Es begann in der Deutschen Bücherei…

15. Mai 2025
von Peter Hinke, Peter Kühne

35 Jahre Connewitzer Verlagsbuchhandlung

Im März 1990 gründete Peter Hinke die Connewitzer Verlagsbuchhandlung, die seither sowohl als Buchhandlung als auch verlegerisch tätig ist. Neben literarischen Werken entstand hier auch der “Connewitzer Kreuzer”, der heute als Leipziger Stadtmagazin bekannt ist. Die Buchhandlung gilt als eine der ersten literarischen Adressen des Landes. Gäste wie u.a. Tschingis Aitmatow, Abdulrazak Gurnah, Umberto Eco, Rio Reiser, Harry Rowohlt, Mario Vargas Llosa, Christa Wolf sorgten hier für legendäre Veranstaltungen, das Projekt wurde mehrfach mit dem Deutschen Buchhandelspreis, die Verlagsabteilung mit Auszeichnungen der Stiftung Buchkunst bei der Wahl der Schönsten deutschen Bücher und mit dem Deutschen Verlagspreis bedacht. Weitgehend unbekannt ist die Vorgeschichte der Verlagsbuchhandlung, in der die Deutsche Bücherei eine nicht unbedeutende Rolle spielt. Peter Hinke lernte hier den Beruf eines Bibliotheksfacharbeiters und war von 1982 bis 1987 am Deutschen Platz tätig. In dieser Zeit, in diesem Umfeld, wurde durch zahlreiche Begegnungen und Anstöße die Grundlage für die spätere Connewitzer Verlagsbuchhandlung gelegt.

wie es begann

Eines der frühen, bereits in der Deutschen Bücherei angedachten Verlagsprojekte war die literarisch-künstlerisch geprägte Zeitschrift SNO´BOY, die aber auch Sachbeiträge mit Leipzig-Bezügen enthielt. SNO`Boy erschien handgefertigt, Thermokopiert, mit eingeklebten Echtfotos und anderen Beigaben im Selbstverlag, also auch ohne die in der DDR üblichen Druckgenehmigung. Peter Hinkes Credo war allerdings schon damals nicht Untergrund – sondern Öffentlichkeit und keine Zensur. Lassen wir Peter Hinke im Interview mit Stephanie Bremerich in „kritisch-lesen.de“ selber zu Wort kommen:

„Wir hatten eine Auflage von ungefähr 50 Exemplaren, bei bis zu 99 Exemplaren ging so ein Projekt als „grafisches Werk“ durch, rechtlich gesehen war das ein Spagat. Wir hatten aber bestimmt über 500 Leser, die Zeitschrift ging von Hand zu Hand. Der Sno’Boy war fest gebunden und hatte ein Foto-Cover. Wir benutzten alle möglichen Vervielfältigungsformen: Schreibmaschine, Lichtpausen, Fotografen mussten 50 Originalabzüge bringen. Und natürlich gab es damals noch keine frei verfügbaren Xerografiegeräte, wir verwendeten aber heimlich Geräte der Deutschen Bücherei. Und der Sno’Boy war schön und wurde per Hand in der Deutschen Bücherei gebunden. Die Zeitschrift wurde von Frank Pötzschmann 1988 begründet und von ihm und einem kleinen Freundeskreis herausgegeben. Ich zeichnete dann nach der Ausreise Franks in den Westen allein verantwortlich. Auch meine Adresse stand in jeder Ausgabe, es war mir wichtig möglichst „offiziell“zu sein, obwohl das ja nicht wirklich möglich war.“ (1)

Start des Connewitzer Kreuzer

Peter Hinke absolvierte seine Berufsausbildung in der Deutschen Bücherei, war hier auch nach der Lehre einige Jahre in der damaligen Leihstelle, Schalter L-Z tätig. Später wechselte er in den Volksbuchhandel. Im Herbst 1990 schließlich er ein weiteres Zeitschriftenprojekt, den „Connewitzer Kreuzer“, welcher ab Heft 3 der DAZ, „Die Andere Zeitung – Leipzig“ beigelegt wurde. Dieses Leipziger Kulturmagazin existiert unter dem Titel „Kreuzer“ bis heute, wird aber nicht mehr von der Connewitzer Verlagsbuchhandlung herausgegeben. Die „DAZ“ stellte im Frühjahr 1991 ihr Erscheinen ein. Hinke spricht von einem Roten Faden: Lyrik, Fotografie, Leipzig, den nach „SNO`Boy“ mit dem „Connewitzer Kreuzer“ auch die erste Publikation seines Verlages inne hatte und das trifft für die Connewitzer Verlagsbuchhandlung bis heute zu.

Schon in den ersten Heften des „Connewitzer Kreuzer“ thematisierte Peter Hinke kulturelle Mißstände, welche sich in der Buchstadt Leipzig um 1990 ereigneten. Für die, welche damals dabei gewesenen sind, ist sicher noch in Erinnerung, wie Teile des Buchhandels große Teile der DDR Verlagsproduktion um die Währungsreform herum regelrecht entsorgten. Mancher der „Alten“ hat das Bild Leipziger Mülldeponien mit Bergen neuwertiger Verlagserzeugnisse oder volle Container vor Buchhandlungen in der Stadt noch vor Augen. Hier reagierte der „Connewitzer Kreuzer“ mit Protest, mit Flugblättern, mit eigenen Bestsellerlisten. Natürlich gab es dann auch Kontroversen, aber damit lebt der Kulturbetrieb. Der Verlag steuerte entgegen mit eigenen Veranstaltungen, Ausstellungen, gab Autoren mit Lesungen Raum und Gelegenheit zum Austausch mit dem Publikum. In einer Zeit des scheinbar unaufhaltbaren Niedergangs der Leipziger Verlagslandschaft, wagte die Connewitzer Verlagsbuchhandlung den Start. Gerade diese enge Kombination von Verlag und Buchhandel war damals in Leipzig Neuland. Viele der traditionellen Betriebe von Buchhandel und Verlagen bauten Stellen ab, strukturierten sich um, orientierten sich an ihren westdeutschen „Mutter-Verlagen“ oder gründeten sich mit Teilen des Personals neu. Manche der Neugründungen überlebten die Marktwirtschaft nicht.

Textseite aus der Zeitschrift
Die Bestsellerliste der CVB in Heft 2 des Kreuzer mit Gedanken von Peter Hinke

von Connewitz zu „Specks Hof“

In den vergangenen fünfunddreißig Jahren ist die Connnewitzer Verlagsbuchhandlung nicht nur ein fester Bestandteil der Leipziger Verlagslandschaft, sondern der Literaturszene in Leipzig selbst. Mit der Buchhandlung in „Specks Hof“ besetzt sie ein gutes Stück Kultur in zentraler Lage des Innenstadtraumes von Leipzig. Mit dem gemütlichen Wörtersee in der Südvorstadt schlägt sie die Brücke zu den Connewitzer Wurzeln. Gerade hier findet Verlag und Buchhandel, Gespräche mit Autoren, Künstlern aber auch die individuelle Beratung der Kundschaft manchmal alles zugleich statt.

Geprägt wird die Arbeit des Verlages seit seiner Gründung auch durch eine Verschränkung mit der Tätigkeit als literarische Buchhandlung, die im Laufe der Jahre – auch durch gemeinsame Veranstaltungen – viele sinn- und projektstiftende Begegnungen mit anderen literarischen Verlegern und Autoren brachte. Eine schöne Tradition ist die „Tippgemeinschaft“ eine hier verlegte Jahresanthologie der Studierenden des Deutschen Literaturinstitutes Leipzig.

Das Profil des Verlages umfasst Belletristik, Lyrik, Kunst, Regionalia und illustrierte Bücher eben der schon erwähnte rote Faden. So ist zum Beispiel der Geschichte des Leipziger Fußballs in mehreren Bänden ein Denkmal gesetzt worden. Grundsätzlich verlegt die Connewitzer Verlagsbuchhandlung in schöner Ausstattung und arbeitet vorrangig mit Leipziger Gestaltern, Künstlern, Autoren, Buchbindern und Druckereien zusammen. Von der Stiftung Buchkunst wurden die Bücher bereits mehrfach ausgezeichnet, u.a. »Mit einem Reh kommt Ilka ins Merkur« (2005, 1. Preis als „Schönstes deutsches Buch“), »Edition Wörtersee« (2006, Prämierung), „Streumen« (2008, Prämierung). 1996 bekam der Band „Fotografien“ von Arno Fischer den „Deutschen Fotobuchpreis“ („Kodak-Preis“), 2012 erhielt »Bewohnbare Stadt« von Andreas Reimann den Rössing-Preis als »schönstes Textbuch über die Stadt und die Region Leipzig«. Bislang sind ca. 200 Bücher in der Connewitzer Verlagsbuchhandlung erschienen. 2015 wurde der Verlag mit dem „Förderpreis der Kurt Wolff Stiftung“ ausgezeichnet, 2019 mit dem Sächsischen Verlagspreis und 2021 mit dem Deutschen Verlagspreis. Im Jahre 2023 gab es dann den Deutschen Buchhandlungspreis.

Buchauswahl
Weitere Titel der CVB aus der Präsentation im Lesesaal des DBSM

Die Abbildungen aus den „Connewitzer Kreuzer“ und von Büchern der Connewitzer Verlagsbuchhandlung erfolgen mit ausdrücklicher Genehmigung des Verlages. Alle Fotos DNB Kühne CC.BY.SA 3.0 DE

(1) kritisch-lesen.de Redaktion: „Wir wollten Öffentlichkeit und keine Zensur“. Erschienen in: DDR – Innenansichten in der Literatur. 53/ 2019. S.2, 3

URL:https://kritisch-lesen.de/s/Q9Ykm.

Anlässlich des Verlagsgeburtstages findet am 22.05.2025 eine Veranstaltung im Deutschen Buch- und Schriftmuseum statt.

DBSM:meet #15:

35 Jahre Connewitzer Verlagsbuchhandlung – Lesung und Gespräch Veranstaltung

https://www.dnb.de/DE/Kulturell/Veranstaltungskalender/DBSMmeet/20250522DbsmMeet15_event.html

Peter Hinke

Peter Hinke lernte den damaligen Beruf des Bibliotheksfacharbeiters in der Deutschen Bücherei. Er begründete 1990 die Connewitzer Verlagsbuchhandlung.

Peter Kühne

Peter Kühne arbeitet seit 1977 in der Deutschen Nationalbibliothek. Er ist Mitarbeiter in der Abteilung Benutzung und im Dt. Buch- und Schriftmuseum.

*Nachweis Beitragsbild auf der Startseite:Foto DNB Kühne CC.BY.SA 3.0 DE

Ein Kommentar zu „Es begann in der Deutschen Bücherei…“

  1. Paul Uhde sagt:

    Großartiger Beitrag. Ein Glücksfall für Leipzig, die Literaturszene und alle Kulturliebhabende, dass es die Connewitzer Verlagsbuchhandlung gibt!

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