Geothermie am Deutschen Platz

11. September 2023
von Christine Hartmann

Wer auf der Freitreppe zum historischen Gebäude der Deutschen Nationalbibliothek sitzt, hat einen guten Blick auf den ovalen Deutschen Platz. Diese von Linden und Hecken umringte Grünfläche verbirgt ein nicht ganz so kleines Geheimnis: Unter der Erdoberfläche befindet sich eine gewaltige Energiezentrale, die den 4. Erweiterungsbau der Bibliothek seit über 10 Jahren ressourcenschonend mittels Erdwärme versorgt.

Blick auf den Deutschen Platz von oben, Foto: Eric Kemnitz

Nachhaltigkeit und Effizienz

Als im Juli 2001 der Bauantrag für den 4. Erweiterungsbau der Deutschen Nationalbibliothek eingereicht wurde, stand bereits fest, dass der Neubau eines besonderen Energiekonzeptes bedarf. Denn die fachgerechte konservatorische Lagerung von Büchern und Medien ist an konstante Werte bei Temperaturen und Luftfeuchtigkeit gebunden. Dies nachhaltig und möglichst ressourcenschonend zu gestalten, war eine der Prämissen für die Planung. Mit der Optimierung der Gebäudehülle hinsichtlich Energiebedarf (Dämmung), der maximalen Effizienz der technischen Einrichtung sowie dem Einsatz regenerativer Energie (Erdwärme) wurden drei wesentliche Umsetzungsziele formuliert.

Energie-Klima-Konzept für den 4. Erweiterungsbau, aus: Dt. Nationalbibliothek (Hg.): Umschlag, Hülle, Inhalt. Erweiterung Deutsche Nationalbibliothek, 2011, S. 82

Mal kalt, mal warm

Mit dem Deutschen Buch- und Schriftmuseum, den Büros und dem Lesesaal sowie weitläufigen Magazinflächen beherbergt der 4. Erweiterungsbau sehr verschiedene Räume – mit über 10.000 m² beanspruchen die Magazinflächen mehr als die Hälfte davon. Sie sind auf durchschnittlich 18 °C klimatisiert und benötigen eine konstante Kühlung. Dies gilt auch für die technischen Anlagen des Gebäudes. Die Ausstellungen des Museums hingegen sind im Winter auf 20 °C, im Sommer auf 23 °C temperiert. Hinzukommen Verkehrs- und Raumheizflächen. Allesamt müssen übers Jahr wechselweise mit Wärme oder Kälte versorgt werden.

Übersicht der verbauten Sonden am Deutschen Platz

48 Sonden und 6.000 Meter

Einen Teil derdafür benötigten Energie wird über das Geothermiefeld „unter“ dem Deutschen Platz bereitgestellt. Konstanter Energiespeicher ist das Erdreich. Dafür wurden 48 Erdwärmesonden mit einer Gesamtlänge von ca. 6.000 Metern bis zu einer Tiefe von 124 Metern und insgesamt 5952 Bohrmetern in den Boden eingebracht. Die Sonden, bestehend aus mit Erdbeton umgossenen Kunststoffrohren sind in etwa zehn Metern Abstand zueinander gesetzt und auf zwei Felder aufgeteilt. Sie liefern Wärme oder Kälte über zwei Stränge, die in einem Schacht mit technischer Anlagensteuerung gebündelt ankommen. Umlaufender Träger der Energie ist das beständige in den Sonden fließende Wasser. Die Anlage ist so ausgestattet, dass der Bedarf an Kälte oder Wärme automatisch anhand der Messwertauswertung der letzten sieben Tage ermittelt wird.

Um Energieverluste zu minimieren oder gar auszuschließen, ist die „Hülle“ um die Magazine und die des Gebäudes sehr dicht gedämmt (s. Abb. Energie-Klima-Konzept) und dies bis ins Untergeschoss. Die zweischalige Gebäudehülle besteht aus Beton und der von außen sichtbaren und markanten „Metallhaut“ mit trigonalem Fugenmuster. Diese gestattet eine Hinterlüftung der Fassade über ein Klappensystem, das jahreszeitentsprechend umgestellt wird. Der Verlust von Wärme im Winter und ein Aufheizen im Sommer wird somit sehr gering gehalten. Die dezentrale Klimatechnik sorgt zudem dafür, dass die Anlage umgehend auf Raumklimaschwankungen reagieren kann.

Zukunftsfähig

Da durch Nutzung von Erdwärme keine Verbrennung fossiler Brennstoffe stattfindet, ist diese Art der Energieversorgung CO2-emissionsarm. Zudem ist es eine regenerative Energiequelle, da zwischen Sommer und Winter ein Ausgleich der Bodentemperatur stattfindet. Jedes Jahr kann mit denselben Grundbedingungen gearbeitet werden Es werden zudem keine Abgase erzeugt, keine Brennstoffe gelagert und es besteht keine oder nur eine geringe Brandgefahr. Auch ein Schornstein ist nicht nötig, weshalb aber auch kein Schornsteinfeger vorbeikommt und vielleicht etwas Glück mitbringt.

Energieausweis

All diese Vorteile sind auch gut sichtbar im Energieausweis des Gebäudes ablesbar. Öffentlich sichtbar im Foyer des Museums angebracht ist ablesbar, dass die Energiebilanz mit 126 kWh den Anforderungswert für Neubauten in Höhe von 197 kWh deutlich unterschreitet.

4. Erweiterungsbau der Deutschen Nationalbibliothek, Foto: PUNCTUM / Alexander Schmidt

In Zeiten von Ressourcenknappheit und der sich verschärfenden Klimakrise war die Entscheidung für eine Geothermie-Anlage für den 4. Erweiterungsbau mehr als richtig. Gefordert werden zunehmend Maßnahmen zur Einsparung von Energie und Konzepte für klimafreundliche Bewirtschaftung öffentliche Gebäude. Unter dem Deutschen Platz ist das bereits seit über 10 Jahren in die Realität umgesetzt und ein Anfang für zukunftsfähige kulturelle Institutionen.

*Nachweis Beitragsbild auf der Startseite:DNB

Schreibe einen Kommentar

Kommentare werden erst veröffentlicht, nachdem sie von uns geprüft wurden.
Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.

Über uns

Die Deutsche Nationalbibliothek ist die zentrale Archivbibliothek Deutschlands.

Wir sammeln, dokumentieren und archivieren alle Medienwerke, die seit 1913 in und über Deutschland oder in deutscher Sprache veröffentlicht werden.

Ob Bücher, Zeitschriften, CDs, Schallplatten, Karten oder Online-Publikationen – wir sammeln ohne Wertung, im Original und lückenlos.

Mehr auf dnb.de

Schlagwörter

Blog-Newsletter

In regelmäßigen Abständen erhalten Sie von uns ausgewählte Beiträge per E-Mail.

Mit dem Bestellen unseres Blog-Newsletters erkennen Sie unsere Datenschutzerklärung an.

  • ISSN 2751-3238