ist.“ Denn die GND steht für das Gemeinschaftswerk einer diversen, dezentralen und digital agierenden Kooperative. Im Frühjahr hatten verschiedene Einrichtungen und Communities der GND-Gemeinschaft als so genannte GNDCon-Pat*innen Vorschläge für MiniCons eingereicht, die sie eigenverantwortlich unter dem Dach der GNDCon durchführten. Auch in diesem Jahr wurde das inhaltliche Programm durch Zusatzangebote von Kolleg*innen der Deutschen Nationalbibliothek (DNB), wie die GND-Sprechstunde, die Datensprechstunde und das sehr beliebte GND-Quiz ergänzt. Am Ende jedes Veranstaltungstages diskutierten die Pat*innen gemeinsam zu einem übergreifenden Thema in der so genannten Runde der Resümees. Die Gäste der GNDCon konnten aus über 20 Programmteilen mit Vorträgen, Workshops und Diskussionsrunden auswählen und besuchten im Durchschnitt jeweils vier Module. Ein lebhafter Diskurs auf vielen Ebenen, mit zahlreichen Wortbeiträgen der Teilnehmenden in den Chats der Videokonferenzen, auf Twitter und natürlich live in den MiniCons selbst, war das Charakteristikum der GNDCon.
Der spartenübergreifende Austausch war das zentrales Anliegen der veranstaltenden Institutionen wie auch das vorrangige Interesse der Gäste. Das belegte auch das erste Meinungsbild in der Runde der Resümees am zweiten Tag. Im Kreis der GNDCon-Pat*innen war das Bibliothekswesen erwartungsgemäß gut vertreten, Forschung und interdisziplinäre Kooperationen lagen fast gleichauf (Abb. 1). Auch die Gäste kamen aus den unterschiedlichsten Disziplinen. Etwas weniger als die Hälfte der Teilnehmenden ordnete sich dem Bibliotheksbereich zu (Abb. 2).
Da der Öffnungsprozess der GND nur gelingen kann, wenn die jetzigen Anwender*innen mit den neuen zusammenarbeiten, stimmt das hohe Interesse aus dem Kreis der Bibliothekar*innen an der Perspektive der anderen Communities auf die GND sehr optimistisch. Dazu ein Zitat aus dem Chatlog der GNDCon:
„Ich will verstehen, welche Bedarfe andere haben und was sie in der GND suchen.“
Auch in den kommenden Monaten wird die GND-Kooperative immer wieder einzelnen Communities Angebote machen, an der Öffnung der GND aktiv mitzuwirken, sei es zu einem Thema oder einer speziellen Materialart, aus einer Sparte des Kulturerbes oder einer Forschungsdisziplin.
Der dezentrale Ansatz der GNDCon 2.0 ist dank des Engagements und der Kreativität der Pat*innen ebenfalls aufgegangen. Die Bedenken, das Publikum könnte durch die Vielfalt der Konferenzsysteme überfordert sein, waren angesichts der geringen Zahl der Anfragen beim virtuellen Helpdesk gemessen an der Gesamtzahl der Zugänge zu den Veranstaltungen unbegründet.1 Das Gros der Gäste kam gut mit dem dezentralen Ansatz klar. Vielleicht können wir in zwei Jahren zur nächsten GNDCon die Gästeführung noch ausbauen, um zum Beispiel das E-Mail-Aufkommen zu reduzieren.
Pandemiebedingt gab es keine Alternative zur digitalen Ausrichtung. Das hatte den Effekt, dass einem bedeutend größeren Kreis die Teilnahme ermöglicht und Kosten gesenkt wurden. Zwar verfolgte eine gleiche Anzahl an Gästen (ca. 300 Personen) die Eröffnungsveranstaltungen der GNDCon 2018 und 2021. Insgesamt haben aber weitaus mehr Menschen als an der ersten GNDCon teilgenommen. Zum Vergleich: In der Regel besuchten circa 50 Gäste die Sessions der ersten GNDCon. Hingegen besuchten durchschnittlich 160 Personen die einzelnen Veranstaltungen der GNDCon 2.0. An drei Sessions nahmen sogar deutlich über 200 Gäste teil.
Aufgenommen
Insgesamt haben wir aus den Programm-Modulen der GNDCon 2.0 sechzehn Videobeiträge mitgeschnitten. Diese Aufnahmen stehen jetzt auf der Dokumentationsseite zur GNDCon und auf dem Youtube-Kanal der DNB der Öffentlichkeit zur Verfügung.
Gemeinsam gewinnen
Zur Eröffnung der GNDCon 2.0 erläuterten Frank Scholze, Generaldirektor der DNB, und Jürgen Kett, Leiter der GND-Zentrale, jeweils ihre Perspektive auf die Öffnung der GND. Vor dem Hintergrund der strategischen Prioritäten der DNB betonte Frank Scholze, wie notwendig es sei, für das gemeinsame Arbeiten an der GND eine gemeinsame Haltung zu entwickeln. Mit dieser Haltung könne es gelingen, eben die Balance zu finden, in der die unterschiedlichen Bedürfnisse und Rahmenbedingungen der kooperierenden Partner miteinander austariert werden könnten. Die DNB sähe sich in diesem Prozess als Moderatorin, für die der gemeinsame Erfolg ein zentrales Anliegen sei. Jürgen Kett hob hervor, dass der Fokus nach den überwiegend konzeptionellen Arbeiten seit Beginn des Öffnungsprozesses 2017 nun auf der Umsetzung der praktischen Erfordernisse läge. Auf drei Ebenen ginge man dies an: Mit dem GND-Explorer zur verbesserten Darstellung der GND und der Entwicklung von weiteren Werkzeugen wolle man die technische Infrastruktur der GND zugänglicher machen, mit der Bereitstellung von benutzungsfreundlicheren Redaktionsoberflächen – Stichwort „Eingabemasken“ – solle die Redaktionsarbeit erleichtert werden. Drittens ginge es auf der organisatorischen Ebene darum, gerade den neuen Akteur*innen Hilfe zur Selbsthilfe zu leisten. Dafür warb Jürgen Kett ausdrücklich um die tatkräftige Unterstützung durch die bereits aktiven Anwender*innen in der GND-Kooperative. Er lud die Gäste der GNDCon ein, die Veranstaltungswoche zu nutzen, um sich nicht nur zu vernetzen und auszutauschen, sondern auch miteinander die Freude am gemeinsamen Arbeiten zu genießen.
Die Renaissance der Normdaten
Harald Sack überraschte in seiner Auftaktrede die Gäste der GNDCon mit einer persönlichen Zeitreise.2 Er hatte sich ursprünglich damit befasst, die damals noch getrennt voneinander betriebenen Normdateien für ein verbessertes Retrieval (Auffindbarkeit) im semantischen Netz zu verwenden. Heute, schildert er, erlebe er eine Renaissance des Interesses an der GND.
Ziel des Aufbaus der Nationalen Forschungsdateninfrastruktur (NFDI), die jetzt gerade über DFG-Fördermittel in Angriff genommen wird, sei die Überwindung der Forschungsdatensilos nach den Runde der Resümees am zweiten Tag Gelegenheit, ihre Vorstellungen zur Zukunft der GND einzubringen. Die Regelwerke vereinfachen, mehr Vernetzung mit anderen Daten ermöglichen und mehr technische Unterstützung beim Datenabgleich wurden als Kernerwartungen an die Öffnungsarbeit der GND formuliert.
Die Öffnung der GND
Die Organisator*innen der GNDCon hatten sich vorgenommen, ein Forum für die verschiedenen Communities zu bieten, die sich in den letzten Jahren intensiv mit den Voraussetzungen und Konsequenzen der Öffnung der GND befasst haben. Zu den etablierten Gemeinschaften in diesem Kontext gehören die Arbeitsgruppen des Standardisierungsauschusses (STA-AG). Diese tauschen sich über die Erschließung unterschiedlicher Materialien und Themen aus, von Künstlerbüchern bis hin zu Audiovisuellen Medien. Dreh- und Angelpunkt sind für viele dieser Arbeitsgruppen die Normdaten der GND, wie Renate Behrens in der Einführung zur MiniCon „GND als Bindeglied“ betonte. Dort stellten einzelne STA-AGs ihre Arbeitsschwerpunkte vor. Claudia Fabian führte in ihrer Darstellung der Arbeit der STA-AG Handschriften den Wert der GND im Erschließungsalltag für Handschriften aus. In die Heterogenität der wissenschaftlichen Erschließung bringt die GND eine gewisse Ordnung, stellte Claudia Fabian fest. Insbesondere die Werkbegriffsmodellierung im WEMI-Konzept der RDA sei gut für die Erschließung von Handschriften nutzbar. Das Werk mit einer GND-ID ist der Referenzpunkt, auf den sich weitere Entitäten der Sammlung beziehen können. Andrea Joosten veranschaulichte in ihrem Beitrag die konkrete Arbeit in den Arbeitsgruppen am Beispiel der AG Künstlerbücher. Während diese noch um einen Konsens für neue Standards in der Terminologie zur Beschreibung der Objekte ringe, entwickelten die Künstler*innen längst neue Formen, die wieder neue Terme erforderten. Eine nie endende Arbeit. Wie auch Harald Sack in seiner Keynote anmerkte, läuft eine Terminologie Gefahr, schneller veraltet als vereinbart zu sein. Dennoch, ohne jene Vereinbarungen gäbe es eben auch keine Normdaten. Ebenfalls um die Terminologie zur Beschreibung von Genres ging es in der STA-AG Audiovisuelle Medien. In der MiniCon „007 gesucht“ präsentierten die Mitstreiter*innen von Anna Bohn und Jan Melissen ihre Vorschläge für eine konsistente und erweiterte Ontologie zur Beschreibung von AV-Medien, die dem raschen Wandel in diesem Feld Rechnung trägt und internationale Anschlussfähigkeit gewährleisten soll. Um Anschlussfähigkeit als Voraussetzung für Vernetzung ging es auch Angela Kailus.3 Sie schlug in ihrem Vortrag zu „NFDI for Culture“ eine Brücke zur Keynote von Harald Sack. Zwar unterstützten Normdaten einerseits die Ausbildung von Wissensgraphen im Sinne von FAIR Data. Andererseits sei kritisch zu hinterfragen, wie FAIR die Daten in der GND eigentlich selbst sind. Hier waren sich Referent*innen und Gäste der Session einig, dass Handlungsbedarf in Bezug auf Konsistenz innerhalb der GND, Erweiterung der Anwendungsprofile über das vorwiegend von Bibliotheken genutzte RDA-Regelwerk hinaus und deren erleichterten Anwendung bestehe.
Ein anderer Aspekt der Öffnung ist die Weiterentwicklung der Organisationsstrukturen der GND. Jens Lill, Martha Rosenkötter, Patrick Leiske und Johannes Bracht waren die Pat*innen der MiniCon „Die GND-Agentur als Mittler“. Am Beispiel der innerhalb des DFG-Forschungsprojektes GND4C gegründeten GND-Agenturen führten die Referent*innen das Publikum durch die Höhen und Tiefen des Gründungsprozesses. Dabei prägten sie das Bild des „Agentur-Burgers“, um die anspruchsvolle Rolle von Vermittler*innen zwischen den Bedarfen der jeweiligen Community und dem gesetzten Rahmen der GND zu illustrieren. In einer weiteren Session brachten sie den Gästen näher, welche Vorarbeiten von Datengeber*innen geleistet werden müssen, die ihre Daten mit der GND abgleichen und gegebenenfalls neue Daten en bloque in die GND einspielen wollen, und wie weit die Entwicklung der unterstützenden technischen Infrastruktur im Projekt gediehen sei. Viel Widerhall auf Twitter hatte der Aufruf, sich spartenübergreifend zum Thema Bauwerke zu vernetzen. Dem soll schon bald in einer eigenen Veranstaltung ein Forum geboten werden. Ganz am Anfang der Identifizierung und Integration ihrer Bedarfe in die GND-Kooperative steht die im vergangenen Herbst gegründete Interessengruppe Archiv. In der MiniCon „GND 4 Archives!“ stellten Mirjam Sprau, Peter Sandner, Johannes Renz und Klaus Rupprecht die bisher identifizierten Bedarfe der Archive vor und regten unter anderem die Übernahme etablierter Verzeichnisse zu historischen Personen und Ortsnamen als Normdaten in der GND an. Eine detaillierte Auseinandersetzung mit den jüngst verabschiedeten Eignungskriterien der GND steht allerdings noch aus. Die Pat*innen der MiniCon Archiv erlebten GNDCon 2.0 als „ideales Forum“ zur Vorstellung, Kontaktaufnahme und als Ausgangspunkt zur weiteren Vernetzung. Eine Synopsis der Gedanken zum Stand der Öffnung trugen alle Pat*innen schließlich in der Runde der Resümees am Tag 3 zusammen und diskutierten zum Teil lebhaft mit dem Auditorium über die Grenzen der GND. Man lotete an Spezialfällen wie Goethes „Kutscher“4 aus, welche Entitäten sich wann und für wen als Normdaten eignen. Eine Diskussion, die vermutlich nie ganz abgeschlossen sein wird. Sehr konkret waren auch die Diskussionen und Themen in der MiniCon „Geografische Normdaten und Koordinaten“. Moderiert von Esther Scheven, diskutierten die GNDCon-Pat*innen Peter Sandner, Oliver Löwe, Pascal-Nicolas Becker und Stefan Aumann mit 200 Gästen die Verwendung von Punkt- oder Flächenkoordinaten in der GND. Sie sprachen außerdem über die Einbindung von Geografika der GND in ihre Verwaltungshierarchie als Gebietskörperschaften. Auch an Koordinaten für historische Geografika und an Möglichkeiten von maschinellen Zuordnungen, sei es von Koordinaten zu GND-Normdatensätzen oder von einfachen Namen aus Archivgut zu Normdaten, bestand großes Interesse. Allgemein wurde deutlich, dass die an Geografika interessierte Community bereit ist, sich stärker und formalisierter als bislang zu vernetzen.
Werke in der GND
Wie oben im Bericht zur STA-AG Handschriften erwähnt, ist das Verhältnis verschiedener Entitäten in Bezug auf eine zentrale Entität, das Werk, mitunter von definitorischem Wert für eine objektbezogene Community. Da die Diskussion oft Bezug nimmt auf das sogenannte WEMI-Modell der RDA, wird dieses in der Abbildung 3 vereinfacht dargestellt.
Auch die STA-AG Bild hat ihren Arbeitsschwerpunkt auf die Referenzierung von unterschiedlichen Objekten mit Bezug zu einem Werk gelegt. Alice Robinson stellte in der MiniCon zu den STA-AGs eine erste Bilanz zur Öffnung der bibliothekarischen Konzepte der Modellierung des Werkbegriffes für die Bilderfassung vor. Die zentrale Frage lautete: Wann ist ein Bild ein Werk? Die Frage der Modellierung des Werkbegriffes beschäftigte auch die GNDCon-Pat*innen in den MiniCons zu den Themenbereichen Musik und Literatur. Die Gemeinschaft der Musikwissenschaften, Musikbibliotheken und Musikarchive beschäftigt sich beispielsweise mit den fließenden Übergängen zwischen unterschiedlichen Werkebenen oder Werken. Werden Werke adaptiert und bearbeitet oder in unterschiedlich instrumentierten Fassungen veröffentlicht, kann ihnen das WEMI-Konzept nicht mehr gerecht werden. Daher adressiert das Projekt „Werktitel als Wissensraum“ ganz direkt das Potential von Normdaten für die materialübergreifende Vernetzung von Objekten unterschiedlichster Art.
Der Projektansatz nimmt Bezug auf Werke eines klassischen Literaturkanons. Das WEMI-Modell der RDA erfährt eine erweiterte Lesart, die es erlaubt, auch solche Entitäten auf einen Werknormdatensatz zu referenzieren, deren Bezug erst durch die Forschung zu Tage getreten ist, die aber nicht in der Art einer Manifestation oder Exemplars mit dem Werk relationiert sein müssen, zum Beispiel ein Gesellschaftsspiel um die literarische Figur des jungen Werther. Arno Barnert, Ines Kolbe und Karin Schmidgall präsentierten auf der GNDCon 2.0 erste Arbeitsergebnisse zur Erschließungsarbeit und dem Aufbau eines Wissensgraphen mit GND und Wikidata in der MiniCon „Werktitel als Wissensraum”. In der Runde der Resümees an Tag 1 stellten sich die Pat*innen der MiniCons zu den Themenbereichen Film, Musik und Literatur gemeinsam der Diskussion zum Begriff „Werk“ und vereinbarten, sich künftig hierzu vermehrt spartenübergreifend auszutauschen. Neben einem fließenden und offeneren Werksbegriff, war Usability das zweite wichtige Stichwort in der Diskussion am Nachmittag. Es ging dabei sowohl um eine verbesserte Dokumentation der Erfassungsregeln der GND, die das Ansetzen von Normdaten erleichtert, als auch um die verbesserte Nachnutzung von Normdaten in den Retrievalsystemen der Sammlungsdatenbanken und Kataloge. Beide Aspekte wurden auch in den MiniCons mit den Themen Technik und Wikibase thematisiert.
Die technische Infrastruktur der GND
Wie schon mehrfach angeklungen, ist der Bedarf groß, über eine verbesserte und möglichst offene technische Infrastruktur mit der GND arbeiten zu können. Die soll vor allem auch jenseits der etablierten, oft in größere Anwendungen eingebundenen und meist proprietären Strukturen des Bibliothekswesens möglich sein. Das fängt an mit der Recherche in der GND, geht über einen Abgleich der eigenen Daten mit der GND bis hin zur Edition und Redaktion neuer GND-Datensätze nach den geltenden Regeln. Vier MiniCons adressierten diesen eher technischen Bedarf. Praxisorientiert und instruktiv verlief der Workshop von Adrian Pohl, Fabian Steeg und Jakob Voss. Sie erläuterten, wie Nutzer*innen mithilfe von OpenRefine und Cocoda die eigenen Sammlungsdaten mit der GND abgleichen können, um zum Beispiel GND-Identifikatoren zu Attributen in der eigenen Sammlungsdatenbank zu finden. In dem Workshop von Wikimedia Deutschland zu Wikidata und Wikibase ging es mehr um eine allgemeine Einführung in die Datenbank Wikidata und ihre Software sowie das Angebot an die GND-Gemeinschaft, sich mit beidem intensiver zu befassen. Lesenswert ist hier auch der Blogpost der Wikimedia-Pat*innen. Die Kolleg*innen der DNB stellten mit dem GND-Explorer und GND meets Wikibase zwei derzeit in Arbeit befindliche Vorhaben vor. Der GND-Explorer, der künftig die Recherche in der GND erleichtern und Relationen der Datensätze visualisieren soll, wurde von Jessica Hubrich vorgestellt. Im Anschluss hatten die fast 200 Teilnehmenden Gelegenheit, in mehreren Weltcafés zu unterschiedlichen Aspekten des GND-Explorers Feedback zu geben. Im Bereich Visualisierung wurde die Notwendigkeit unterschiedlicher Ansätze betont und die Verlinkung mit weiteren Normdateien als Desiderat identifiziert. Die vollständige Auswertung der Befragung kann der Dokumentation entnommen werden. Die MiniCon zum Wikibase-Vorhaben der GND war ebenfalls sehr gut besucht. Die Vorträge von Mathias Manecke über die Umsetzung der GND-Erfassungsleitfäden als Wikibase-basierte Datenbank und von Sarah Hartmann zu den Potentialen, die GND in der Wikibase-Instanz als Zweitwohnsitz für ein Vorschlagssystem neuer GND-Datensätze zu nutzen, sind vollständig aufgezeichnet worden. Die Vorträge wurden ergänzt durch interaktive Umfragen, deren Ergebnisse das Projektteam in ihrer Vorgehensweise zum Aufbau einer offenen, partizipativen und benutzungsfreundlichen technischen Infrastruktur größtenteils bestärkten. In der anschließenden Runde der Resümees mit dem Fokus Technik wurden einerseits Erwartungen, die Probleme der Vernetzung und Anwendung der GND durch nicht-bibliothekarische Communities könnten allein durch Tools, Automatisierung und intelligente Anwendungen gewissermaßen „auf Knopfdruck“ gelöst werden, in realistischere Bahnen gelenkt. Es wurde andererseits aber auch deutlich, dass jetzt die Zeit reif sei, gerade im Bereich der Entwicklung von technischer Infrastruktur institutions- und spartenübergreifend enger zusammenzuarbeiten, um angesichts ohnehin knapper Ressourcen unnötige Doppel- und Parallelentwicklungen zu vermeiden. Letztlich hieß es, „zusammenarbeiten tun Menschen und die müssen sich treffen“. Einen Auftakt zur Zusammenarbeit kann die GNDCon bieten, aber danach müsse es Arbeitstreffen geben, so die klare Aussage. Das nehmen wir gern mit.
Mitgenommen
Die GNDCon diente der Verständigung über gemeinsame Problemstellungen für alle Personen, die die Strukturen und Daten der GND nutzen wollen, um ihre Einrichtungen und ihre Daten intensiver miteinander zu vernetzen. Manche Themen, die im Laufe des Tages in den Sessions aufgeworfen wurden, verdichteten sich am Ende des Tages in den Runden der Resümees zu klaren Orientierungsmarken für die künftige Arbeit: manchmal als Wünsche wie „mehr Information“, „mehr Austausch“, „mehr Tools“, manchmal als wiederkehrende Topoi wie „die GND ist kompliziert“, „die GND ist keine Enzyklopädie“, manche einfach als besonders beliebte Schlagworte wie „Automatisierung“, „Vernetzung“ oder „standardisierte Formate“.
Als Organisator*innen der GNDCon und als Trägerin der GND nehmen wir Folgendes mit:
- Wir wollen häufiger und gemeinsam mit Vertreter*innen aus den Communities gestaltete, einfache sowie ansprechende Veranstaltungsformate kreieren, um den konstruktiven und arbeitsorientierten Austausch zu bestimmten Themen oder Fragestellungen zu erleichtern. Beispielsweise werden wir die Reihe „GND im Gespräch“ öffentlich zugänglich machen, Foren für bestimmte Sparten ausrichten oder ein Einführungsformat zur GND entwerfen.
- Wir wollen öfter einen Einblick in laufende Projekte und Vorhaben rund um die GND und vernetzte Datensysteme bieten. Denkbar wäre eine Art „GND-Schau“ vielleicht in unterhaltsamer Kombination mit einer Fortsetzung des „GND-Quiz“, das viel Zuspruch auf der GNDCon fand.
- Wir wollen die Dokumentation zu Entwicklungen durch den kontinuierlichen Ausbau des bestehenden Informations- und Orientierungsangebotes der GND-Website innerhalb der GND-Kooperative transparenter und zugänglicher machen, damit die Mitglieder der Kooperative sich gegenseitig besser fördern können.
- Wir wollen insgesamt den Informationsfluss innerhalb der GND-Kooperative und angrenzender Netzwerke verbessern.
Ohne unmittelbare Lösung – aber bereits mit einer konkreten Idee dazu – blieb eine wiederkehrende Sorge im Publikum, die die notwendige und enge Verzahnung von spartenspezifischer Erschließungspraxis und Normdaten in den Blick nahm. Wie und in welchem institutionsübergreifenden Datenbanknetzwerk – vergleichbar den Katalogverbundsystemen der Bibliotheken – könnten die Daten aus den Museen und Archiven zusammengetragen werden, um sie dann untereinander durch Normdaten der GND verknüpfen und referenzieren zu können? Dieses Anliegen hatte auch Harald Sack in seiner Keynote angesprochen und eine Lösungsidee skizziert. Die bald 30 Konsortien der Nationalen Forschungsdateninfrastruktur wie auch die GND-Kooperative setzen große Hoffnung in Wikibase als die verbindende Anwendung für dieses benötigte Datennetzwerk. Das ist an Voraussetzungen geknüpft. Neben der Entwicklung von Wikibase selbst müssen sich auch die Daten produzierenden Einrichtungen verändern. Sie müssten ihre Datensilos in den Institutionen und Forschungsprojekten öffnen, das setze offene Schnittstellen, standardisierte Datenaustauschformate, Erschließungsregelwerke und standardisierte Dokumentationen voraus, so Harald Sack. Die dazu wiederum erforderliche Aufklärungs- und Standardisierungsarbeit kann sicher nicht durch das GND-Netzwerk allein geleistet werden. Umso wichtiger, so betonten daher viele Beitragende in der Diskussion, sei die Verzahnung der Nationalen Forschungsdateninfrastruktur mit der GND in Vorhaben wie NFDI4C. Die DFG hat ihre Förderrichtlinien entsprechend für neue Forschungs- und Digitalisierungsvorhaben im Sinne von FAIR Data pointiert, aber die vielen bereits vorliegenden Daten bleiben unvernetzt, ähnlich dem größeren unsichtbaren Teil eines Eisberges. Hohe Erwartungen setzt man in automatisierte und KI-gestützte Verfahren, doch zeigten die Diskussionen auf der GNDCon, dass es ohne ein Umdenken in den Einrichtungen und die Bereitstellung von entsprechenden Personalressourcen, ohne den systematischen Aufbau von Datenkompetenz sowie einer gewissen Gelassenheit und Fluidität bei der Konsensfindung in Bezug auf Terminologien, Modelle, Standards und Regeln nicht gehen wird. Es brauche eben eine bestimmte Haltung, die den Konsens wirklich will und Interessen ausbalanciert, um die Vernetzungsarbeit mit der GND voranzubringen, wie Frank Scholze schon am ersten Tag betonte. Die Zusammenarbeit ist im Gange, jetzt heißt es, beharrlich und gelassen zu bleiben.
Weiterführende Links:
Webseite zur GNDCon
Website zur GND
1 Pro Tag wandten sich circa 15 Personen aufgrund der Vielfalt der Konferenzsysteme an den Helpdesk. Das sind weniger als 2 Prozent der insgesamt vorgenommenen Einwahlvorgänge. Dahinter steht die Rechnung: 800 Gäste belegten je vier Module, das entspricht 3.200 Einwahlvorgängen.
2 Ein Mitschnitt zur Veranstaltung „Keynote” und 15 weiteren Programmteilen liegen vor. Sie sind auf der entsprechenden Dokumentationsseite im Wiki zu GNDCon ergänzt durch die Berichte und Materialien der Referent*innen eingestellt.
3 Vgl. auch den Beitrag von Kailus, A. und andere „NFDI4Culture – Consortium for research data on material and immaterial cultural heritage” in RIO Journal, 31.07. 2020
4 Wäre Goethes „Kutscher“ eine reale Person, die in der Forschung Erwähnung findet und auf die referenziert werden soll, könnte, sobald sich eine Agentur fände, die bereit wäre, den entsprechenden GND-Datensatz anzusetzen und zu pflegen, ein Datensatz angelegt werden. (vgl. GND-Erfassungshilfe – P – 15, Notnamen) Noch fehlt diese Agentur.