Die Wappenadler im Foyer
Verdeckt aber nicht verschwunden: Wer als Leser*in die Bibliothek betritt, geht auf dem Weg in die neugestalteten Garderobeschließfächer vielleicht achtlos an zwei großflächigen Wandmosaiken vorbei. Diese Glasmosaiken nach Entwürfen von Geh. Hofrat Prof. Max Seliger (1865–1920) zeigen den Deutschen Reichsadler sowie den Österreichischen Doppeladler.
Ergänzt wird der Deutsche Wappenadler durch die Inschrift „Wir wollen sein ein einzig Volk von Brüdern, in keiner Not uns trennen und Gefahr; Wir wollen frei sein wie die Väter waren“, aus dem Rütlischwur von Friedrich Schillers „Wilhelm Tell“. Der österreichische Doppeladler trägt die Inschrift „Ans Vaterland, an teure schließ dich an, das halte fest mit deinem ganzen Herzen! Hier sind die starken Wurzeln deiner Kraft“. Die beiden Mosaiken symbolisieren den deutschen Sprachraum, das Sammelgebiet der damaligen Deutschen Bücherei. Ausgeführt wurden die Arbeiten von der Deutschen Glasmosaik-Gesellschaft Bln., Puhl & Wagner, wobei die Glassteinchen direkt auf den frischen Putz aufgebracht werden mussten. Das Mosaik des Österreichischen Doppeladlers stiftete der Leipziger Verleger Artur Seemann, das des deutschen Wappenadlers der Wiener Kommerzienrat Wilhelm Müller, Firma R. Lechner, k. k. Hof- und Universitätsbuchhandlung.
Diese beiden Mosaiken befanden sich jahrzehntelang im Dornröschenschlaf, verdeckt seit den 1950er Jahren durch eine Gipswand, die exakt zwischen die flankierenden Türen aufgebracht wurde.
Im Hausarchiv findet sich auf den Taschen, in denen die historischen Fotos aufbewahrt werden, folgender Hinweis „(…) Früheres Glasmosaikbild in der Eingangshalle. Das Bild selbst ist nicht mehr vorhanden, aber die Abzüge sollen als historische Nachweise aufgehoben werden.“

Mit hohem denkmalpflegerischen Engagement wurde die Bibliothek von 1991 bis Anfang der 2000er Jahre umfassend saniert. Dabei legte man auf eine denkmalgerechte, weitestgehend dem ursprünglichen Zustand entsprechenden Sanierung, großer Wert. Im Zuge der Renovierung des Haupttreppenhauses wurde die beiden Mosaiken im Jahre 1997 wieder freigelegt und restauriert. Sie waren gut erhalten und hatten nichts von ihrer Farbigkeit und eingebüßt, lediglich ein Kabelkanal hatte den österreichischen Adler „geköpft“. Dieser Schaden wurde bei der Restaurierung behoben.


Alle Interessierten können sich die Mosaiken bei einem Besuch anschauen; entweder spontan oder im Rahmen einer der (Sonntags-)führungen.
111-Geschichten-Redaktion
Zum 111. Jubiläum haben wir, die Beschäftigten der Deutschen Nationalbibliothek, in Erinnerungen und Archiven gestöbert. Von März bis November 2023 präsentieren wir hier 111 Geschichten aus der Deutschen Nationalbibliothek.