Die Öffnung der Gemeinsamen Normdatei

1. Mai 2024
von Barbara Fischer

Etliche neue Initiativen wirken an der Modernisierung mit

Ein Werkzeug der Bibliotheken 

Schon seit vielen Jahrzehnten nutzen Bibliothekar*innen im Informationsmanagement ein spezielles Werkzeug, das ihnen die Katalogisierungsarbeit und die Recherche erleichtert. Gemeint sind weder Computer noch Künstliche Intelligenz, sondern Normdaten. Mit Normdaten sind spezielle Datensätze gemeint, die wie ein Ausweis den einen Peter Müller, das eine Verkehrsministerium oder die eine Neustadt von den anderen gleichnamigen unterscheiden. Gleichzeitig kann man aber die Normdaten auch wie Schlagworte nutzen, um genauere und vollständigere Ergebnisse bei der Literatur- oder Datensuche zu erhalten. Denn Dank ihrer Identifikationsnummern (GND-IDs) verstehen auch Computer und Algorithmen, was mit “Romantik” gemeint ist und liefern daher entweder Rezepte für das romantische Candle-Dinner oder Werke zu Caspar David Friedrichs Gemälde der Romantik, je nachdem, welche GND-ID man ausgewählt hat. Die Normdaten verknüpfen unterschiedliche Ressourcen und bilden kontextuelle Wissengraphen ab. Untereinander sind die Normdaten der GND zudem vernetzt, so dass mit Hilfe der GND sowohl die Beziehungen zwischen Alma Mahler und ihren Verehrern als auch das Unternehmensgeflecht der IG Farben visualisiert werden können. Normdaten sind von Dauer und zuverlässig. Dafür stehen die über 1000 Einrichtungen, die die GND-Datensätze erstellen und warten, ein.

Die Öffnung der GND in der digitalen Transformation

Im Zuge der digitalen Transformation im Kultur- und Wissenschaftsbereich wächst das Interesse an der GND. Nicht-bibliothekarische Einrichtungen, selbst Einzelpersonen, können ohne zu fragen jeden einzelnen der zehn Millionen GND-Datensätze nutzen. Sie können die GND-IDs und deren Inhalte für ihre eigenen Datensammlungen verwenden, damit diese besser durchsuchbar und für andere sichtbarer werden. Die GND-Daten sind frei verfügbar und können selbst in Gänze heruntergeladen werden. Die GND-Kooperative, das ist der Zusammenschluss der Einrichtungen, die die GND editieren, begrüßt es, wenn Dritte “ihr Werkzeug” nutzen. Sie geht sogar noch weiter. Sie modernisiert und öffnet die GND für die Mitarbeit aller Sparten der Kultur und Forschung. Spartenübergreifend sollen so die verschiedensten Ressourcen über GND-Datensätze verknüpft und damit für alle zugänglicher werden. Die GND wird dadurch präziser, reichhaltiger, vielfältiger und umfassender einsetzbar. Ein wichtiges, kollaborativ gepflegtes Werkzeug für das Informationsmanagement aller. Dafür braucht es jedoch auch spartenübergreifende Expertise, Verantwortung und Mitarbeit. Es braucht also eine integrative Infrastruktur. Sie soll die Mitarbeit aller auf organisatorischer, redaktioneller, technischer und kommunikativer Ebene erleichtern. Diese Aufgabe koordiniert das Team der GND-Zentrale in der Arbeitsstelle für Standardisierung (AfS) an der DNB. In den letzten Jahren haben wir intensiv mit Partnern sowohl in der Kooperative als auch in unterschiedlichen Projekten an der Entwicklung entsprechender Konzepte und dem Aufbau passender Angebote und Strukturen gearbeitet. Jetzt ernten wir die ersten Früchte unserer Bemühungen. 

Die GND wird jetzt auch praktisch zum Allgemeingut

In diesem Frühjahr haben wir alle neuen Initiativen, die im Netzwerk der GND arbeiten und die die Öffnung der GND voranbringen wollen, gebeten, sich und ihre Services auf Plakaten vorzustellen. Eine beeindruckende Zahl von sechzehn Postern ist zusammengekommen. Diese stellen wir im folgenden Abschnitt vor.

Museen, Archive, Forschungseinrichtungen oder schlicht Interessierte suchen Ansprechpartner in ihrem Umfeld, die sie mit Blick auf die GND beraten und mittels konkreter Services unterstützen können. Sie wollen jenseits der Informationen, die sie auf unserer Website* und unseren Wikiseiten finden, wissen, wie sie konkret in ihrer Arbeit, in ihrer Umgebung, die GND integrieren können. Sie haben vielleicht schon im GND-Explorer* eine große Anzahl der benötigten GND-IDs gefunden. Sie nutzen die GND-Daten zur Verbesserungen der Datenqualität ihrer eigenen Sammlungs- und Forschungsdaten. (Poster 1) Dennoch fehlen ihnen manche Begriffe, Personen, Orte oder Werke. Wer hilft ihnen, die Entitäten in die GND einzubringen? Wer unterstützt sie in technischen Belangen und bei Fragen zum Regelwerk und seiner Auslegung? Antworten und Hilfestellung bieten die GND-Agenturen, mit ihren Redaktionen und technischen Serviceleistungen. Es gibt derzeit zwei Ansätze für GND-Agenturen. Die einen bedienen nicht-bibliothekarischen Einrichtungen ihrer Region. Die anderen stellen ihre Services bundesweit im Rahmen einzelner Nationaler Forschungsdaten Infrastruktur Konsortien (NFDI) bereit. Natürlich könnte man sich auch über eine Universitäts- oder Staats- und Landesbibliothek an die schon lange etablierten Agenturen in den bibliothekarischen Verbundzentralen wenden, vermisst dann aber womöglich den fachlichen Blick für die nicht an Publikationen orientierte Fragestellung. Zudem braucht es insgesamt mehr Mitarbeitende in diesem Bereich, um auf all die neuen Bedarfe angemessen und zugleich qualitätsbewusst eingehen zu können. Das gelingt nur durch die Integration neuer Kräfte. Die Aufgaben einer GND-Agentur sind einigermaßen standardisiert. Sie umfassen Öffentlichkeitsarbeit, Beratung, Mitarbeit in den Gremien der GND-Kooperative, Redaktionsarbeiten und technische Dienstleistungen (Poster 2). Von der Idee für eine spezifische Agentur bis zur Aufnahme des Dauerbetriebes kann es ein weiter Weg sein (Poster 3). Auf den Weg haben sich fünf Agenturen in der Region (Poster 4 bis 8) und zwei für die NFDI Konsortien Text+ (Poster 9) und NFDI4Memory (Poster 10) gemacht . Die Agentur LEO-BW-Regional für Baden-Württemberg ist bereits im Dauerbetrieb, die anderen sechs in allen Stadien von der Idee, über Gründung bis zum Pilotbetrieb. 

So vielfältig wie die Daten, die im Rahmen der technischen Services mit der GND abgeglichen und gegebenenfalls integriert werden sollen, so divers sind auch die Workflows und die zum Einsatz kommenden Anwendungen und Tools. Die unterschiedlichen Verfahren der Datenprozessierung und ihr gemeinsamer Ansatz wurden in einer Übersicht dargestellt (Poster 11). Stärker in die Details geht die Darstellung des Austauschformats entityXML (Poster 12) und die entsprechenden Workflows an der GND-Agentur von Text+ sowie die GND4C-Toolbox der Agentur der ThULB (Poster 13)

Manchmal braucht es für eine bestimmte Thematik keine GND-Agentur, sondern besser eine Fachredaktion. Die Dokumentation von Provenienz oder Herkunft eines Sammlungsobjektes ist zu einem zunehmend beachteten Arbeitsfeld avanciert. Das bedeutet, dass wiederkehrende Provenienzmerkmale, wie zum Beispiel Exlibris, als Normdaten gebraucht werden. So können durch die Zeitläufe verstreute Sammlungen zumindest virtuell wieder zusammengeführt werden. Diesem Thema widmet sich die im Aufbau befindliche Fachredaktion Provenienzdaten (Poster 14) an der Staatsbibliothek zu Berlin. 

Schließlich möchten Communities nicht nur neue Datensätze einbringen, sondern die GND auf der Ebene der Erfassungsregeln, wie sie in der GND-Dokumentation* niedergelegt werden, mitgestalten und für ihren Bedarf anpassen. Für diese Art der Arbeit gibt es einerseits die Interessengruppen (IG) und andererseits die Arbeitsgruppen des Standardisierungsausschusses (STA-AG). Entscheidend ist, wie stark die Interessen der jeweiligen Community mit den alle betreffenden Regelungen inferieren. Ist letzteres noch nicht absehbar, ist die IG die geeignetere Organisationsform. Beide Arten von Gruppen stellen sich auf der STA-Community-Plattform* mit ihrem Arbeitsprogramm vor. Auch die STA-AG Performing Arts (Poster 15) präsentiert dort ihr Programm. Ein Gesamtüberblick der Organisationsformen und ihr Zusammenspiel bietet die Infografik zu den Beteiligungswegen (Poster 16). Weitere Redaktionen und IGs sind bereits gegründet, aber waren auf dem Arbeitstreffen im Februar noch nicht mit einem Poster vertreten.

Wir, das Team der GND Zentrale, freuen uns sehr über diese engagierten Initiativen. Mit ihnen gemeinsam wird es uns gelingen, das Werkzeug der Bibliothekar*innen zu einem allgemeinen Werkzeug des Informationsmanagements in Kultur und Forschung zu machen. Damit wird der Zugang zum Wissen wieder ein Stückchen breiter und verlässlicher.

*Nachweis Beitragsbild auf der Startseite:GND

Schreibe einen Kommentar

Kommentare werden erst veröffentlicht, nachdem sie von uns geprüft wurden.
Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.

Über uns

Die Deutsche Nationalbibliothek ist die zentrale Archivbibliothek Deutschlands.

Wir sammeln, dokumentieren und archivieren alle Medienwerke, die seit 1913 in und über Deutschland oder in deutscher Sprache veröffentlicht werden.

Ob Bücher, Zeitschriften, CDs, Schallplatten, Karten oder Online-Publikationen – wir sammeln ohne Wertung, im Original und lückenlos.

Mehr auf dnb.de

Schlagwörter

Blog-Newsletter

In regelmäßigen Abständen erhalten Sie von uns ausgewählte Beiträge per E-Mail.

Mit dem Bestellen unseres Blog-Newsletters erkennen Sie unsere Datenschutzerklärung an.

  • ISSN 2751-3238